Erstplatzierte Union feiert nicht ganz makellosen Wahlsieger Merz

Als der schwarze Balken der ersten Prognose hochging und bei 29 stoppte, da blieben einige Parteimitglieder in der zweiten Reihe stumm. Die vor den Fotografen im Konrad-Adenauer-Haus positionierten CDU-Mitglieder hingegen, ausgestattet mit "Team Merz"-Schildern, jubelten betont laut.
Dazu kamen "Kanzler. Kanzler, Kanzler"-Rufe, als Friedrich Merz auf die Bühne trat. "Herzlichen Dank für den Regierungsauftrag, den die Union heute Abend bekommen hat!"
Die 30-Prozent-Marke war zwar selten als magische Grenze öffentlich definiert worden – der Frage danach war Kanzlerkandidat Merz im Wahlkampf stets ausgewichen. Doch man muss sich nur an die parteiinterne Verstimmung erinnern, als Alt-Kanzlerin Angela Merkel bei ihrer letzten Wiederwahl 2017 die Union auf 32,9 Prozent brachte. Ein Ergebnis unter 30 Prozent bei dieser Wahl ist für die Union angesichts des krachenden Scheiterns der Ampel-Koalition trotz des ersten Platzes eine Schmach.

Dazu aber beim ersten Auftritt von Merz, flankiert von CSU-Chef Markus Söder und CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann, kein Wort: "Wir haben einen harten Wahlkampf geführt, das ist richtig und notwendig gewesen in der Auseinandersetzung. Aber jetzt werden wir miteinander reden. Es geht darum, so schnell wie möglich eine handlungsfähige Regierung zu schaffen. Denn die Welt da draußen wartet nicht auf uns. Wir müssen wieder schnell handlungsfähig werden."
Allein CDU-Generalsekretär Linnemann gab in einer ersten Stellungnahme zu: "Natürlich wünsche ich mir eine Drei vorne." Man warte darauf, wie sich der Abend noch entwickle.
Merz hat die Union nach der verpatzten Chance bei der Bundestagswahl 2021 – damals hatte sich Spitzenkandidat Armin Laschet mit seinem Lacher beim Besuch einer Hochwasserregion selbst ins Aus geschossen – wieder zur stimmenstärksten Partei gemacht. Allerdings mit dem schlechtesten Ergebnis, das die CDU als erstplatzierte Partei je geholt hat.
Unbeliebter Merz
Das liegt wohl auch an Merz selbst: Der 69-Jährige ist bei den Wählerinnen und Wählern eher unbeliebt. In einer ZDF-Umfrage von Mitte Februar teilt er sich den dritten Platz mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) – hinter Grünen-Chef Robert Habeck und AfD-Chefin Alice Weidel. Merz war noch nie in Regierungsverantwortung, weder auf Kommunal- noch Landes- oder Bundesebene. Im Gegensatz zu allen ehemaligen Kanzlerinnen und Kanzlern der Bundesrepublik hat er keine Regierungserfahrung.
Auch der Wahlkampf lief eigentlich nicht so, wie sich das die Union vorgestellt hatte. Die Umfragewerte lagen seit gut einem Jahr bei rund 30 Prozent, mal ein paar Prozentpunkte mehr oder weniger. Selbst das Ampel-Aus im November sorgte für keinen Vorwärtsschub. Genauso wenig wie die umstrittene Abstimmung im Bundestag über einen Antrag zur Verschärfung der Migrationspolitik, bei der die Union die Zustimmung der AfD in Kauf nahm.
Dabei hatte Merz mit der Abstimmung einiges riskiert: Der Beschluss mit Stimmen der AfD stellte eine Zäsur im Bundestag da. Danach dominierten Migrationspolitik und die Frage, ob denn die "Brandmauer" gegen rechts noch Bestand habe, den Wahlkampf. Merz sah sich gezwungen, sein Nein zu einer Regierungsbeteiligung der AfD in jedem TV-Duell und bei jedem Wahlkampfauftritt erneut zu bekräftigen.
Auf der Suche nach einer Mehrheit
Wer die Bundesrepublik in den nächsten vier Jahren regieren wird, wird noch eine Herausforderung: Merz hatte auf ein Ergebnis gehofft, bei dem nur ein Koalitionspartner nötig wäre – um nicht in einer potenziell ähnlich zerstrittenen Dreierkoalition wie Scholz zu landen. Ein Bündnis aus Union und SPD hat laut ersten Hochrechnungen nur eine knappe Mehrheit, Schwarz-Grün nicht – obwohl Union und Grüne sich in einigen Fragen einiger sind als Union und SPD, etwa bei der militärischen Unterstützung der Ukraine.
In den letzten Monaten hatte sich die Union – allen voran der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Söder – auf die Grünen eingeschossen. Beim Wahlkampffinale am Samstag hatte Merz Söders Rhetorik übernommen und "Gegen rechts"-Demonstrierende "grüne und linke Spinner" genannt. Söder dürfte sich nicht nur deswegen in seinem Kurs bestätigt sehen: Seine CSU holte in Bayern 38,7 Prozent.
Im Konrad-Adenauer-Haus beschwor er aber Einheit: Es würde nur einen Mann geben, dem die Deutschen einen Politikwechsel zutrauten, gratulierte Söder Merz.
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