Warum sich Deutschland mit ausländischen Fachkräften schwer tut

Warum sich Deutschland mit ausländischen Fachkräften schwer tut
Die Bundesrepublik braucht dringend Arbeitskräfte aus dem Ausland. Für viele ist Deutschland nach wie vor ein Sehnsuchtsort. Doch einfach ist das Ankommen nicht.

Nour Rekik gefällt es in Dresden. "Ich liebe die Theater, die Museen, das Night Life in der Neustadt", schwärmt die junge Frau mit den langen dunklen Haaren. Nur das deutsche Essen, "so viel Wurst und Schweinefleisch, das war gewöhnungsbedürftig", sagt sie und lacht. Nour Rekik lacht viel während des Gesprächs.

Die 26-jährige Softwareingenieurin kommt aus einem Land, das für Europa primär ein gut bezahlter "Gatekeeper" ist, und eigentlich Menschen davon abhalten soll, nach Europa zu kommen: Tunesien

Gleichzeitig ist sie eine von denen, die händeringend in ganz Deutschland gesucht werden: Bis 2035 gehen in der Bundesrepublik gut sieben Millionen Arbeitskräfte verloren, weil die "Babyboomer" in Pension gehen. Fachkräfte sind Mangelware. "Komm in unser Team! Wir suchen Personal für die Instandhaltung unserer Züge", mittlerweile wird sogar in der Bahn mittels Durchsage um sie geworben.

Warum sich Deutschland mit ausländischen Fachkräften schwer tut

Die 26-jährige Nour Rekik ist vor zweieinhalb Jahren aus Tunesien nach Deutschland gekommen.

Besonders hart trifft es die ostdeutschen Bundesländer, in denen die Bevölkerung im Schnitt bis zu fünf Jahre älter ist als im Westen. Allein in Sachsen fehlen bis 2030 über 300.000 Arbeitskräfte. Die nachfolgenden Generationen, mehr Vollzeitbeschäftigung und eine Erhöhung des Pensionsantrittsalters – das alles reicht nicht, um die Lücke zu schließen.

Ökonomen zufolge braucht Deutschland also einige Hunderttausende Fachkräfte aus dem Ausland pro Jahr. Doch damit tut sich die Bundesrepublik schwer.

"Make it in Germany", wirbt die offizielle Infoseite der Bundesregierung; Dresden hat ein eigenes "Welcome Center", um Unternehmen und Arbeitnehmer bei der teils ausufernden Bürokratie zu unterstützen. Die Ampel-Regierung hat das Fachkräfteeinwanderungsgesetz beschlossen, um die Anwerbung zu beschleunigen. 2024 wurden, nach Senkung der Anerkennungsstandards und des Mindesteinkommens, das eine ausländische Fachkraft verdienen muss, damit rund 200.000 Arbeitsvisa erteilt – 20.000 mehr als im Jahr davor, aber immer noch zu wenig, um die Nachfrage zu decken.

2024 betrug die Arbeitslosenquote in Deutschland durchschnittlich rund sechs Prozent. Bis 2030 gehen aufgrund der Pensionierung der "Babyboomer-Generation" sieben Millionen Arbeitskräfte verloren. Bundesweit fehlen schon jetzt rund 530.000 qualifizierte Arbeitskräfte.

Dem Statistischen Bundesamt zufolge ist die Erwerbsbeteiligung der 25- bis 59-Jährigen bereits "auf sehr hohem Niveau". Was muss geschehen? Möglichkeiten sind mehr Vollzeitbeschäftigungen, ein höheres Pensionsantrittsalters und Fachkräfte aus dem Ausland, sagen Experten.

Erste Hürde: Sprachkenntnisse

Bei Nour Rekik war es anders: Sie hat in Tunis studiert, ist durch ein Stipendium einer Austauschorganisation in Dresden gelandet, und hat auf einer Jobmesse ihren zukünftigen Arbeitgeber, das Softwareunternehmen Peer Group, gefunden. "Durch den Job hab ich ein Arbeitsvisum bekommen und konnte in Deutschland bleiben", erzählt sie in flüssigem Deutsch. Dass sie damals, vor zweieinhalb Jahren, nur Niveau A2 beherrschte, war im sonst so auf der Sprache beharrenden Deutschland ausnahmsweise kein Problem: Die Unternehmenssprache ist Englisch.

In anderen Branchen, wo der Personalmangel groß ist, ist das schon anders, etwa in der Pflege. Im Nachbarbundesland Sachsen-Anhalt wurden in den vergangenen Jahren Dutzende Pflegekräfte in El Salvador ausgebildet – sie haben zwei Jahre lang Deutsch gelernt, bevor sie nach Europa kommen durften. Die Kosten von ein paar Tausend Euro tragen die Unternehmen.

Auch für Peer Group kostet die Anwerbung ausländischer Fachkräfte mehr als bei einem Arbeitnehmer, der bereits in Deutschland ist. Das Unternehmen stellt den Menschen für die ersten drei Monate eine Wohnung zur Verfügung und übernimmt den Großteil der Kosten. Eine enorme Hilfe, sagt Nour Rekik: "Aus der Ferne, ohne ausreichend Deutschkenntnisse und mit einem ausländischen Namen ist die Wohnungssuche sonst extrem schwierig."

Warum sich Deutschland mit ausländischen Fachkräften schwer tut

Die deutsche Ampel-Regierung hat 2023 das Fachkräfteeinwanderungsgesetz beschlossen.

AfD schadet Wirtschaftsstandort

Es ist auch diese Ausländerfeindlichkeit, mal mehr, mal weniger latent, die es nicht-deutschen Fachkräften schwer macht. In Sachsen genießt die rechtsextreme AfD über 30 Prozent Zustimmung, wirbt mit dem extremistischen Schlagwort "Remigration" und ist gegen das Fachkräfteeinwanderungsgesetz der Ampel, weil es nur noch mehr Menschen ins deutsche Sozialsystem locke. Auch wenn Nour Rekik die Akzeptanz und Wertschätzung ihrer Arbeitskollegen hervorhebt, "mache ich mir schon Gedanken, ob ich hier noch leben kann, wenn die Partei noch stärker wird". Sie verstehe den Schock und Diskussionsbedarf über Migration nach den jüngsten Attentaten von Asylwerbern. Aber so wie die Debatte laufe, würden zu schnell alle Ausländer in Deutschland verunglimpft.

Selbst die Wirtschaft warnt vor Undifferenziertheit und davor, dass unter den AfD-Erfolgen die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Deutschlands leide: "Vorwärts bei der Wirtschaft heißt nicht rückwärts mit den Werten", mahnen die Chefs von Siemens, Mercedes-Benz und der Deutschen Bank öffentlich. Pro Jahr verlassen neun Prozent der ausländischen Bevölkerung Deutschland wieder, über eine Million Menschen, und gehen zurück in die Heimat oder in ein anderes europäisches Land.

Warum sich Deutschland mit ausländischen Fachkräften schwer tut

Tesla-Mitarbeiter und Demonstranten protestieren gegen den AfD-Parteitag am 11. Januar 2025 in Riesa, Sachsen.

Für die junge Tunesierin ist Deutschland mittlerweile "meine zweite Heimat". Hier hat sie ihr Orchester, ihre Freunde. Mitte Dezember hat sie um eine dauerhafte Niederlassungserlaubnis angesucht. Dafür ist ein Test mit 33 Fragen zu Deutschland notwendig: "Zum Beispiel: Was macht der Bundesrat? Was bedeutet, dass Deutschland ein Rechtsstaat ist? Welches Recht gehört zu den Grundrechten in Deutschland?" Ob sie den Test bestanden hat, weiß Nour Rekik noch nicht.

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