BRICS: Treffen sich vier Freunde ohne Putin
Sie wollen nichts Geringeres als ein Gegengewicht zur Dominanz des Westens bilden: Die fünf Staaten der BRICS-Allianz: Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika.
Aber die Suche nach der neuen Stärke begann am Dienstag mit einem Signal der Schwäche. Denn einer der fünf Staatschefs darf nicht mit dabei sein. Kremlherr Wladimir Putin kann sich nur per Video zum Treffen der vier anderen Präsidenten dazuschalten.
Seit der Internationale Strafgerichtshof im März einen Haftbefehl gegen Putin wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen erlassen hat, ist dem russischen Präsidenten der Weg in 123 Staaten der Welt versperrt. Auch nach Südafrika, wo das dreitägige Treffen der BRICS-Staaten stattfindet.
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Statt Putin reiste also sein Außenminister Sergej Lawrow zum Treffen nach Johannisburg an - der nicht anwesende Kremlherr beherrschte dennoch eines der wichtigsten Themen des Treffens. Nämlich: Wie kann das BRICS-Bündnis wachsen - um sich der westlichen Hegemonie mächtig entgegenzustellen - ohne aber innerlich zu zerfransen?
Je mehr, desto besser
Aus der Sicht Russlands ergibt sich: Je mehr Staaten der Allianz künftig angehören, umso besser. Moskau drängt deswegen darauf, dass das erstmals zum BRICS-Gipfel eingeladene Belarus als Mitglied aufgenommen wird.
Einmal mehr soll das Treffen überdies beweisen, dass Russland trotz des Krieges gegen die Ukraine international nicht isoliert ist.
Treibende Kraft einer BRICS-Erweiterung aber ist China. BRICS-plus, so die Stoßrichtung Pekings, soll sich vor allem gegen die geoökonomische Dominanz der USA richten.
Knapp 20 Länder könnten aufgenommen werden, darunter die reichen Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabien, Indonesien und Bangladesch, Nigeria, Mexiko und Argentinien. Allein aus Afrika sind an die 30 Staats- und Regierungschefs angereist - auf Aufnahme in den BRICS-Club dürfen aber nur die wenigsten hoffen. China möchte nur die aufstrebendsten Volkswirtschaften eintreten sehen.
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Das würde das Gewicht der anti-westlichen Allianz schlagartig erhöhen: Allein die Bevölkerungszahl würde von derzeit insgesamt 3,3 Milliarden Menschen auf bis zu sechs Milliarden steigen - mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung. Und die gemeinsame Wirtschaftskraft (GDP) würde von derzeit etwa einem Viertel auf ein Drittel des weitweiten Bruttoinlandsproduktes hochschnellen.
Damit würde zwar selbst das erweiterte BRICS-Plus-Bündnis noch immer hinter der Wirtschaftskraft der G-7-Staaten hinterherhinken.
Doch die EU hätte die Allianz damit abgehängt.
Neue Weltordnung
Zeremonienmeister, Seele und Motor des BRICS-Bündnisses aber war und wird immer China sein: Die Volksrepublik allein stellt mehr als zwei Drittel der Wirtschaftskraft des Bündnisses und ebenso 70 Prozent seines Handelsaufkommens. Staatschef Xi Jinping machte nie ein Hehl daraus, dass er ein großes BRICS zum Mittel einer neuen Weltordnung aufbauen möchte - gegen den Konkurrenten USA. Mit China im Kern.
Eine Vision Pekings ist dabei: Möglichst viele Staaten sollen ihren Handel nicht mehr in US-Dollar abrechnen. Denn solange der Dollar die Weltwirtschaft dominiert, liegt die meiste Macht weiterhin in den USA und ihrer Federal Reserve Bank.
Erster Teilerfolg Pekings: Brasilien und China haben bereits miteinander vereinbart, ihre jeweiligen Landeswährungen zu nutzen. Auch Saudi-Arabien und Indonesien wollen eine Abkehr vom Dollar. Und auch Saudi-Arabien und Indonesien haben eine Abkehr vom Dollar angedacht.
Noch aber werden sieben Achtel aller Geschäfte innerhalb der BRICS-Staaten in Dollar abgewickelt. Und von der - vor allem von Russland vorangetriebenen - Idee einer eigenen BRICS-Währung ist die Allianz wieder völlig abgekommen.
Doch wie schlagkräftig wird die neue anti-westliche Allianz überhaupt werden? Ein militärisches Bündnis ist sie nicht.
Und auch politisch agiert sie schon bisher alles andere harmonisch: Den Autokratien China und Russland stehen die Demokratien Indien, Brasilien und Südafrika gegenüber.
Anti-chinesische Gefühle
Gerade in den drei Letzteren sind die anti-chinesischen Gefühle der Wähler zuletzt deutlich gestiegen - besonders krass in Indien: Dort hegen bereits zwei Drittel der Befragten eine "unvorteilhafte Meinung" von China. Denn sich weitestgehend vom Westen, der G-7, den USA und der EU abzuwenden und sich gleich einen neuen Dominator einzuhandeln - so weit reicht die Begeisterung in den drei demokratischen BRICS-Staaten noch nicht.
Diplomatische Arbeit stehe im Vordergrund, bestätigte denn auch Südafrikas Außenminister Naledi Pandor: "Wir sind weder anti-westlich noch anti-russisch." Es gehe vielmehr um verstärkte "Süd-Süd-Zusammenarbeit".
Einig seien sich die Staaten im Grunde nur darüber, dass die Hegemonie der USA zurückgedrängt werden müsse, sagen Experten. Doch eine Organisation, die schon bisher kaum funktioniere, werde auch nicht wirksamer, wenn sie vergrößert wird.
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