Braucht Österreich eine Vermögenssteuer?
Caroline Ferstl
06.07.24, 05:00Michael Hammerl
06.07.24, 05:00In einer OGM-Umfrage im Auftrag des KURIER sprachen sich 61 Prozent der Befragten für eine Vermögenssteuer ab einer Million Euro aus. Dafür sind beinahe alle SPÖ-Wähler und 77 Prozent der befragten Grün-Wähler.
Für Vermögenssteuern plädiert bekanntlich insbesondere SPÖ-Chef Andreas Babler. Es überrascht jedoch, dass auch 45 Prozent der ÖVP-, 43 Prozent der FPÖ- und 54 Prozent der Neos-Wähler dem Vorschlag zustimmen. Ein Pro & Contra aus der Redaktion.
PRO
Der eigentlich konservativen OeNB zufolge (auch sie ist für eine Vermögenssteuer!) hält das oberste Prozent Österreichs die Hälfte des Nettovermögens. Die Kluft zwischen Arm und Reich ist enorm, soziale Mobilität gering. Wer mit wenig ins Leben startet, hat kaum Chancen, Geld anzuhäufen – weil das Einkommen geringer und die Kreditpolitik auf Vermögende ausgelegt ist. Reichtum hat kaum etwas mit Leistung zu tun, sondern mit der Geburtslotterie.
Argumente gegen eine Besteuerung zielen meist auf veraltete Modelle, die Angst machen, uns würde etwas weggenommen. Unsinn! Moderne Modelle nehmen Eigenheim oder Firmenkapital von der Besteuerung aus. So oder so ist das Vermögen des Durchschnittsmenschen weit von jenem Wert, ab dem die Steuer greifen würde (oft ist von einer Million – nochmals: abzüglich des Eigenheims – die Rede), entfernt.
Diskutiert gehört, ob bei Einführung einer Vermögens- (oder Millionärs-)steuer im Ausgleich andere Abgaben, wie jene auf Einkommen oder Konsum, abgeschafft würden. So würde die arbeitende Bevölkerung, die den Staat hauptsächlich finanziert, zusätzlich entlastet. Gleichzeitig muss klar sein, wofür das Geld genutzt würde: Bildung, Gesundheit oder langfristige Investitionen in Klimaschutz – was allen zugutekäme.
In Umfragen sprechen sich seit Jahren Mehrheiten für eine Besteuerung aus, selbst Wähler von konservativen Parteien, die dagegen sind. Dabei ließe sich eine Vermögenssteuer auch ganz toll mit der katholischen Soziallehre begründen. Ausreden gibt es also keine mehr.
Caroline Ferstl ist Außenpolitik-Redakteurin.
CONTRA
Stockerlplatz! Österreich ist das Land mit der EU-weit dritthöchsten Steuer- und Abgabenquote. Der Staat sackt kräftig ein, die Budgetzahlen sind dennoch tiefrot. Potzpech, wo versickert so viel Geld?
Zum Beispiel in undurchsichtigen Doppel- und Mehrfachförderungen, Pensionserhöhungen und kurzum im Föderalismus. Was wäre die politisch logische Reaktion? Ein Bekenntnis zur Kostenwahrheit, eine Steuersenkung auf Arbeit und rigide Strukturreformen. Klingt komplex, ist es auch. Nicht grundlos üben sich rechter und linker Populismus stattdessen in der Schärfung ihrer Feindbilder. Jenes von SPÖ-Chef Andreas Babler sind bekanntlich ultraböse "Superreiche". Deshalb ist es nur konsequent, dass er quasi alle Probleme – vom Facharzttermin bis zur Ökowende – mit einer Millionärssteuer gegenfinanzieren will. Diese wurde 1994 wegen Erfolglosigkeit von der SPÖ abgeschafft. Doch Bablers Modell ist rigider, soll rund fünf Milliarden Euro pro Jahr bringen.
Ist das realistisch? Das lässt sich nicht seriös beurteilen, die Summe basiert auf Vermögensschätzungen, das Ausmaß an Kapitalflüchtlingen wäre auch abzuwarten. Millionärssteuer-Einnahmen ohne Feldtest in den Haushalt einzupreisen, ist also grob fahrlässig.
Übrigens werden hier nicht nur arbeitsscheue Millionenerben, sondern vor allem jene Top-Unternehmer abgestraft, die Arbeitsplätze schaffen, Österreichs Wertschöpfung erhalten und damit ohnehin am meisten an den Staat abtreten. Und wenn die Einnahmen eins zu eins in Senkung der Steuern und Abgaben auf Arbeit fließen? Schon fairer, aber nicht Vorschlag der SPÖ.
Michael Hammerl ist Innenpolitik-Redakteur.
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