In der Nacht zum 6. April wurde Sarajewo erstmals unter Beschuss genommen: "Mein älterer Bruder und ich standen am Fenster unseres Zimmers, das auf die Altstadt ausgerichtet war, und beobachteten Raketen, die auf die Stadt niederfielen. Mein Bruder sagte: 'Der Krieg hat begonnen.'"
Tatsächlich sollte der ethnische Krieg zwischen Bosniaken, Kroaten und Serben dreieinhalb Jahre dauern. Geendet hat er mit der Unterzeichnung des Friedensvertrags von Dayton, an dem sich bis heute die Geister schneiden.
"Gescheiterter Staat"
Kritiker sind der Meinung, er sei dafür verantwortlich, dass Bosnien-Herzegowina 30 Jahre nach dem Krieg immer noch als "gescheiterter Staat" gilt: Das in zwei halbautonome Teilrepubliken geteilte Land mit dem dreiköpfigen Staatspräsidium entwickelt sich kaum weiter, politische Vorhaben werden von der jeweils anderen Seite blockiert.
2016 stellte das Land einen Antrag auf einen EU-Beitritt, doch weder von Seiten der EU noch von der zerstrittenen Staatsspitze wurden die Bemühungen weiter verfolgt. Mittlerweile gelten China und Russland als die größten ausländischen Einflussmächte in der Region: Der Kreml unterstützt offen die Abspaltungsbestrebungen der Republika Srpska unter dem Serbenvertreter Milorad Dodik. Auch energiepolitisch ist das Land an Russland gebunden: Bosnien-Herzegowina ist abhängig von russischem Gas und spielt als Transitland für Turkstream und South Stream eine große Rolle. China versucht, die Region wirtschaftlich durch den Bau von Infrastruktur an sich zu binden.
Angesichts des Krieges in der Ukraine ist die Befürchtung groß, dass der Westbalkan der nächste Krisenherd Europas wird. Die EU verdoppelte deswegen bereits im Februar ihre in Bosnien-Herzegowina stationierte Friedenstruppe EUFOR auf 1.100 Soldaten.
Gefährlicher Vučić
Die vergangene Wahl in Serbien dürfte die Befürchtung verstärken: Der zwar erwartbare, aber doch eindeutige Sieg von Präsident Aleksandar Vučić sorgt für Sorgenfalten beim bosnischen Nachbarn. "Wir müssen davon ausgehen, dass Vučić weiterhin hinter Dodik steht und ihn bei den kommenden Wahlen in Bosnien unterstützen wird", sagt Vedran Džihic vom Österreichischen Institut für internationale Politik (oiip). "Serbien hat kein Interesse an einem stabilen Bosnien-Herzegowina", glaubt Džihic, der nicht einmal dem Erfolg der serbischen Opposition in der Hauptstadt Belgrad große Bedeutung beimisst: "Die Opposition in Serbien ist immer noch zu schwach, um wirklich gefährlich werden zu können. Er hat weiterhin die Zügel fest in der Hand."
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