Wahlen in Serbien: Vučić gibt weiter den Ton an

Wahlen in Serbien: Vučić gibt weiter den Ton an
Serbiens Wahllokale schlossen um 20 Uhr. Mit ersten Ergebnissen wird am späten Sonntagabend gerechnet.

Er ist zwar erst 52 Jahre alt, aber bereits 30 Jahre lang in der Politik. Und daran wird sich auch nach den Wahlen am Sonntag in Serbien nichts ändern: Aleksandar Vučić wird Präsident in dem Balkanland bleiben und seine SNS-Partei die tonangebende Macht im nationalen Parlament in der Hauptstadt Belgrad.

Das Erstaunliche daran: Laut Verfassung kommen dem serbischen Staatsoberhaupt lediglich repräsentative Aufgaben zu – und dennoch dreht sich alles um Vučić, bei dem realpolitisch alle Fäden zusammenlaufen.

Keine Demokratie mehr

Das Parlament war eigentlich erst 2020 neu gewählt worden. Vučić ließ die Neuwahl jedoch vorziehen, um durch die Zusammenlegung mit der Präsidentschaftswahl die Vorherrschaft der SNS abzusichern. Die Wahllokale schließen um 20 Uhr. Mit ersten Ergebnissen wird am späten Sonntagabend gerechnet. Sechs Stunden vor Schluss der Wahllokale hatten 31,56 Prozent der rund 6,5 Millionen Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben, berichtete die nationale Wahlkommission.

Die Medien, von Vučić kontrolliert, prognostizierten logischerweise einen Sieg Vučićs in allen Umfragen. Er selbst kündigte an, dass jedes Ergebnis unter 60 Prozent für ihn eine Enttäuschung sein würde.

Die drei größten Oppositionsparteien, die Partei der Freiheit und Gerechtigkeit (SSP), die Volkspartei (NS) und die Demokratische Partei (DS).hatten den früheren Armeechef Zdravko Ponoš als gemeinsamen Gegenkandidaten aufgestellt. Ihm wurden kaum Chancen eingerechnet.

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Präsident Vučić bei der Stimmabgabe.

Kritiker werfen Vučić vor, immer autoritärer aufzutreten: "Wir sind schon lange keine Demokratie mehr. Zu einer Demokratie gehören unabhängige Institutionen, Medien, Prinzipien sowie Werte. Das haben wir nicht", klagte etwa der Oppositionelle Dragan Ðilas, ehemals Bürgermeister Belgrads, im KURIER-Gespräch.

Wobei der Balanceakt Vučić zwischen EU-Integration (Serbien ist ja seit 2012 Beitrittskandidat) und der Freundschaft zu Russland künftig noch diffiziler wird: Belgrad und Moskau verbinden die historische Allianzen der Slawen – und enge Wirtschaftsbeziehungen. "Russland ist der viert- oder fünftgrößte ausländische Investor (in dem Balkanland, Anm.). Umgekehrt ist Russland einer der wichtigsten Abnehmer serbischer Güter", sagt Branimir Jovanovic, Serbien-Experte des Wiener Instituts für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW). 80 Prozent der Bevölkerung betrachtet Russland mittlerweile als echten Freund – die EU rangiert weit dahinter. Vučić, der Kremlchef Wladimir Putin bereits 19 Mal getroffen hat, werde also weiterhin versuchen, "auf zwei Stühlen zu sitzen", sagt der WIIW-Mitarbeiter.

Viele Baustellen

Allerdings werde es laut dem Experten wegen des Ukrainekrieges in den kommenden Jahren zu einer wirtschaftlichen Entkoppelung zwischen der EU und Russland kommen. Und das werde auch Auswirkungen auf Serbien haben, dessen Beitritt zur Union sich dadurch beschleunigen könnte, meint Jovanovic.

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Der frühere Armeechef Zdravko Ponoš ist der gemeinsame Gegenkandidat der Partei der Freiheit und Gerechtigkeit (SSP), der Volkspartei (NS) und der Demokratischen Partei (DS).

Der Einfluss Putins spielte im serbischen Wahlkampf nur eine untergeordnete Rolle, sehr wohl aber die Beziehung zum Kosovo: Im Gegensatz zu den vergangenen Wahlen durften die ethnischen Serben in der ehemaligen jugoslawischen Provinz diesmal nicht abstimmen, was zu heftigen Spannungen geführt hat. Diese wieder abzubauen, beziehungsweise die Beziehungen zu Pristina zu regeln, wird eine der Hauptaufgaben der neuen Regierung und des alten, neuen Präsidenten sein – genauso wie eine Klärung des Verhältnisses zu Moskau und Brüssel.

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