Was eine Kulturstaatssekretärin können muss (und ob die Favoritin das kann)
Ärzte sind oft schwierige Patienten, und die Kulturschaffenden sind ein schwieriges Publikum.
Wer nun als Nachfolgerin von Ulrike Lunacek Anfang der Woche als neue Kulturstaatssekretärin präsentiert wird, darf auf der Bühne dieser schwierigen Branche kein Lampenfieber zeigen: Die Kultur geriert sich auch sonst gern als glattes Parkett. Und dieses ist nun, in Zeiten existenzieller Not und angestauter Demütigung, extrarutschig poliert. Das musste Lunacek spüren, davor scheut der zuständige Vizekanzler.
Normalerweise ist der Kulturposten der Regierung, sei es als Anhängsel an ein großes Ministerium oder als Staatssekretariat, nicht der Ort, an dem besonderer Entscheidungsfleiß erwartet wird. Es gilt, sich nicht Budgets kürzen zu lassen, unfallfrei Eröffnungen und Theaterabende zu absolvieren und bei Gelegenheit gute Reden zu halten. Kritik abperlen zu lassen, Egos auf richtige Weise zu jonglieren, eine nicht immer kooperative, in ihren Interessen scharf divergierende Klientel so zu behandeln, dass diese sich aufgehoben und wichtig fühlt. Und auch, diese gegen ein oftmals auf scharf gestelltes Wahlvolk zu verteidigen: Österreich liebt seine Künstler, und es liebt es auch, diese zu piesacken.
Gespür für die Not
Mit dementsprechender Stagnationslust wurde die Kulturpolitik in den vergangenen Jahren betrieben. Doch jetzt zählt es auch in der gern stiefmütterlich behandelten Kultur: Ihre untypischen Beschäftigungsformen sorgten im Corona-Shutdown für rasche, große Not bei vielen Kulturschaffenden. Die Zukunftsaussichten sind immer noch abenteuerlich ungewiss. Weder der zuständige Minister Werner Kogler noch die Regierungsspitze signalisierten bisher überbordendes Gespür für die aufkommende Panik noch für die wirtschaftliche oder auch gesellschaftliche Bedeutung der Branche.
Und erst, als diese ihre kommunikativen Kanäle lautstark mit Gift füllte, kam die Regierung zu Sinnen.
Die Nachfolgerin Lunaceks muss rasch Pakete schnüren (und nicht praktikable bisherige darin aufgehen lassen), um alsbaldigst finanziell zu helfen. Vorbilder gibt es in Deutschland, wo Betroffene innerhalb weniger Tage Geld bekamen, und die Frage nach Formularen und Amtswegen in die Zukunft vertagt wurde. Die neue Staatssekretärin braucht hier Kompetenz.
Druckweitergabe
Und sie braucht auch Kanäle, über die sie den Druck der Branche an Kogler, Sebastian Kurz und Finanzminister Gernot Blümel weitergeben kann. Je vernetzter sie in der Branche ist und je leiser die grüne Basis murrt, desto länger hat sie Zeit, Zerstörtes bei laufendem Motor zu reparieren und Vertrauen aufzubauen.
Dazu gilt es auch, der Opposition, die den von der Kulturbranche entfachten Sturm in die eigenen Segel leitete, selbigen Wind zu nehmen. Und für weitere Besprechungsrunden mit der Branche ist keine Zeit: Die Neue muss aus dem Stand agieren können, soll sich nicht wieder Unmut aufbauen.
Das Profil jedenfalls passt auf die als Favoritin ausgerufene Andrea Mayer. Sie hat drei Jahrzehnte im Kulturbetrieb gearbeitet und als dessen Büroleiterin das Ohr des Bundespräsidenten, was der als rote Beamtin gestarteten Mayer grüne Pluspunkte bringt.
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