Kulturpolitik im Kreuzfeuer - und die Aussichten für den Sommer
Wenn man verstehen will, warum sich viele Kulturschaffende in der Corona-Krise von der Regierung im Stich gelassen fühlen, braucht man nur einen innerkoalitionären Aussendungsabtausch vom Dienstag lesen.
ÖVP-Kultursprecherin Maria Großbauer freut sich darin über die „Klarstellung“ von Kulturstaatssekretärin Ulrike Lunacek (Grüne), dass man beim Musizieren mit Blasinstrumenten nun doch keinen Mund-Nasen-Schutz tragen müsse.
Wer in Kulturfragen mangelnde Kompetenz und Realitätsferne ortete, der wird sich durch diese nadelstichige Feststellung des Banalsten nicht umstimmen lassen. Und wer – wie viele Kulturschaffende – vor einer finanziellen Notlage steht und mit zunehmender Dringlichkeit auf Perspektiven oder politische Hilfe wartet, der wird sich nicht beruhigt fühlen.
Die Kritik am Umgang mit Kultur schwillt an. Alle Sparten haben der Regierung seit der ersten verunglückten Pressekonferenz zur Kultur die Leviten gelesen. Oder, durchaus in passiv-aggressiven Tönen, Know-how angeboten. Die Kritik richtet sich sehr persönlich gegen Staatssekretärin Ulrike Lunacek, weniger gegen den eigentlich zuständigen Minister Werner Kogler oder die Prioritätensetzung der Regierung.
Für viele Kulturschaffende, die oft in von diversen Rettungsschirmen nicht erfassten Vertragssituationen arbeiten, bleibt jedenfalls ein Eindruck über: Die Kulturnation Österreich stellt die Kultur hintenan. Allzu vieles wurde vor der Kultur behandelt. Zu dieser Demütigung kommt zunehmend Furcht vor monatelangem Einkommensverlust. Und die Flut an Initiativen, Offenen Briefen und Wutvideos (nicht immer geschmackssicher), die zuletzt aus der Kultur kam, zeigt auch: Die wirtschaftlich durchaus mächtige Branche spricht weit weniger mit einer Stimme, als für erfolgreiches politisches Lobbying nötig wäre.
Sommeraussichten
Nun – geplant war es noch vor dem Wochenende, obwohl zuletzt etwas zurückgerudert wurde – will Lunacek einen wichtigen Schritt setzen: Sie will bekannt geben, wie es mit Veranstaltungen und Proben im Sommer aussehen kann. Ab 29. Mai werden Veranstaltungen indoor und outdoor mit Publikum möglich sein.
Es dürfte zu Lockerungen bei der geforderten Quadratmeterzahl pro Besucher (doch unter 10?) kommen; draußen tut man sich leichter als drinnen; unklar ist aber, ob die für Wirtschaftlichkeit notwendige Besucherzahl erlaubt wird. Die Bekanntgabe dürfte ein entscheidender Moment im zunehmenden Zerwürfnis zwischen Kulturbranche und den zuständigen Politikern werden: Die Branche hofft bei dieser zweiten Chance einer Kulturpressekonferenz auf hell leuchtende Silberstreife. Der Blick über die Grenzen hinweg lässt diese jedoch fraglich erscheinen.
So sagte der Chef des weltgrößten Veranstalters Live Nation, dass er erst im zweiten Halbjahr 2021 (!) mit Normalbetrieb bei Veranstaltungen rechne. Erste Pläne zu Konzerten unter strengen Auflagen drohten sich in den USA zu zerschlagen; von anderswo gibt es eher bedrückende Bilder von autokinoartigen Konzerten, bei denen die Fans hupen, wenn ihnen etwas gefällt. China hat Kinos auf- und wieder zugesperrt, die meisten von Corona betroffenen Gebiete denken noch nicht einmal an einen Kulturstart.
Die virologische Bewertung, wie weit man diesen verantworten kann oder ob die Kultur weiter der Furcht vor einer zweiten Welle untergeordnet werden soll, ist aber nur die eine Seite. Es gibt, auch hier, verschiedene Expertenmeinungen. Ein Problem, das schwierig zu lösen bleibt, ist die Sicherheit des Publikums – und die Aufführungsdauer, die diese bedenklicher macht als einen kurzen Bauhausbesuch.
Vorerst unbeantwortet aber ist der politische Teil der Frage. Der Kultur sind Schönwetterreden nicht fremd: Sie wird gerne herbeizitiert, wann immer es um die Suche nach einem Politikerredenthema geht. Auf die echte Zuschreibung eines existenziellen Werts durch die Politik muss die Kultur bei Schlechtwetter jedoch erstaunlich lange warten.
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