Oscars: Eine unpolitische Gala, ein großer Abräumer und Demi Moore geht leer aus


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Der Sieger der diesjährigen Oscar-Verleihung heißt Sean Baker, dessen Independant-Film über eine Sexarbeiterin namens „Anora“ mit fünf Oscars belohnt wurde – darunter bester Film und beste Regie.
Mikey Madison erhielt für ihr Spiel in der Titelrolle „Anora“ den Oscar als beste Hauptdarstellerin und landete damit einen Überraschungssieg; es war Demi Moore, die als Favoritin mit ihrer Comeback-Rolle in „The Substance“ galt. Dass sie dann doch nicht den Oscar bekam, sondern von einer Newcomerin übertrumpft wurde, war wohl die größte Verblüffung des Abends.

Schnappte Demi Moore den Oscar weg: Mikey Madison ist "Anora"
Die zweit meisten Preise konnte Brady Corbet für sein Monumentalwerk „Der Brutalist“ für sich entscheiden: Sein Architektenporträt erhielt drei Oscars, darunter für beste Kamera und besten Soundtrack. Hauptdarsteller Adrien Brody bekam für seine eindrucksvolle Verkörperung eines Holocaust-Überlebenden, der in Amerika ein neues Leben beginnen möchte, seinen zweiten Oscar (nach „Der Pianist“). Damit schlug er Timothée Chalamet aus dem Rennen, dessen Darstellung von Bob Dylan in dem Bio-Bic „Like a Complete Unknown“ ebenfalls hoch im Kurs stand.
Apropos Bob Dylan: Als Überraschungsgast stand plötzlich Mick Jagger als Preis-Präsentator auf der die Bühne und erklärte gut gelaunt, er sei nur die zweite Wahl und eingesprungen:“Eigentlich wollten sie Bob Dylan.“
Bester Film: "Anora"
Beste Regie: Sean Baker ("Anora")
Beste Hauptdarstellerin: Mikey Madison ("Anora")
Bester Hauptdarsteller: Adrien Brody ("Der Brutalist")
Beste Nebendarstellerin: Zoe Saldaña ("Emilia Pérez")
Bester Nebendarsteller: Kieran Culkin ("A Real Pain")
Bester internationaler Film: "I'm Still Here" (Brasilien)
Bester Animationsfilm: "Flow"
Bestes Originaldrehbuch: "Anora"
Bestes adaptiertes Drehbuch: "Konklave"
Beste Kamera: "Der Brutalist"
Bester Schnitt: "Anora"
Bestes Kostümdesign: "Wicked"
Bestes Produktionsdesign: "Wicked"
Bestes Make-up und Haare: "The Substance"
Beste visuelle Effekte: "Dune: Part Two"
Bester Sound: "Dune: Part Two"
Beste Musik: "Der Brutalist"
Bester Song: "El Mal" (aus "Emilia Pérez")
Bester Dokumentarfilm: "No Other Land"
Bester Dokumentarkurzfilm: "The Only Girl In The Orchestra"
Bester animierter Kurzfilm: "In The Shadow Of The Cypress"
Bester Kurzfilm: "I'm Not A Robot"
Kieran Culkin bekam einen Oscar als bester Nebendarsteller in Jesse Eisenbergs tragikomischem Raodtrip in die Vergangenheit „A Real Pain“. In seiner Dankesrede erinnerte er seine Frau daran, dass sie ihm ein viertes Kind versprochen hatte, sollte er einen Oscar gewinnen (das Paar hat bislang zwei Kinder).

Will vier Kinder: Bester Nebendarstellerin Kieran Culkin in "A Real Pain"
Als beste Nebendarstellerin wurde Zoë Saldaña mit einem Oscar für ihre Rolle in „Emilia Pérez“ belohnt: Das französische Musical von Jacques Audiard hatte im Vorfeld 13 Nominierungen erhalten, konnte davon aber nur zwei in Goldbuben verwandeln. Einen davon erhielt Zoë Saldaña als erste Frau mit dominikanischen Wurzeln und hielt eine schluchzende Dankesrede, die sie mit einem Ruf nach ihrer Mutter („Mummy!“ Mummy!“) begann und damit beendete, dass die die stolze Nachfahrin einer Einwanderfamilie sei. Diese Anmerkung war einddeutig als Kommentar zur gegenwärtigen USA-Politik gegenüber Migranten und Migrantinnen gedacht.
Das Musical „Wicked“ mit Ariana Grande und Cynthia Eviro erhielt zwei Oscars, ebenso wie „Dune: Part Two“.

Beste Nebendarstellerin: Zoë Saldaña in „Emilia Pérez“
Wie politisch waren die Oscars?
Durch die Gala führte erstmals der Talkshow-Moderator Conan O’Brien und sorgte mit verspieltem Witz für einen leichtfüßigen Abend. Seinen eigenen Auftritt begann er spektakulär, indem er sich aus dem Rücken von „Demi Moore“ schälte, dabei aber einen Schuh verlor – ein genüssliches Filmzitat aus Moores Body-Horror-Rolle in „The Substance“.
Es folgte eine Liebeserklärung an Los Angeles mit einer Reihe von Filmclips, in der die Stadt eine prominente Rolle spielt – von „L. A. Story“ bis hin zu „La La Land“. Auch die tapferen Feuerwehrleute, die sich den verheerenden Bränden entgegengestellt hatten, bekamen einen Bühnenauftritt. Sie durften jene Scherze verlesen, die Conan O’Brien selbst nicht machen wollte, etwa: „Wir gedenken jener, die ihre Häuser in Los Angeles verloren haben, allerdings nicht durch die Brände, sondern weil sie „Joker: Folie à Deux“ produzierten.“
Das Gelächter im Saal blieb verhalten.

Erstmals Host der Oscar-Show: Conan O'Brien
Obwohl Conan O’Brien wenig vordergründige, politische Witze machte, so ließ er doch unterschwellig seinen satirischen Zugriff auf die Wirklichkeit durchsickern. So begrüßte er sein Publikum in drei Sprachen – darunter indisch und chinesisch – als kleinen Seitenhieb auf die von Trump propagierte, einzige Landessprache Englisch. Auch die Beliebtheit des Films „Anora“, in dem sich die amerikanische Sexarbeiterin gegen eine russische Oligarchenfamilie zur Wehr setzen möchte, ließ er nicht unkommentiert: „Ich denke, die Amerikaner sind begeistert, dass sich endlich jemand gegen einen mächtigen Russen behaupten kann.“
Bei den Dankesreden stach – neben Saldaña – vor allem das palästinensisch-israelische Filmduo der Doku „No Other Land“ hervor, das sich für ein friedliches Zusammenleben zwischen Israelis und Palästinenser aussprach und die amerikanische Außenpolitik für seine Blockade kritisierte. Die Schauspielerin Daryl Hannah wiederum rief dazu auf, die Ukraine zu unterstützen, ehe sie die Nomierungen und dann den Gewinner für bestes Filmediting verlas – übrigens wieder Sean Baker.

Filmemacher unter sich: Quentin Tarantino (li.) und Sean Baker
Dieser musste als Hauptgewinner des Abends gleich mehrere Dankesreden bestreiten und appellierte unter anderem an alle Anwesenden, doch wieder mehr ins Kino zu gehen und gefährdete Abspielorte zu retten. Ins gleiche Horn stieß auch Conan O’Brien in einem Werbefilm fürs Kino, in dem er einer Dreiergruppe von Amerikanern erklärte, dass das Kino so etwas sei wie ein „gigantisch großes Mobiltelefon“ - in dem man gemeinsam mit anderen Menschen Filme sehen könne.
Einen Seitenhieb auf die anwesende spanische Schauspielerin Karla Sofía Gascón, die sich ihre Oscarchancen als erste Transfrau in ihrer Rolle als „Emilia Pérez“ mit rassistischen Tweets vermasselt hatte, ließ sich Conan O’Brien auch nicht nehmen: „Wenn Sie über den Abend twittern, vergessen Sie nicht: Mein Name ist Jimmy Kimmel.“

Sean Baker und sein Indie-Film "Anora“ ist der Gewinner des Oscar-Abens
Die besten Zitate des Abends
Sean Baker
in seiner Dankesrede für den besten Film "Anora": "Das ist ein wirklich unabhängiger Film. Darin stecken Blut, Schweiß und Tränen von unabhängigen Künstlern. Lang lebe der Independent-Film!"
bei seinem Regie-Oscar: "Unabhängige Kinos befinden sich unter großem Druck. (...) Das ist ein Schlachtruf: Regisseure, bitte macht weiterhin eure Film für die große Leinwand!"
bei seinem Drehbuch-Oscar: "Das ist verrückt. Ich danke der Academy, das ist so eine große Ehre. An meinen tollen Cast: Ihr habt alles, was ich geschrieben habe, erhöht - und mich dadurch gut aussehen lassen. Und vielen Dank an die Sexarbeiter-Community. Ihr habt eure Geschichten, eure Leben mit mir geteilt."
bei seinem Oscar-Gewinn für den besten Schnitt: "Habt ihr dieses Material gesehen? Ich habe diesen Film im Schnitt gerettet. Dieser Regisseur sollte nie wieder arbeiten." (lacht)
Mikey Madison
in ihrer Dankesreden für den Oscar als beste Hauptdarstellerin ("Anora"): "Ich bin zwar in Los Angeles aufgewachsen, aber Hollywood war immer so weit entfernt für mich. (...) Ich möchte auch die Sexarbeiter-Community anerkennen und ehren. Ich werde sie weiterhin unterstützen und eine Verbündete sein."
Adrien Brody
in seiner Dankesrede für den Oscar als bester Hauptdarsteller ("Der Brutalist"): "Schauspielerei ist eine sehr fragile Profession. Es wirkt sehr glamourös, manchmal ist es das auch. Aber egal, wo in deiner Karriere du dich gerade befindest, was du alles erreicht hat, du kannst jederzeit alles verlieren. Ich bin dankbar dafür, dass ich immer noch das tun darf, was ich liebe. (...) Ich bete für eine gesundere, fröhlichere und inklusivere Welt. Lasst uns Hass nicht unwidersprochen lassen."
Zoe Saldaña
in ihrer Dankesrede für die beste Nebendarstellerin ("Emilia Pérez"): "Mami! Mami! Meine ganze Familie ist hier. Vielen Dank an die Academy, dass sie den stillen Heldentum und die Kraft in einer Frau würdigt. (...) An meinen Ehemann mit deinem wunderschönen Haar! Es ist die größte Ehre, deine Partnerin sein zu dürfen. (...) Ich bin die stolze Tochter von Immigranten."
Kieran Culkin
als er seinen Oscar als bester Nebendarsteller für "A Real Pain" erhielt: "Ich habe keine Ahnung, wie ich hierher gekommen bin. Ich habe einfach mein ganzes Leben geschauspielert, das ist einfach, was ich mache."

Conan O'Brien
Conan O'Brien
in seinem Eröffnungsmonolog: "Heute ist Hollywoods größte Nacht, die um 4 Uhr nachmittags beginnt. (...) Wir verwenden keine künstliche Intelligenz für diese Show, wir verlassen uns auf Kinderarbeit. Hey, das sind auch Menschen!"
über die Feuer in Los Angeles: "Die Menschen von Los Angeles haben Unglaubliches durchgemacht. In Momenten wie diesen erscheint eine Preisgala wie diese unangemessen. Aber erinnern wir uns daran, warum wir heute hier sind: (...) Wir feiern eine Kunstform, die im besten Fall die Fähigkeit hat, uns zu vereinen - auch im Angesicht von Bränden oder spaltender Politik."
über den Erfolg von "Anora": "Ich glaube, Amerika ist begeistert, endlich jemanden zu sehen, der sich gegen einen mächtigen Russen zur Wehr setzt."
Mick Jagger
bei der Vergabe des Oscars für den besten Song: "Ich war nicht die erste Wahl der Showproduzenten. Bob Dylan hätte es tun sollen, er wollte aber nicht. Er meinte, sie sollen jemand jüngeren finden. Okay - hier bin ich!"
Daryl Hannah:
"Slava Ukraini" (Es lebe die Ukraine)
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