Produzent Auspitz zur fehlenden ORF-Finanzierung: „unwürdiges Schauspiel“

Vorarbeiten für Staffel 2 laufen: „Tage, die es nicht gab“ mit ROMY-Nominee Franziska Weisz
Befürchtet bei noch größeren ORF-Einsparungen „Kahlschlag". MR Film setzt Rückkehr ins Kino mit „Hades“ und „Kreisky“ um. Staffel 2 für „Tage, die es nicht gab“ anvisiert

Nun wird  in Österreich auch wieder für Action auf der Leinwand gesorgt. Am Montag hat in Wien der Dreh zu „Hades“ begonnen. „Für uns ist des etwas ganz Besonderes: Die MR Film kehrt in die Kino-Produktion zurück“, erklärt Produzent Oliver Auspitz im KURIER-Gespräch an. „Hades" ist eine, mit Abstrichen, wahre Geschichte, in deren Mittelpunkt ein persischer Migrant in Österreich steht, der in die Kriminalität abrutscht. „Das wird ein richtiges Action-Haudrauf-Komödien-Drama über einen, der sich durchs Leben kämpfen muss.“

In der Hauptrolle zu sehen sein wird Anoushiravan Mohseni, ein österreichischer Schauspieler, Musiker und Kampfsportler mit iranischen Wurzeln, der „da und dort schon zu sehen war, aber insgesamt noch überschaubare Rollen-Erfahrung hat. Aber das trauen wir uns jetzt zusammen.“ Um ihn herum ist ein Ensemble der Hochkaräter aufgestellt mit u. a. Alma Hasun, Proschat Madani, Fritz Karl, Aglaia Szyszkowitz, Aaron Karl und einige mehr. Regie führt Andreas Kopriva, für den es das Kino-Debüt ist. „Das wird ein richtig wilder Ritt werden“, der dank Filminstitut-Direktor Roland Teichmann möglich geworden sei.

Produzent Auspitz zur fehlenden ORF-Finanzierung: „unwürdiges Schauspiel“

MR-Film-Produzent Auspitz kritisiert Umgang mit dem ORF

Kritiker als Autor

Geschrieben hat das Drehbuch Horst-Günther Fiedler, ein renommierter Film-Journalist, Kritiker bei tv-media und ROMY-Juror, „der sich auf ein wirkliches Wagnis einlässt. Denn kritisieren, meint man jedenfalls landläufig, ist einfacher als etwas selbst auf die Beine zu stellen“, sagt Auspitz.

Die Idee begleitete Fiedler und Mohseni schon länger, aber es gelang nie, das Projekt drehreif zu bekommen. „Dann ist es bei mir auf dem Schreibtisch gelandet – jeder sucht sich seine positiven Probleme selbst“, lacht Auspitz.  „Ich bin jedenfalls davon überzeugt. Das Buch war von Anfang an sehr gut und sehr eindeutig.“

Am anderen Ende des Filmspektrums angesiedelt wird ein Biopic über Bruno Kreisky sein. Dieses Kino-Projekt, das Harald Sicheritz mitentwickelt hat, der auch Regie führen wird, setzt die MR Film im Herbst um. „Es geht um die jungen Jahre Kreiskys bis zu seiner Emigration nach Schweden“, erläutert Auspitz. „Kreisky ist ja nicht nur die Ikone der SPÖ. Es gab viele Politiker der Zweiten Republik, die nicht sozialdemokratisch waren und die sich auf Kreisky berufen haben. Wie er das geworden ist - eine Größe der internationalen Politik und eine prägende Figur der österreichischen Politik-Geschichte - dafür liegen die Wurzeln in seinen frühen Jahren. Das ist unglaublich spannende Zeitgeschichte.“ „Hades“ und „Der junge Kreisky“ sind die ersten Kino-Produktionen seit „Anna Fucking Molnar“ (2019).

Streaming-Hit

Eine große Nummer ist die MR vor allem im TV-Geschäft. Zuletzt mit der achtteiligen ORF/ARD-Serie „Tage, die es nicht gab“ mit ROMY-Nominee Franziska Weisz, Diana Amft, Jasmin Gerat und Franziska Hackl in den Hauptrollen. Sie entwickelt sich zum Streaming-Hit in der ARD-Mediathek. „Die Serie liegt bereits bei deutlich über 10 Millionen Abrufen nach vier Wochen. Ab einer Million Abrufe einer Folge, so kann man das einordnen, ist man im Top-Feld“, erklärt MR Film-Produzent Oliver Auspitz. Dabei wird die Serie noch drei Wochen in ARD ausgestrahlt und, anders als in Österreich erlaubt, ist sie in der Mediathek noch deutlich länger verfügbar. Auspitz: „Das wird ein richtig gutes Endergebnis. Deshalb sind wir fest entschlossen alles zu tun, damit  ,Tage, die es nicht gab’ in eine neue Staffel geht.“

Mischa Zickler ist bereits mitten drin in den Schreibarbeiten für  Staffel 2. Der Haupt-Cast stehe voll dahinter. „Ich habe selten bei einer Produktion erlebt, dass die Schauspielerinnen, die ja alle sehr namhaft und beschäftigt sind, eine so große Lust entwickeln, die Geschichte weiter zu erzählen“, sagt der Wiener. „Wir sind für Staffel 2 also Vollgas unterwegs.“

In Österreich war die Co-Produktion im Oktober 2022 zu sehen: Durchschnittlich (linear) verfolgten 459.000 Zuschauer das Serien-Highlight. Durch die zeitlich versetzte TVthek und Plattform-Nutzung – bei einzelnen Folgen bis zu 111.000 – stieg der Wert auf  durchschnittlich 547.000 Zuschauer.

Das ist sehr gut, könnte aber noch mehr sein. „Die Art des Medienkonsums insgesamt und speziell wie Serien geschaut werden, hat sich innerhalb sehr kurzer Zeit grundlegend geändert“, meint Auspitz.  Auch ein ORF, dem eine Nachnutzung in der TVthek nur sieben Tagen erlaubt ist, müsse die Chance auf eine bessere Auswertung seiner (Co-)Produktionen bekommen.

Gesetzeslage anachronistisch

Auspitz: „Der Vergleich mit Deutschland zeigt: Die aktuelle Gesetzeslage ist völlig anachronistisch und damit ein Problem. Es ist eines für den ORF, der das Potenzial seiner Investments nicht voll ausschöpfen kann. Es ist eines für die österreichischen Produzenten, deren kreative Arbeit nicht das volle Publikum findet, das es haben könnte und, es ist auch ein Problem für die Konsumenten, weil die gesetzlichen Beschränkungen das moderne Nutzerverhalten ignorieren. Insgesamt eine Lose-Lose-Lose-Situation, die niemanden hilft.“

Die MR Film ist indes voll in die Drehsaison gestartet. „Wir sind seit letzter Woche im Dreh zur achten Staffel von ,Schnell ermittelt’. Dieser Evergreen hat auch in der neuen Version sein TV-Publikum gefunden, auch die Abrufzahlen für Ursula Strauss und Wolf Bachofner waren gut“, erklärt Auspitz. In Ungarn laufen die Dreharbeiten für das inernationale Serien-Epos „Life of the Raven“ weiter. Mitte des Jahres geht es zudem mit der englisch-österreichischen Serie „Vienna Blood“ in Staffel 4.  Auch zwei neue „Weber & Breitfuß“-Filme mit Alfred Dorfer und Roland Düringer werden heuer umgesetzt.

Förderung wirkt

Was ebenfalls neu ist heuer und zwar für die ganze Branche, ist das Fördersystem. Ist es der erhoffte Gamechanger? „FISA+ und RTR-Exzellenz Bonus haben, trotzdem der ORF derzeit das Sorgenkind der Branche ist, für einen sehr guten Start in dieses Jahr gesorgt. Österreich und damit die heimische Produktionslandschaft ist international sehr attraktiv für Koproduktionen geworden“, meint Auspitz. „Die Wirkung des neuen Fördermodells ist toll.  Das ist gut für die Wertschöpfung im Land, das ist gut für die Wirtschaft, es ist gut für den Werbe- und Beschäftigungseffekt und damit ist es auch gut für die heimischen Produzenten, ob sie nun Co-Produktionen oder Service-Produktionen machen.“

So positiv Auspitz die Fördersituation beurteilt, so ärgerlich findet er das Tauziehen um die künftige Finanzierung des ORF. „Der ORF, wie man auch immer zu ihm steht, ist das große Bewegtbild-Leitmedium in diesem Land, absolut wichtig für die Identität des Landes und der wichtigste Partner der heimischen Filmbranche“, unterstreicht Auspitz. Die Verunsicherung beim Leitmedium, strahle natürlich auf die Arbeit der Produzenten aus. „Wie unsere Gegenüber wissen wir ja derzeit auch nicht, welche Budgets wann und von wem genau  tatsächlich verfügbar sein werden, und das bei Projekten, in denen jahrelange Arbeit steckt. Bei noch größeren Einsparungen droht der Filmwirtschaft ein Kahlschlag.“

Erpressung zum Sparen

Art und Weise der Diskussion über den ORF lässt bei Auspitz Emotionen hochkochen: „Was wir da abliefern, ist bezeichnend für Österreich. Da gibt es ein Höchstgerichtsurteil, das eine neue Finanzierungsform verlangt, weil Technologien sich weiterentwickelt haben, und das wird in Österreich dafür genutzt, alle möglichen und unmöglichen politischen und medialen Grabenkämpfe auszutragen.“ Es gehe nur mehr darum, wer wie viel bekomme, was dürfe oder sparen solle. „Erpressung zum Sparen hat übrigens noch nie funktioniert.“

Man verliere dabei völlig aus den Augen, dass parallel eine neue Medienordnung entsteht, in der internationale Player ihre Abogebühren in aller Ruhe einsammeln, mit keinem oder ganz wenigem österreichischen Content im Angebot. „Das ist ein unwürdiges Schauspiel, ein Totalversagen aller. Damit meine ich die Politik, aber auch die Medien, die Gesellschaft und als Teil dessen auch uns als Produzenten. Dafür können wir uns als Land echt gratulieren.“

Wertschätzung fehlt

In Österreich sei man einiges gewohnt. „Solange wir so miteinander umgehen in mittlerweile so vielen Lebensbereichen, wird nichts besser werden“, kritisiert der Produzent. Und auf das berühmte Augenzwinkern, das man Österreichern in ihrem Grant immer nachgesagt hat, würde er auch nicht setzen: „Das ist jedenfalls bei jenen, die an den Schalthebeln sind oder hindrängen, nicht in deren DNA verankert.“ Auspitz’ Fazit: „Österreich hat im Moment verlernt zu schätzen, wer wir sind, wo wir sind, was wir sind. Dabei ist es hier trotz allem immer noch sehr  gut  zu leben und zu arbeiten, die Wertschätzung dafür sollte eigentlich der Maßstab sein.“

 

 

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