Schon Anfang der 60er-Jahre hat Hugo hin und wieder mit Erfolg beim bayrischen Rundfunk und im österreichischen Schulfernsehen unter Helmut Zilk gesprochen. Bacher lockt ihn mit einem unwiderstehlichen Angebot: Wir haben keine Korrespondenten, werde Chefkommentator mit Schwerpunkt Außenpolitik, du kannst Dir jedes Thema aussuchen!
Bacher sagte, du machst jedes große Thema zu einem Kommentar so oft du willst! Sechsmal in der Woche, aber auf jeden Fall am Samstag den Wochenkommentar, um die großen Entwicklungen in der Welt darzustellen. Auch sonst meldest du dich zu Wort, wann du willst – in allen Journalen, im Hörfunk. Du ersetzt alle Korrespondenten und fährst dorthin, wo was los ist. Sage ich: Wie soll das gehen? Sagt er: Du stellst dich vor den Eiffelturm, nimmst die Ruam in die Hand und erzählst, was dort los ist! Wörtlich. Die Ruam, also die Rübe, war das Mikrofon. So haben wir es dann auch gemacht: für ein paar Stunden dorthin geflogen, wo was los war, Berlin, Bonn, Paris, Rom – und dann den Kommentar von dort abgegeben. Aber natürlich immer mit gründlicher Recherche.
Trotzdem habe ich gesagt, dass ich mich beim Rundfunk nicht anstellen lasse. Ich mache das alles nur als freier Mitarbeiter, bis heute. Das war eine Vorbedingung aus dem Volksbegehren heraus, dass ich auf jedes fixe Einkommen und jede ORF-Pension verzichte. Ich wurde pro Kommentar bezahlt, am Anfang nicht sehr gut, später dann ein bisschen besser. Aber ich musste sehr viel arbeiten, viele Kommentare machen, damit ich finanziell über die Runden kam. Der Bacher hat immer gesagt: Du bist zu teuer. Habe ich geantwortet: Ich habe keine Pension, keine Sozialversicherung von euch. Schau dich an, ihr habt 14, 15 Gehälter im Jahr, manche sogar 16. Ich dagegen bekomme kein Weihnachtsgeld, kein Urlaubsgeld, muss alles für mich selber zahlen und ansparen. Das hat er nie ganz eingesehen und auch bei allen Dokumentationen gesagt: Der Portisch ist teuer. Ich weiß nicht, ob ich das überhaupt erzählen soll … Aber so war das halt. Jedenfalls kam mein erster Auftritt beim ORF zu einer ungeheuer günstigen Zeit.
1968 regt sich in der Tschechoslowakei der Prager Frühling gegen den totalitären Kommunismus, in Berlin und Paris brechen linke Studentenunruhen aus, und in Paris tagt zur selben Zeit die erste Friedensverhandlung zur Beendigung des Vietnamkriegs zwischen Nordvietnam und den USA. Den Universalkorrespondenten Portisch zerreißt es fast, er fliegt ständig zwischen Paris und Prag hin und her. Legendär seine Kommentare aus dem aufständischen Prag.
Ich stand im Zentrum, am Altstädter Ring mitten unter den Fußgängern, und habe diesen zentralen Kommentar gehalten: „In dieser Stunde entscheidet sich das Schicksal der Tschechoslowakei“ – und habe genau geschildert, wie das alles läuft. Ohne Zeitlimit! Ich konnte in der „Zeit im Bild“ auch fünf oder sechs Minuten reden, wenn es das getragen hat. Das gab’s nie wieder. Und wie viele Leute angefangen haben, das zu übersetzen, weil viele von denen, die da gestanden sind, Deutsch konnten! Dann war der Kommentar zu Ende, und auf einmal geht ein Applaus los hinter mir. Viele Leute stehen und applaudieren. Ist ein historisches Dokument geworden dieser Kommentar. Der ORF hatte in Osteuropa einen ausgezeichneten Ruf.
Die Fernsehteams sind ausgelastet. Eines Tages bekommt Portisch überraschend ein Interview mit dem nordvietnamesischen Außenminister in Paris in Aussicht gestellt – eine Sensation!
Sage ich, wunderbar, großartig. Wann? Heute Abend! Es war noch Vormittag und ich in Prag. Das Flugzeug nach Paris erreiche ich noch, aber ich habe kein Team in Paris.
Rufe den Franz „Sansi“ Kreuzer, Chefredakteur des Fernsehens in Wien, an und sage: Ich brauche dringend ein Team in Paris für eine Weltsensation. Wir haben das erste Interview des nordvietnamesischen Außenministers. Der war noch nie außerhalb von Vietnam in einem freien Land. Es ist aber noch nicht sicher. Wann werden wir das wissen? Jede Minute, das entscheidet sich in Hanoi, in der Hauptstadt von Nordvietnam. Sie haben sich offenbar einen Neutralen ausgesucht, dem sie das Interview gewähren.
Der Kreuzer sucht also im Rundfunk ein Team, und er findet eines, das filmt gerade den Fernsehkoch. Er sagt: Kinder, ihr müsst euch bereithalten und unter Umständen nach Paris fliegen. In diesem Fall alles abbrechen und sofort nach Schwechat zum Flughafen! Nach einiger Zeit rufen die Kameraleute ihn an: Wir sind noch immer beim Fernsehkoch. Geht sich das noch aus mit den Zwetschkenknödeln? Können wir die Zwetschkenknödel noch filmen? Schreit der Kreuzer: Ob ihr die Zwetschkenknödel noch filmen könnt oder nicht, wird soeben in Hanoi entschieden!
Und Hanoi hat entschieden: Ich bekomme das Interview, die mussten die Zwetschkenknödel stehen lassen, und wir sind rechtzeitig in Paris eingetroffen.
Martin Haidinger hat als Ö1-Wissenschaftsredakteur das Material bereits in drei Radiosendungen („Salzburger Nachtstudio“) aufbereitet.
Nächste Woche, Teil 9:
Die Slalomfahrt. Wie ein Kommentar fürs Fernsehen entsteht: aus der Schule geplaudert.
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