Nun klopft der ausgebootete Herausgeber des Bild-Telegraf Hans Behrmann beim Konkurrenten Ludwig Polsterer an und bittet um Hilfe, ja um Asyl! Hans Dichand weilt gerade auf Urlaub, ohne Telefon und Urlaubsadresse. Die Geschäfte führt Stellvertreter Hugo Portisch.
Der Polsterer fragt: Sind wir als KURIER-Redaktion in der Lage, den „Bild-Telegraf“ herauszugeben? Ein schöneres Angebot kann man gar nicht bekommen: die Konkurrenz in unsere Hand zu legen. Natürlich machen wir das! Habe das mit der Redaktion besprochen: Wir müssen aber den KURIER weitermachen. Na, dann machen wir beide! Ich habe selten eine Redaktion so munter gesehen und mit so viel Vergnügen, die Konkurrenzzeitung nachmachen zu dürfen und herauszubringen. Für uns war es eine Hetz! Ich habe mir ein Feldbett aufstellen lassen und bin überhaupt nicht mehr nach Hause gegangen. In der Nacht haben wir den KURIER gemacht, der als Mittagsausgabe erschienen ist, dann anschließend den „Bild-Telegraf“ als die nächste Morgenzeitung.
Hans Behrmann lässt das Bildtelegramm von Molden und Bacher aus Copyrightgründen mehrfach gerichtlich beschlagnahmen.
Dann ist das Ganze als „Zeitung ohne Titel“ erschienen. Auch die hat der Richter wegen zu großer Ähnlichkeit beschlagnahmen lassen, weil sie natürlich im grafischen Bild von der ersten bis zur letzten Zeile logischerweise nach wie vor den „Bild-Telegraf“ gemacht haben.
Jedenfalls erscheinen Bild-Telegraf und Bildtelegramm ein paar Tage lang parallel und polemisieren in Leitartikeln gegeneinander.
Da kommt Hans Dichand aus dem Urlaub zurück und bietet Ludwig Polsterer an, auch künftig gemeinsam mit Portisch sowohl KURIER als auch Bild-Telegraf nebeneinander zu führen, möchte aber an beiden Blättern wirtschaftlich beteiligt werden. Polsterer lehnt ab. Dichand kündigt und gründet wenig später mit der erhaltenen Abfertigung die Kronenzeitung. Sein Nachfolger als KURIER-Chefredakteur wird Hugo Portisch, der auch bald den Sprung ins Radio und Fernsehen, in die „Runde der Chefredakteure“ schaffen wird.
Die Koalitionspartner ÖVP und SPÖ einigen sich, den „Zeitungskrieg“ zu beenden, sowohl Bild-Telegraf als auch Bildtelegramm werden eingestellt, und Molden gibt ab sofort eine neue Boulevardzeitung namens Express heraus. Eine gefährliche Konkurrenz für Portischs KURIER!
Sie haben nämlich unter dem cleveren Chefredakteur Gerd Bacher den „Express“ als Morgen- und Abendzeitung herausgebracht, sodass wir als KURIER, als Mittagszeitung, eingeklammert waren. Was tun gegen einen zweimal täglich erscheinenden „Express“? Da kann man nur mit einem dreifachen KURIER antworten, einem Morgen-, Mittag- und Abend-KURIER. Es hieß dann: zweimal täglich „Express“, dreimal täglich KURIER.
Wieder einmal lockt Hans Dichand – diesmal zur Krone.
Er hat in der Redaktion des KURIER so ziemlich alle Leute angerufen und gefragt, ob sie bei der „Kronenzeitung“ mitmachen würden. Einige haben Ja gesagt. Viele waren es nicht, aber doch einige wirkliche Säulen der KURIER-Redaktion: z. B. Bibi Dragon, Ernst Trost und der Kulturkritiker Hans Weigel. Sie bekamen von uns eine hohe Abfertigung, mit der sie sich Anteile der „Kronenzeitung“ gekauft haben, die ihnen der Dichand später wieder abgekauft hat. So haben wir eigentlich mit dieser Aktion beim Start der „Kronenzeitung“ geholfen. Das war das Ende des Zeitungskriegs, nachdem sehr viel Munition verschossen worden ist.
Und das mit vielen Akteuren, die das heimische Mediengeschehen noch 50 Jahre lang wesentlich prägen werden: Fritz Molden, Hans Dichand, Gerd Bacher – und Hugo Portisch.
Martin Haidinger hat als Ö1-Wissenschaftsredakteur das Material bereits in drei Radiosendungen („Salzburger Nachtstudio“) aufbereitet.
Soeben erschienen: Hugo Portisch: So sah ich … Mein Leben. Aufgezeichnet von Hannes Steiner, bearbeitet und in einen historischen Kontext gestellt von Martin Haidinger. Story one, 80 S.
Nächste Woche, Teil 5:
Mittendrin im Kalten Krieg. Wie Portisch nur knapp Verhaftungen in Ägypten und Kuba entgeht.
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