Die beste Handke-Inszenierung: „Zwiegespräch“ von Rieke Süßkow im Akademietheater. Der größte Aufreger: die Beschüttungen von Glas vor Kunst, um die Welt zu retten. Die beste Demontage seiner selbst: André Heller. Die beste Kabarett-Premiere: von Alex Kristan. Das beste Kinospektakel: „Avatar: The Way of Water“. Die beste Nachricht: wieder ohne Maske in Burg und Oper und sonst wohin. Möge es so bleiben! Thomas Trenkler
Der Moment des Jahres – mit Dua Lipa
In Zeiten der Corona-Teststraßen stand ich mehrmals in der Wiener Stadthalle und blickte hinauf auf die leeren Ränge, dorthin, wo normalerweise gejubelt und lautstark mitgesungen wird. Aber anstatt Konzertfeeling gab es nur ein Staberl in die Nase und als Belohnung ein negatives Test-Ergebnis.
Damals an ein Konzertvergnügen (ohne Maske) zu denken, war unmöglich. Im Mai dieses Jahres dann aber die Zeitenwende mit 13.000 schwitzenden und glücklichen Zusehern in der Stadthalle. Am Programm stand ein Disco-Work-out mit Dua Lipa. Es war der Pop-Moment des Jahres und eine geglückte Rückkehr zur Normalität. Marco Weise
Rolling Stones jung wie selten zuvor
Als Rolling-Stones-Fan geht man immer mit einer Familienpackung Vorsicht auf ein Konzert: Nur nicht zu viel erwarten und nur nicht zu früh freuen – Konzerte der Band waren in der Vergangenheit immer ein Glücksspiel, Erhabenes und Lächerliches lagen oft knapp beieinander.
Umso schöner war das Konzert am 15. Juli im Ernst-Happel-Stadion. Eine blendend aufgelegte Band begeisterte zwei Stunden lang das Publikum.
Und zwar nicht nur mit den großen, unzerstörbaren Schlagern, sondern auch mit Inspiration und Kraft. Musiker knapp an den Achtzigern klangen jung wie selten. Eine Sternstunde. Guido Tartarotti
Die Ausstellung der Umstellung
Der Häufung der Großereignisse nach war 2022 ein „Superkunstjahr“ – doch war es auch ein super Jahr für die Kunst? Definitiv wird die 59. Venedig-Biennale in Erinnerung bleiben für ihr Bemühen, der Zerrissenheit der Welt mit den verstörend-schönen Mitteln des Surrealismus beizukommen.
Aber auch die Kasseler documenta, die statt Poesie nur Politik zuließ und die Gräben noch weiter aufriss.
Am Ende wurde Kunst noch mit allerlei beschüttet – was den Glauben daran, dass auf ihrem symbolischen Territorium ein Zusammen- oder gar Fortkommen möglich wäre, doch erschütterte.
Österreichs Museumsbetrieb demonstrierte derweil die „neue Normalität“ mit mehr Themenausstellungen auf Basis von Sammlungsbeständen, was sehenswerte Formate („Das Tier in dir“, mumok; „Idole und Rivalen“, KHM) und Flops („Grow“, Belvedere; „The Fest“, MAK) ergab. Generell aber ist der Mut zu loben, Neues zu probieren – auch im Weltmuseum, das von Künstler George Nuku verzaubert wurde.
Ohne den Mut der Albertina, teure Ausstellungen mit Top-Leihgaben zu produzieren (die große Basquiat-Schau und „Ways of Freedom“), wäre das Jahr aber auch ärmer gewesen. Die Freude darüber, was alles möglich war, überwiegt am Ende. Michael Huber
Endlich wieder Festivals und Großkonzerte
Es hat eine ganz eigene Kraft, wenn 30.000 Leute selbstvergessen ein Lied gemeinsam mit ihren Lieblingsmusikern hören, singen und zelebrieren. Auch wenn es ein paar Tausend weniger sind und die Stars des Abends vielleicht gar nicht singen, weil sie lieber hören, wie der Massenchor klingt – dieses Gemeinschaftserlebnis ist erhebend, selbst wenn man kein großer Fan des Acts ist. Und es ist berauschend, wenn man die Melodien liebt.
Mehr als zwei Jahre gab es das nicht. Obwohl die Rolling Stones heuer herausragend waren, haben auch die Shows von Ed Sheeran, Green Day, Wanda und Bilderbuch Riesenspaß gemacht. Und mir gezeigt, wie sehr ich das vermisst habe. Brigitte Schokarth
Hören wir Gutes und schreiben darüber
Was muss man gehört haben an spannenden Jazz-Veröffentlichungen des Jahres 2022?
Ein Fundstück sind die Solo-Aufnahmen auf „Home.S“ (ACT) des schwedischen Pianisten Esbjörn Svensson, der 2008 mit nur 44 Jahren bei einem Tauch-Unfall ums Leben gekommen war. Schon sein Trio e.s.t. hatte für frischen Wind im europäischen Jazz gesorgt.
Mit 84 Jahren ist der amerikanische Tenorsaxofonist, Flötist und Komponist Charles Lloyd nach wie vor unglaublich kreativ. Heuer brachte er eine Trilogie unterschiedlich besetzter Trios heraus. „Sacred Thread“ (Blue Note) ist eine klangschöne Annäherung an Indien. Werner Rosenberger
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