Die persönlichen Bestenlisten 2022 der KURIER-Kulturredaktion

Die persönlichen Bestenlisten 2022 der KURIER-Kulturredaktion
Genug kritisiert: Zum Jahresausklang präsentieren wir jene Menschen und Momente, die uns begeisterten

Okay, eigentlich sind wir Kritiker. Und damit als Miesepeter eingekastelt, die an allem was Schlechtes finden.

Dabei stimmt das gar nicht!

Wer viel sieht in der Kultur, findet auch viel, das begeistert – von den Rolling Stones über Asmik Grigorian, den Bayreuther „Ring“ bis zur Discotanzstunde mit Dua Lipa in Wien. Hier nun soll genau das, was uns persönlich begeistert hat, vor den Vorhang gebeten werden – als freudvoller Rückblick auf ein Jahr, das neben viel Bedrückendem auch viel Tolles zu bieten hatte.

Ein Jahr der spannenden Kulturdebatten

Die Kunst des Streits. Eine der höchsten Formen des Glückes ist es, wenn die innere Welt ein wenig größer wird, wenn man etwas zu denken oder zu fühlen bekommt, das den eigenen Horizont erweitert.  2022 war diesbezüglich ein gutes Jahr für die Kultur, dank etwa Sibylle Berg („RCE“) oder dem „Blutbuch“ von Kim de l’Horizon.

Dank heftiger Debatten (russische Künstler, falsche Bilderrahmen, schief gegangene Kunstschauen,  Klimaaktivisten), in denen sich jene, die Kluges, Konstruktives, Nachdenkliches zu sagen haben, wohltuend von den Nachplapperern und Ideologen abhoben.  

Und dank herausragendem Journalismus, der – leider eher in der internationalen Version – oftmals auch noch wahnsinnig schön geschrieben war. Georg Leyrer

Das Beste der Best-ofs: Keine Maske mehr

Das beste Requiem 2022: jenes für Hermann Nitsch  (abgesehen von jenem für die Queen). Die beste Analyse: „Die Qualen des Narzissmus“ von Isolde Charim. Der beste Nichtverlierenkönner: Martin Kušej.

Die beste Handke-Inszenierung: „Zwiegespräch“ von Rieke Süßkow im Akademietheater. Der größte Aufreger: die Beschüttungen von Glas vor Kunst, um die Welt zu retten. Die beste Demontage seiner selbst: André Heller. Die beste Kabarett-Premiere: von Alex Kristan.  Das beste Kinospektakel: „Avatar: The Way of Water“.  Die beste Nachricht: wieder ohne Maske in Burg und Oper und sonst wohin.  Möge es so bleiben! Thomas Trenkler

Der Moment des Jahres – mit Dua Lipa

In Zeiten der Corona-Teststraßen stand ich mehrmals in der Wiener Stadthalle und blickte hinauf auf die leeren Ränge, dorthin, wo normalerweise gejubelt und lautstark mitgesungen wird. Aber anstatt Konzertfeeling gab es nur ein Staberl in die Nase und als Belohnung ein negatives Test-Ergebnis.

Damals an ein Konzertvergnügen (ohne Maske) zu denken, war unmöglich. Im Mai dieses Jahres dann aber die Zeitenwende mit 13.000 schwitzenden und glücklichen Zusehern in der  Stadthalle. Am Programm stand ein  Disco-Work-out mit  Dua Lipa. Es war der Pop-Moment des Jahres und  eine geglückte Rückkehr zur Normalität. Marco Weise

Rolling Stones jung wie selten zuvor

Als Rolling-Stones-Fan geht man immer mit einer Familienpackung Vorsicht auf ein Konzert: Nur nicht zu viel erwarten und nur nicht zu früh freuen – Konzerte der Band waren in der Vergangenheit immer ein Glücksspiel, Erhabenes und Lächerliches lagen oft knapp beieinander.

Umso schöner war das Konzert  am 15. Juli im Ernst-Happel-Stadion. Eine blendend aufgelegte Band begeisterte zwei Stunden lang das Publikum.

Und zwar nicht nur mit den großen, unzerstörbaren Schlagern, sondern auch mit Inspiration und Kraft. Musiker knapp an den Achtzigern klangen jung wie selten. Eine Sternstunde. Guido Tartarotti

Die Ausstellung der Umstellung 

Der Häufung der Großereignisse nach war 2022 ein „Superkunstjahr“ –  doch war es  auch ein super Jahr für die Kunst? Definitiv wird die 59. Venedig-Biennale in Erinnerung bleiben für ihr Bemühen, der Zerrissenheit der Welt mit  den verstörend-schönen Mitteln des  Surrealismus beizukommen.

Aber auch die Kasseler documenta, die statt Poesie nur Politik zuließ und die Gräben noch weiter aufriss.

Am Ende wurde Kunst  noch mit allerlei beschüttet – was den Glauben daran, dass auf ihrem symbolischen Territorium   ein Zusammen- oder  gar Fortkommen möglich wäre,  doch erschütterte.

Österreichs Museumsbetrieb demonstrierte derweil   die „neue  Normalität“ mit mehr Themenausstellungen auf Basis von  Sammlungsbeständen, was  sehenswerte Formate  („Das Tier in dir“, mumok; „Idole und Rivalen“, KHM) und  Flops („Grow“, Belvedere; „The Fest“, MAK)  ergab. Generell aber ist der Mut zu loben, Neues zu probieren – auch im Weltmuseum, das von Künstler George Nuku verzaubert wurde.

Ohne den Mut der Albertina, teure Ausstellungen mit Top-Leihgaben zu produzieren (die große  Basquiat-Schau und „Ways of Freedom“), wäre das Jahr aber auch ärmer gewesen. Die Freude darüber, was alles möglich war, überwiegt am Ende. Michael Huber

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Endlich wieder Festivals und Großkonzerte

 

Es hat  eine  ganz eigene Kraft, wenn 30.000  Leute selbstvergessen  ein  Lied  gemeinsam mit ihren Lieblingsmusikern hören, singen und zelebrieren. Auch wenn es ein paar Tausend weniger  sind und die Stars des Abends vielleicht gar nicht singen, weil sie lieber hören, wie der Massenchor klingt – dieses Gemeinschaftserlebnis ist  erhebend, selbst wenn man kein  großer Fan des Acts ist.  Und  es ist berauschend, wenn man die  Melodien liebt.

Mehr als zwei Jahre gab es das nicht. Obwohl die Rolling Stones heuer herausragend waren, haben auch die Shows von Ed Sheeran, Green Day, Wanda und Bilderbuch Riesenspaß gemacht. Und mir gezeigt, wie sehr ich das vermisst habe.   Brigitte Schokarth

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Hören wir Gutes und schreiben darüber

Was muss man gehört haben an spannenden Jazz-Veröffentlichungen des Jahres 2022? 

Ein Fundstück sind die Solo-Aufnahmen auf „Home.S“ (ACT) des schwedischen Pianisten Esbjörn Svensson, der 2008 mit nur 44 Jahren bei einem Tauch-Unfall ums Leben gekommen war. Schon sein Trio e.s.t. hatte für frischen Wind im europäischen Jazz gesorgt.

Mit 84 Jahren ist der amerikanische Tenorsaxofonist, Flötist und Komponist Charles Lloyd nach wie vor unglaublich kreativ. Heuer brachte er eine Trilogie unterschiedlich besetzter Trios heraus. „Sacred Thread“ (Blue Note) ist eine klangschöne Annäherung an Indien. Werner Rosenberger

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