Bevor es so richtig mit der Turnstunde, dem perfekt inszenierten Pop-Musical los geht, werden erst einmal die zahlreichen Tänzer und Tänzerinnen, die dann zwei Stunden über die Bühne turnen bzw. auf Rollschuhen rollen, einzeln vorgestellt, so wie bei einem Fußballspiel. Die Mannschaftskapitänin, der Star der Truppe, kommt natürlich erst am Ende auf die Bühne. Kreisch!
Und los geht es mit "Physical", einem ihrer vielen Hits. Dua Lipa singt darin vom Verlangen nach körperlicher Nähe: "Umarme mich noch etwas fester", heißt es in diesem Song - das Adrenalin (und der Schweiß) fließt, die Bässe drängen in Richtung Muckibude. Komm schon!
Wucht
Das Publikum ist bereits nach den ersten Takten völlig aus dem Häuschen. Mit "New Rules" folgt einer der wenigen Songs ihres Debütalbums aus dem Jahr 2017. Bis sich Dua Lipa dann zum ersten Mal umzieht, folgen u. a. noch "Break My Heart" und "Be the One".
Es sind allesamt Songs, die das Beste der Achtziger mit dem Besten der Neunziger mit dem Angesagtesten von heute kombinieren: Synthie-Pop, Disco-Beats, ein Hauch von R&B, Rap, Balladen-Schmalz und Trap. Es knallt, berührt, ist wuchtig, funky und ziemlich aufgesext. Kinder, bitte jetzt mal wegschauen...
Alles bei dieser Show ist bis in kleinste Detail durchgestylt. Dem Zufall wird keine oder kaum eine Bühne geboten. Dafür gibt es groovenden und gefälligen Dance-Pop mit viel Disco- und Retro-Appeal. Es ist Musik für die Massen. Was auf der Platte funktioniert, funktioniert auch in der Mehrzweckhalle: Dua Lipa hat in der dampfenden Wiener Stadthalle also alles im Griff.
Leistungsschau
Bei so viel Spaß und guter Laune kann man die Bomben in der Ukraine schon mal vergessen. Dua Lipa hält zwar die Regenbogenfahne hoch, erwähnt aber den russischen Angriffskrieg mit keinem Wort. An manchen Stellen wirkte das hochfunktionale, auf maximale Leistungsschau und Power ausgelegte Konzept etwas zu durchchoreografiert, zu sehr auf Perfektion bedacht. Bei 109 Auftritte, die Dua Lipa im Rahmen ihrer Tournee absolviert, muss man aber auch sparsam mit seinen Kräften umgehen. 81 Konzerte stehen noch bis Ende des Jahres am Programm. Da gilt es fit zu bleiben. Daher ist dann auch weniger Rock and Roll und mehr Obst, Gemüse und Tee angesagt, wie Dua Lipa in einem Interview betont. Sehr vorbildlich, die 26-Jährige.
Party
Es ist eine feucht-fröhliche wie elektrisierende Houseparty, die da in der Wiener Stadthalle gefeiert wird: "Vienna! It's fucking hot!". Der Schweiß fließt, die Hormone spielen verrückt, Glücksgefühle werden freigesetzt. Die Tänzerinnen und Tänzer leisten auf der Bühne eine hervorragende Arbeit, fungieren als Animateure, machen also vor, wie es gehen kann. Das Publikum versucht, Schritt zu halten. Jetzt nur nicht locker lassen: Bauch rein, Brust raus, Handy in die Höhe. Eine Instagram-Story geht noch. Die mit Calvin Harris produzierte Vocal-House-Nummer "One Kiss" ist live toll umgesetzt. Es regnet Luftballons, fliegen Herzen von der Bühne. Danach folgen "Hallucinate" und das schmusig-sehnsuchtsvolle "Cold Heart", das Mashup mit Elton John, der dann auch via Leinwand eingespielt wird.
Universum
Mitreißend dann auch der letzte Akt des Konzertabends: Plastikkugeln (Planeten) und Plastiksterne werden von der Decke gelassen. Dua Lipa wird nach oben gezogen, schwebt als Alleinherrscherin des Pop-Universums über den Köpfen des Publikums hinweg und stimmt den Hit "Levitating" an. Mit "Don't Start Now" wird das Publikum dann in die Nacht entlassen. Was für ein Riesenspaß, was für ein toller Abend. Mit dieser Vorturnerin macht Sport plötzlich Sinn. Wann ist die nächste Einheit, Dua Lipa?!
Kommentare