Multiple Krisen: Warum alles gut wird (weil es muss)

Multiple Krisen: Warum alles gut wird (weil es muss)
Schlechte Stimmung, Sorge und Weltschmerz betäuben die Geister des Neubeginns. Zeit für eine Herausforderung: Zuversicht finden. Niemandem fällt das schwerer als mir.
Diana Dauer

Diana Dauer

Es gibt ein neues Paar, über das alle reden. Das phonetisch wunderschöne Wort "multipel" hat eine neue fixe Partnerin. Nämlich die "Krisen". 

Ganz so frisch ist das mit den beiden schon nicht mehr – sie waren auch früher immer wieder zusammen. Aber etwa seit der Corona-Pandemie, der Sache mit der Wirtschaft und Industrie, dem russischen Überfall auf die Ukraine, der Sache mit der Energie und dem Gas, der Klimakrise, dem Budget, Nahost, der USA, der Bundespolitik, möglichen Staatskrisen, Faschismus etc etc. sind “multipel” und “Krisen” fz (also fix zam).

Damit hört es aber auch schon wieder auf mit der Romantik. Immerhin handelt es sich bei der Paarung eher um eine Zweckehe. Sie spart uns Puste und Papier bei der Aufzählung der Problemlagen. Und leider beeinflusst diese unglückliche Beziehung viele: Es ist Anfang Jänner und die Stimmung ist am Tiefpunkt. 

Wo ist das große kleine Gefühl hin?

Eigentlich birgt ein neues Jahr doch Hoffnung, Zuversicht, Neugierde. Die ersten Wochen sollten sich eigentlich anfühlen, als würde man frisch geduscht, in einem frischen Pyjama in ein frisch überzogenes Bett schlüpfen.  Aber heuer ist das anders. 2025 fühlt sich bisher an, als wäre die Waschmaschine kaputt, der Lattenrost gebrochen und statt duftender Baumwolle hängt der Weltschmerz in Fetzen an einem herunter. 

Ohne Freude oder Vorfreude

"Ich hab’ heute Früh 20 Minuten Nachrichten gehört und hatte schon vor dem Aus-dem-Haus-gehen eine halbe Depression. Was ist los mit der Welt?”, hat mir mein lieber Freund kürzlich gesagt. 

Während wir das Aktuellste aus aller Welt und Österreich debattieren, wissen wir: Wir sind zwei Privilegierte, die das Drohende zwar intellektuell fühlen, aber (noch) nicht am eigenen Leib. Und da springt die Angst vor dem, was (auf uns zu) kommt, in Aktion. 

In diesem Schleudertrauma springe ich gedanklich zwischen humanistischer Resignation und Zukunftsangst. Sobald der gedankliche Fokus auf eine dieser Zeitzonen zu schmerzhaft oder schwindelerregend wird, werfe ich mich so hart ich kann in die andere – und wieder zurück. Ohne Freude oder Vorfreude zu finden. 

Neue Ufer: Zuversicht

“Ich bin erst 30. Ich mache mir wirklich Sorgen, wie der Rest meines Lebens aussieht”, habe ich am Familientisch in den Feiertagen gesagt. Und zu meiner vorerst endgültigen Entmutigung wurde mir von den Weisen und Klugen an diesem Tisch recht gegeben. 

Zeit aus meiner Komfortzone, die Welt mit Zynismus zu strafen, auszubrechen. Zeit für Zuversicht. Ein für mich vollkommen jungfräuliches und daher unwegsames Gelände. 

Auf diesem Weg muss ich wohl mehr oder weniger faire Hilfsmittel einsetzen. Ich kann uns (leider) etwas Pathos und eine Prise "Fake it, ‘till you make it" (zu Deutsch: Tue so als ob, bis du es geschafft hast) nicht ersparen. Schließlich muss ich diese (Gehirn-)Bahnen erst erschließen. Aber wie?  

Um Idealismus kämpfen

Offen gesagt, ich ringe seit Tagen um Ansätze zur Zuversicht. Ich habe begonnen, alle in meinem Umfeld zu fragen, ob in ihnen ein Fünkchen Zuversicht keimt und wenn ja, wieso? Ich bekam nach etlichen Gesprächen, die die ausdörrende Resignation fütterten, endlich eine fruchtbare, positive Antwort: “Natürlich bin ich zuversichtlich. Muss ja sein. Ohne Idealismus lohnt es sich nicht zu kämpfen”. 

So viel zum angekündigten Pathos. 

Der Zynismus in mir will bei dieser fast kitschigen Aussage die Augen so fest rollen, dass ich Kopfschmerzen bekomme. Aber er muss Ruhe geben. Die ausgehungerte Optimistin verbeißt ihre gierigen Zähne in dieser Aussage, knebelt den Zynismus und übernimmt interimistisch die Agenden. Wir können uns aktuell keinen Zynismus leisten. Punkt.

Und wie erreiche ich selbst diesen Status?

Survival-Kit bei Weltschmerz

Letztinstanzlich habe ich die KI befragt. “Hallo ChatGPT Gratisversion, wie werde ich zuversichtlich für die Welt? 5 kurze Tipps bitte”

  1. Fokussiere dich auf positive Veränderungen 
  2. Engagiere dich
  3. Vertraue auf kollektive Kraft 
  4. Sei ein Vorbild (Verändere selbst dein Verhalten in Richtung Nachhaltigkeit und Mitmenschlichkeit)
  5. Pflege Optimismus

Nun, mit der Handlungsanleitung kann ich zumindest ein wenig arbeiten. (Punkt 3 fällt mir aktuell noch sehr schwer). Ich nehme die Vorschläge an, wie eine neue Routine: Vorbildsein und Mitmenschlichkeit fördern, nett und solidarisch sein, Gesicht waschen, Gute-Nacht-Tee, Zähneputzen, der kollektiven Kraft vertrauen, schlafen gehen, aufstehen, Optimismus pflegen, Patriarchat überwinden.

Sei optimistisch!

Und schließlich hat zumindest der Feminismus ungemeine Fortschritte gemacht. Wir sind heute viel weiter als noch vor 100 Jahren. Und der Blick in die Zukunft? Laut dem Bericht des Weltwirtschaftsforums 2023 werden wir in Europa zirka 2090 Geschlechterparität erreichen. Politische Entscheidungen der nahen Zukunft können das zwar verlangsamen – aber die Entwicklung ist nicht mehr aufzuhalten. Auch wenn ich das vermutlich nicht erleben werde – es wird passieren. 

Ist das nicht optimistisch von mir?

Jetzt muss ich noch daran arbeiten, mir den Optimismus selbst abzukaufen. Zur Abwechslung werde ich mir für mein eigenes Seelenheil etwas vormachen, und zwar: “Alles wird gut.” Und damit haben wir das versprochene “Fake it, ‘till you make it” abgedeckt. 

Neuer Vorsatz und Schlusssatz: Seien wir lieb und solidarisch, stehen wir zueinander und hoffen wir, dass multiple Wunder den multiplen Krisen nachfolgen. Alles wird gut ... irgendwann ... vielleicht ... hoffentlich. Frohes 2025. (Doch noch etwas Pathos. Entschuldigung). 

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