„Optimismus und Dankbarkeit lohnen sich sehr“
Die Menschen wünschen sich Glück im neuen Jahr. Ist Glück Zufall oder kann es der Mensch beeinflussen? Katharina Ehrhardt ist Glücksexpertin und Dozentin der Deutschen Gesellschaft für positive Psychologie. Sie war Gastreferentin beim 60-Jahr-Jubiläum von pro Mente Oberösterreich.
KURIER: Sind Sie glücklich, Frau Ehrhardt?
Katharina Ehrhardt: Ja, ich habe eine große Vielfalt in meinem Leben. Ich habe etwas, was mich wirklich erfüllt und was ich sinnvoll finde. Und ich habe viele gute Menschen um mich herum.
Was ist eigentlich Glück? Eine Dauererregung?
Darauf gibt es verschiedene Antworten. Auch die Forschung diskutiert darüber. Die einfachste Erklärung sagt, Glück ist, mehr positive als negative Emotionen zu erleben und sich derer auch bewusst zu sein. Ich freue mich beispielsweise darüber, dass wir gerade ein gutes Gespräch führen. Ich spüre das und bin mir dessen auch bewusst. Ich denke jetzt gerade nicht darüber nach, dass ich nächste Woche eine stressige Zeit habe.
Darüber hinaus gibt es verschiedene Entwürfe wie zum Beispiel das PERMA-Modell, zu denen noch ein bisschen mehr gehört (siehe Seite 6). Neben positiven Emotionen zählen hier auch ein Bewusstsein für eigene Stärken, gelingende Beziehungen, Sinn im Tun und auch die Fähigkeit, sich gute Ziele zu setzen und diese auch zu erreichen.
Bedeutet das nicht mehr Zufriedenheit als Glück? Glück versteht man eher als Glücksmomente, ähnlich den Spritzkerzen am Christbaum.
In der Forschung versuchen wir den Begriff Glück zu vermeiden. Wir reden eher von Wohlbefinden, was in Richtung Zufriedenheit geht. Der Begriff Glück ist sehr überstrapaziert. Wohlbefinden oder Zufriedenheit sind Begriffe, die nicht so stark mit Erwartungen überladen sind.
Kann jede/r glücklich sein?
Ich möchte gerne mit ja antworten. Wenn man am richtigen Platz ist, wenn man in seinem Element ist, wenn man seine Stärken ausleben kann und mit seiner Arbeit, seinem Tun etwas beitragen kann, was einem wichtig ist, wenn man das mit Menschen tun darf, die man mag, ist das fast schon ein Garant, dass es einem besser geht.
Nichtsdestotrotz gibt es psychische Herausforderungen, bei denen das Erleben von Zufriedenheit nicht so leicht ist. Mein Vater war beispielsweise schwer an Schizophrenie erkrankt. Er hat es sein Leben lang nicht geschafft, Beziehungen aufzubauen. Gelingende Beziehungen, diese wichtigste Säule für Zufriedenheit, funktionierten nicht, weil er jedem misstraut hat, Angst hatte vergiftet zu werden oder vom Geheimdienst verfolgt zu sein.
Wir wissen auch, dass es Charakterstärken gibt. Eine davon ist Optimismus, die manchen in die Wiege gelegt ist und die es leichter macht, Chancen auch in Herausforderungen zu sehen.
Die einen sagen, das Glas ist halb voll, für die anderen ist es halb leer.
Manche haben dieses Gutgehen einfach drauf. Und sie sagen sich, ich trage etwas dazu bei. Dabei kommen sie ins Tun und sind dadurch oft erfolgreich, wo andere sich vielleicht von Selbstzweifeln abhalten lassen, aktiv zu werden. Sie setzen damit eine sich selbst verstärkende Spirale in Gang. Die gute Nachricht: Man kann das trainieren und lernen. Optimismus lohnt sich sehr.
Sie empfehlen Frauen, auf wirtschaftliche Unabhängigkeit zu setzen. Das bedeutet, dass es ein gewisses Einkommen braucht, um zufrieden oder glücklich zu sein.
Das ist ein Punkt, womit ich als ehemalige Bankerin in der Bubble der positiven Psychologie manchmal anecke. Oft sagen wir reflexhaft, Geld macht nicht glücklich. Die Forschung ist sich einig, dass Einkommen bis zu einem bestimmten Punkt das Wohlbefinden deutlich steigert, vor allem dadurch, dass es viele Sorgen nimmt, die Lebensfreude kosten.
An welcher Einkommenshöhe lässt sich das festmachen?
Es werden hier regelmäßig 80.000 bis 100.000 Euro genannt. Jeder zusätzliche Euro ist kaum mehr glückssteigernd. Der Mehrstress, um noch mehr zu verdienen, ist in der Regel ein schlechter Deal. Es bedeutet häufig, mehr von zu Hause weg zu sein, statt 40 vielleicht 80 Stunden zu arbeiten.
Der Aufwand ist dann höher als der Nutzen?
Genau. Mit 100.000 kann man die Wohnung zahlen, auf Urlaub fahren und schön essen gehen. Und hat trotzdem noch Zeit für Freundschaften, Hobbys und Familie, für Dinge, einem guttun. Es braucht auch Zeit, Geld gut ausgeben zu können.
Es gibt Erhebungen, die das Glück in den verschiedenen Ländern erhebt. Hier liegt regelmäßig das buddhistische Bhutan vorne, ein Land, in dem der materielle Reichtum nicht so groß ist. Hängt der Grad der Zufriedenheit nicht auch von kulturellen Wertvorstellungen ab?
Was am Beispiel Bhutan so großartig ist, dass sie diese Dinge seit Jahren messen, die Bevölkerung wird regelmäßig dazu befragt. Ja, da gibt es kulturelle Prägungen und gemeinsame Wertvorstellungen. Wir haben zum Beispiel eine starke Korrelation zwischen Glücksempfinden und Religiosität, Spiritualität. Länder, die spirituell stark verwurzelt sind, haben hier einen Pfad zur Zufriedenheit. Die Menschen haben etwas, wo sie andocken können, was ihnen Kraft gibt. Das ist auch in Bhutan ein Teil der Antwort.
Warum liegen die skandinavischen Länder im Wohlbefinden vorne?
Das eine ist die Naturverbundenheit. Viele haben ein kleines Häuschen, sie sind viel draußen. Zudem gibt es eine hohe Gleichheit. Frauen und Männer arbeiten bis 16 Uhr, die Kinder sind in der Ganztagsschule. Um 16 Uhr kommen alle nach Hause, es ist Familienzeit. Die Partizipation ist eine andere, die Männer sehen ihre Kinder, die Frauen machen ebenfalls Karriere.
Die Länder sind wohlhabend und es gibt eine hohe Dankbarkeit für die Sozialsysteme. Diese sind bei uns nicht so viel anders, wir nehmen es aber häufig sie als selbstverständlich hin. Dankbarkeit ist vielleicht einer der mächtigsten Schlüssel zum Glück. Immer wieder einmal den Blick auch auf das zu lenken, was in unserem Leben und in unserer Gesellschaft gut funktioniert.
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