Tradwives: Ein Internet voller Heuchlerinnen
Wissen Sie, was schlimmer ist, als Männer, die sagen, Frauen gehören an den Herd und sollen dem Manne dienen? Frauen, die dieses Hirngespinst selbst propagieren.
Die in Puderzucker und Landhaus-Stil-gepackte Kür dieser Stumpfsinnigkeit kommt in Form von "Tradwives" in die Welt. Also Influencerinnen, die in ihren Videos das Leben von traditionellen Geschlechterrollen bewerben und deren vorgeführter Lebensstil aus Haushalt, Kindererziehung und der selbstauferlegten und vollständigen Unterwerfung unter den Ehemann besteht.
Das kann ja grundsätzlich jede Frau machen, wie sie das gerne möchte. Aber: Diese Fieberträume von Hausfrauen sind an Heuchelei kaum zu überbieten.
Für all jene, die nicht wissen, wovon ich hier schreibe: Hier geht es um Videos in den Sozialen Medien von Frauen in 50er-Petticoats und eklektischen Schürzen, die sich selbst Tradwives nennen. Öfter als nicht wird ihr von Unterdrückungsnostalgie triefender Content akustisch untermalt von der Titelmelodie der TV-Serie "Gilmore Girls", die vor allem für herbstliche Gemütlichkeit steht. In Vollholz-Küchen und Gemüsegärten geben sie mit jeder Menge Weichzeichner an teils Millionen FollowerInnen das “einfache” Rezept zum glücklichen Leben von Frauen - fern von Arbeitsstress und Corporate-Burnout - weiter. Denn die Zutaten für ein glückliches Leben als Frau: Keiner eigenen Arbeit nachgehen, sondern ausschließlich dem Mann dienen, Kinder versorgen, Putzen, Kochen, Heiterkeit.
"Gott sei Dank darf Frau auch Dienerin ihres Mannes sein", trällern da einige, während sie Butter, Marmelade, Brot und allerlei Köstlichkeiten von Grund auf selbst herstellen und nur machen, was der Göttergatte ihnen sagt.
Alkohol und Psychopharmaka für Hausfrauen
Denn, wird da über dem Butterfass erklärt, die Karriere, die Frauen glücklich mache, sei die einer nach Zimt und Vanille-duftenden traditionellen Hausfrau. Dabei kreieren sie bei Followerinnen eine Sehnsucht zurück zu einer Zeit, in der "alles einfacher" war. “Einfacher”, weil sich die Frau dem Ehemann unterordnen musste, nicht selbst denken, nicht widersprechen sollten, keine Stimme haben sollten, keine Meinung und schon gar keine Selbstbestimmung. Und auf keinen Fall arbeiten und selbst Geld verdienen. Der Mann kümmert sich ums Geld. Sie ist zu 100 Prozent abhängig. Ach, wie schön es doch ist, Autonomie abzugeben, wie herrlich muss das sein, wenn des Lebens Sinn das Glück und die holistische Bedürfnisbefriedigungen des Gatten ist? Ich kann mir eigentlich nichts Schöneres vorstellen ... oder doch?
Kurzer historischer Rückblick: Es werden die 1930er- bis 1950er-Jahre glorifiziert, in der Alkohol und Methamphetamin als "Hausfrauenglück" und "Hausfrauenschokolade" verkauft wurde, um die Stimmung der vermeintlich-so-glücklichen Hausfrauen zu heben. Eine Zeit, in der Frauen in Österreich kein eigenes Bankkonto (erst ab 1957) haben durften, nicht als geschäftsfähig galten, ohne Zustimmung des Ehemanns nicht arbeiten durften und Vergewaltigung in der Ehe legal war.
Werden Sie da nicht auch ganz nostalgisch?
Nun, was ist schlimm daran? Wäre es nicht schön, in Petticoats Marmelade einzukochen? Die Hausfrauen-Verklärung in Zimtstern-Ästhetik hat doch etwas Entlastendes für sich, oder? Nun, wer das möchte, kann ihr Leben gerne so gestalten, sollte aber zwei Punkte beachten:
1. Die atemberaubende Heuchelei der Tradwives:
Liebe Tradwives, wenn ihr nicht arbeitet, wenn ihr nur macht, was eure Ehemänner sagen, warum vermarktet ihr dann euren Lebensstil? Wieso wollt ihr eure Reichweite steigern? Wozu braucht ihr eure Millionen FollowerInnen?
Ach richtig, weil ihr über FollowerInnen Unternehmen führt, Produktpartnerschaften habt, Deals mit Konzernen, manche von euch sogar eigene Produkte verkaufen. Tut mir leid, den Traum platzen lassen zu müssen, aber: Das ist Arbeit - harte sogar. Und das bringt viel Geld ein.
Tradwives sind Unternehmerinnen, die Geld verdienen. Sie erklären aber gleichzeitig Frauen, dass sie nicht arbeiten, sich von ihren Ehemännern abhängig machen sollen, während sie selbst von feministischen Errungenschaften profitieren und mit ihrem antifeministischen Content so viel Geld scheffeln, dass sie sich von ihrem Mann jederzeit trennen könnten, wenn sie das möchten.
Und das bringt uns zu Punkt zwei dieser Schöner-Leben-Betrugsmasche:
2. Die wirtschaftliche Gefahr
Die Gefahr hinter dem Tradwife-Kitsch und der Zimtkeks-Romantik ist die ökonomische Abhängigkeit und die Armutsgefahr für Frauen. Hier wird ein Lebensstil verkauft, der allen voran wirtschaftlich nur dem Patriarchat nutzt, Frauen von ihren Partnern abhängig macht und das Armutsrisiko von Frauen enorm erhöht.
Denn Tradwives propagieren die Übernahme der gesamten unbezahlten Carearbeit als Lifestyle-Entscheidung. Vollzeit-Hausfrau zu sein ist aber extrem ehrenvolle und harte Arbeit, die Frauen weder am Arbeitsmarkt noch am Pensionskonto (nur begrenzt) gutgeschrieben wird.
Nicht die Liebe bindet
Wer aus welchen Gründen auch immer weniger oder überhaupt nicht arbeitet, ist nicht (nur) aus Liebe, sondern aus Existenzsicherungsgründen an den Trad-Gatten gebunden. Dass alleinlebende ältere Frauen (32 Prozent) und alleinerziehende Frauen (36 Prozent der Ein-Eltern-Haushalte, meistens Frauen) in Österreich ein erhöhtes Risiko für Armutsgefährdung haben, ist hinlänglich bekannt. Eine neue Studie der Caritas hat nun ergeben, dass auch Frauen, die in Partnerschaft leben, ein erhöhtes Armutsrisiko haben. Das liegt laut Caritas an der Verteilung von unbezahlter und bezahlter Arbeit. Und: Bei Frauen steigt das Armutsrisiko bei Familiengründung, Männer profitieren davon.
Also sei eine Tradwife, wenn du das willst. Mach dich abhängig, wenn du das willst. Begib dich in Armutsgefahr, wenn es dich glücklich macht. Aber sei keine Heuchlerin. Kenne die Gefahr. Und mir zu liebe: Halte die "Gilmore Girls" da raus.
"Dauerzustand" ist die Kolumne von Newsdesk-Redakteurin Diana Dauer über die Lebenswelt als kinderlose Millennial-Frau, über das Älterwerden, Schablonen, die man ausfüllen muss und Alltags-Sexismus. diana.dauer@kurier.at
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