Von unbezahlter Care-Arbeit zur Altersarmut: Viele Frauen in Österreich betroffen

Frau Sabine (wurde von der Caritas nach ihrem Wohnungsverlust unterstützt); Claudia Röder, Leiterin "Frauen*Wohnzentrum"; Doris Schmidauer; Doris Anzengruber, Leiterin Sozialberatung Wien; Bettina Riha-Fink (v. li.)
Es war im Herbst 2021, als Sabine K. (s. Foto oben, ganz links) eine Nachricht erhielt, die ihr den Boden unter den Füßen wegzog: Ihr Vermieter war überraschend verstorben, innerhalb von 14 Tagen musste sie ihre Wohnung räumen.
15 Jahre lang hatte sie dort gelebt – nun stand sie vor dem Nichts. Denn sie besaß nicht genug Geld, um die Kaution für eine neue Mietwohnung aufzubringen.
Es ist ein Schicksal, das stellvertretend für das vieler Frauen steht. Denn gerade sie laufen Gefahr, Armut zu erleben: 565.000 Frauen in Österreich sind aktuell armutsgefährdet, 143.000 massiv betroffen – Tendenz steigend. Anlässlich des bevorstehenden Weltfrauentags am 8. März machte die Caritas nun gemeinsam mit Doris Schmidauer, Ehefrau von Bundespräsident Alexander Van der Bellen, auf das Problem aufmerksam.
Doris Anzengruber, Leiterin der Caritas Sozialberatung in Wien, beobachtet in ihrer Arbeit täglich, wie sich die Situation verschärft: „Menschen, die zu uns kommen, stehen mit dem Rücken zur Wand. Und mehr als 60 Prozent davon sind Frauen.“
Die Gründe hierfür?
Nach wie vor sind es die Frauen, die einen überwiegenden Teil der unbezahlten Care-Arbeit stemmen – also den Haushalt führen, die Kinderbetreuung oder die Pflege von Angehörigen übernehmen. Und nach wie vor erhalten Frauen niedrigere Löhne als Männer.
„Vor allem Mindestpensionistinnen und Alleinerziehende sind oft von Armut betroffen“, ergänzt Anzengruber. Es könne aber jeden und jede treffen: „Nach einer Trennung, einem Unfall, einer Krankheit oder wegen der allgemeinen Teuerung.“
Frauenarmut, betont Doris Schmidauer, sei kein individuelles Schicksal, sondern ein strukturelles Problem: „Im Schnitt erhalten Frauen 920 Euro weniger Pension im Monat.“ Daher müsse man dringend die strukturellen Ungleichheiten beseitigen. Schmidauer betont: „Frauen sind Heldinnen. Ohne uns würde unsere Gesellschaft nicht funktionieren. Daher steht uns auch die Hälfte zu.“
Armut in Österreich: 565.000 Frauen sind Armutsgefährdet, 143.000 massiv von Armut betroffen. Gefährdet sind vor allem Alleinerzieherinnen und Mindestpensionistinnen. 21.000 Menschen sind wohnungslos, ein Drittel davon Frauen.
920 Euro weniger erhalten Frauen im Schnitt pro Monat an Pension.
Hilfe für Betroffene: Infos zu Spenden gibt es etwa auf der Website der Caritas (wirhelfen.shop/mut-ist-weiblich).
Wohnungslosigkeit und psychische Krankheiten
Gerade bei Frauen gehen Wohnungslosigkeit und psychische Erkrankungen übrigens häufig Hand in Hand.
„Die Erkrankung kann dazu führen, dass man die Wohnung verliert. Umgekehrt können aber auch gesunde Menschen infolge von Wohnungslosigkeit psychisch erkranken“, erklärt Claudia Röder. Sie leitet das „Frauen*Wohnzimmer“ der Caritas im 2. Bezirk. Hier gibt es drei Notbetten für Akutfälle, die dringend einen sicheren Schlafplatz brauchen, sowie 32 dauerhafte Wohnplätze. Die Frauen erhalten regelmäßige Mahlzeiten und haben die Möglichkeit, sich zu duschen und Wäsche zu waschen.
Viele Frauen erlebten Gewalt in der Beziehung
Viele ihrer Klientinnen haben lange Leidenswege und Gewaltbeziehungen hinter sich, weiß Röder. Und sie betont: „Wir akzeptieren die Frauen, wie sie sind. Keine hat sich ihre Erkrankung ausgesucht. Sie sind keine einfache Klientel, aber sie sind eine besonders vulnerable Gruppe und sie brauchen Hilfe.“
Dank der Hilfe der Caritas ging es für Sabine K. übrigens wieder bergauf. Sie rät allen Betroffenen, sich nicht zu schämen, sondern sich auf jeden Fall Hilfe zu suchen. So kam auch sie zu ihrer 27-Quadratmeter-Wohnung, die sie nun liebevoll ihr „Puppenzimmer“ nennt.
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