Zum Gedenken an Bombenattentat: Roma-Kultur-Abend

Junge Fra und junger Mann lesen aus Büchern vor - in Mikrophone
Zwei Online-Lesungen aus dem Wiener Literaturhaus: Gedichte von Mircea Lakatus, gelesen von einer der Übersetzerinnen, Ioana Spataru, und Kurzgeschichten von Samuel Mago.

26 Jahre nach dem Rohrbomben-Attentat bei der Roma-Siedlung in Oberwart, bei dem Peter Sarközi, Josef Simon, Karl und Erwin Horvath in der Nacht vom 4. auf den 5. Februar 1995) ermordet wurden, stand eine Online-Lesung um Wiener Literaturhaus im Zeichen von Roma-Kultur, in dem Fall schreibender Kunst. Zwei Neuerscheinungen in der Edition Exil, die sich seit Jahrzehnten dem Schreiben zwischen Kulturen widmet, wurden – von Jessica Beer moderiert - vorgestellt. Vier Wochen lang kann ein Zusammenschnitt des Abends auf der Homepage des Literaturhauses nachgehört und -gesehen werden. Link am Ende des Artikels.

Aus seinem Band mit Kurzgeschichten „bernsteyn und rose/o bernsteyn taj e roza“ las der junge Autor, Samuel Mago selbst. Mehr dazu weiter unten.

Aus dem Lyrik-Band „Die geheime Geometrie der Seele/geometria secretă a sufletului“ von Mircea Lacatus las eine der beiden Übersetzerinnen, was bei Gedichten immer auch mehr, nämlich Nach-Dichtung bedeutet, Ioana Spataru. Gemeinsam mit ihrer Schwester Irina hatte sie die Gedichte ihres Vaters ins Deutsche übertragen. Das kann der 58-jährige im rumänischen Gherla geborene Absolvent der Bukarester Kunstakademie, Dichter und Bildhauer schon. Aber für seine in Wien geborenen Töchter ist es leichter. Die mehrsprachig aufgewachsenen Töchter „schwimmen“ in beiden Sprachen wie Fische im Wasser. Gerade bei Nach-Dichtungen ist das fast unerlässlich. Dadurch, dass Mircea Lacatus, der von 1990 bis 2010 als freischaffender Künstler in Wien, lebte, Deutsch auch kann, konnte er im Prozess der Nachdichtungen – Ioana lebte damals auch wie ihr Vater schon seit fast zehn Jahren in den USA - auch immer wieder nicht nur die Richtigkeit der Worte überprüfen, sondern auch Hinweise auf Umstellungen in Sätzen oder Zeilen geben, um jene Sprachmelodie zu erzeugen, die seine Originale in Rumänische „singen“ wollten.

Mircea Lacatus führt in seinem zweisprachigen Lyrikband Die geheime Geometrie der Liebe in die traditionelle Welt der Roma mit ihren Pferdewägen und den in Wäldern versteckten Lagern. Er erzählt von Mythen und Träumen und einem Leben zwischen Freiheit und Gefangenschaft und spart auch die Verfolgung durch die Nationalsozialisten, die Deportationen in Konzentrationslager und die medizinischen Experimente nicht aus.

Lacatus erhielt bereits 2007 den Lyrikpreis der exil-literaturpreise, 2009 erschien sein Lyrikdebüt „rund um meine eltern eine burg“.

Hier unten geht's zu einem seiner Gedichte - in beiden Sprachen.
 

Künstlerisches Multi-Talent

Die 23-jährige Ioana Spataru maturierte 2015 in einer Wiener AHS mit einem Schwerpunkt in Schauspiel und  Musik, studierte Fotografie im Kolleg der Graphischen in Wien. Sie und ihre Geschwister sind in Wien zweisprachig aufgewachsen. „Zu Hause haben wir immer rumänisch gesprochen, schreiben haben wir uns selber beigebracht durch lesen und dann durch Postkarten schreiben an rumänische Familienmitglieder und Texte für diverse Projekte ins Deutsche übersetzen“, vertraut sie dem Kinder-KURIER an und ergänzt „außerdem hat/te unser Papa eine riesige Bibliotheken mit 100ten von Büchern“. Schon früh begann Ioana Spataru Prosa und Lyrik zu schreiben.

2012 und 2013 nahm sie an dem mehrsprachigen Redebewerb „Sag’s Multi“ teil und spielte in Theaterstücken u.a. Geige. 2020 hat sie mit ihrem Text „Erinnerungen meinen Körper entlang“ einen der Exil Literaturpreise gewonnen. Sie ist auch eine Roma-Aktivistin, Trainerin für Menschenrechtsbildung und freie Journalistin für diverse Magazine und studiert nebenbei Kultur-  und Sozialanthropologie an der Universität Wien. Mit ihrem Neo-Schamanischen Kunstprojekt „The Cacao People“ hat sie sich in der Esoterikszene in Wien einen Namen gemacht.

Zum Gedenken an Bombenattentat: Roma-Kultur-Abend

Barbara Zwiefelhofer, Leiterin des Veranstaltungsbereichs im Literaturhaus Wien - mit den beiden Büchern

Vom Roma- und Juden-Ghetto in Budapest bis zur Wiener Wollzeile

In lebendigen Wort- und Sprachbildern erzählt Samuel Mago in seinem zweisprachigen Prosaband (Deutsch / Romanes; Übersetzungen: der Autor selbst mit Unterstützung von Mozes Heinschink) Geschichten aus der Welt der Roma. Er führt ins Budapester Ghetto, wo Roma und Juden Tür an Tür leben, in die Shutka von Skopje, wo selbstbewusste Roma-Mädchen Karate trainieren oder zu einem Goldhändler in die Wiener Wollzeile, der einen Gold-Schmuggel plant, den ein Rom für ihn ausführen soll.

Hier unten geht es zu einem Absatz aus dem Abschnitt aus der Wiener Wolzeile - in beiden Sprachen

Auch Ungarisch

Samuel Mago kam sogar noch öfter als Ioana Spataru im Kinder-KRUIER vor. Der mit vier Jahren von Budapest nach Wien übersiedelte 24-Jährige zählte bei dem mehrsprachigen Redebewerb „SAG’S MULTI!“ zu einem der Sieger, der seine Rede sogar bei der Gala-Preisverleihung im Festsaal des Wiener Rathauses wiederholen durfte - die übrigens auf Deutsch und Ungarisch.

2015 gewann er den exil-jugend-literaturpreis, 2016 den Roma-Literaturpreis des PEN-Club. 2017 veröffentlichte er mit seinem Bruder Mágó Károly in der edition exil den Kurzgeschichtenband Glücksmacher – e baxt romani.

Der Schriftsteller und Musiker ist auch ein bekannter Roma-Aktivist, organisierte federführend die erste internationale Roma-Jugend-Konferenz in Wien. Er studiert Soziologie und transkulturelle Kommunikation an der Uni Wien und arbeitet als Antiziganismustrainer und für das ORF-Radio.

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