Kinder- und Jugendtheater-Direktorin: „Werden vom Leben abgeschnitten“

Vrohang zu, aber kein Licht darauf - zumindest wieder ab 3.November ;(
Erste Reaktionen aus der Kinder- und Jugendkultur-Szene auf den zweiten Lockdown. Lesofantenfest abgesagt, versucht einiges online anzubieten.

Kinder dürfen im zweiten Lockdown wenigsten die elementaren Bildungseinrichtungen – Kindergarten, Volksschule, aber auch die Unterstufe in Mittelschulen und Gymnasien – besuchen, aber – trotz aller ausgeklügelter Corona-Konzepte, Covid-Beauftragter, Masken und ausgetüftelter Abstandregelungen für das oft zusätzliches Personal eingestellt wurde – keine Kultur. Kindertheater: zu. Internationales Kinderfilmfestival – 14. bis 22. November – findet nicht statt. Lesofantenfest von Wien städtischen Büchereien – 3. bis 14. November – darf nicht abgehalten werden. Die Büchereien freuen sich, dass sie wenigstens offenhalten dürfen.

Und die Oberstufen werden ins HomeSchooling und Distance-Learning geschickt. Dabei war einen Tag vor der Verkündigung der Maßnahmen zwischen Bildungsministerium und Bildungsdirektionen vereinbart/besprochen, dass dies nicht der Fall sein soll.

Fraaaaaaaaagen

Was mit Schularbeiten und Prüfungen im November passiert? Darf es praktische Arbeit in Werkstätten, Labors oder Schulküchen geben? Wie wirkt sich das auf Jugendliche aus, dass sie abends nicht fortgehen, vormittags nicht in die Schule und eigentlich nachmittags auch nicht Gruppen- oder Teamarbeiten in Live-Begegnung durchführen dürfen, wenn sie aus mehr als zwei Haushalten stammen? Dazu bekam der Kinder-KURIER am Sonntag aus dem Bildungsministerium – trotz mehrmaligem Nachfragens - keine Antworten, lediglich den „Verweis“, dass dazu am Montag eine Pressekonferenz stattfinden wird.

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Nicht zum Lachen ist Corinne Eckenstein, der künstlerischen Leiterin des Dschungel Wien, zumute.

„Werden vom Leben abgeschnitten“

„Was mich fassungslos macht, ist dieser rigorose Umgang mit uns Kunstschaffenden, aber auch genauso mit den Kindern, Menschen mit Beeinträchtigungen und älteren Menschen“, sagt Corinne Eckenstein, künstlerische Leiterin des Dschungel Wien, des Theaterhauses für junges Publikum im Wiener MuseumsQuartier.

„Wir werden vom Leben abgeschnitten, ohne eine Alternative angeboten zu bekommen. Wir haben gerade 32 Vorstellungen abgesagt und 4 Premieren umdisponieren müssen, aber irgendwann ist der Raum für Flexibilität und Akzeptanz ausgereizt. Und gerade jetzt wäre es so wichtig, kulturelle Räume für Kinder und Jugendliche und deren Familie offen zu halten. Alle Hygiene-Maßnahmen haben bisher perfekt funktioniert!“

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Warum müssen wir büßen

Aus dem Bereich von Kinderkultur-Einrichtungen erreichten uns einige Statements. So meinte Andreas Baumgartner, künstlerischer Leiter und Geschäftsführer des Theaters des Kindes in Linz: „Ich verstehe die Maßnahmen, da es im Moment keine andere Möglichkeit meiner Meinung nach gibt. Ich verstehe allerdings nicht, dass unsere Branche trotzt umfassender Sicherheitsmaßnahmen für all die Covid-VerweigerInnen büßen muss. Denn ganz ehrlich: Maske tragen, Sicherheitsabstand einhalten und Hände waschen versteht sogar unser junges Publikum sehr gut!“

Büchereien offen, aber Lesofantenfest ... ;(

Christian Jahl, Leiter der Büchereien Wien, schreibt: „"Wir sind froh, dass wir offen haben dürfen und sehr traurig, dass es heuer erstmals kein Lesofantenfest im üblichen Sinne geben wird. Wir arbeiten gerade mit Hochdruck daran, möglichst viel des Programms online anzubieten. Gerade in diesen Zeiten braucht es Kultur, auch und gerade für Kinder. Das Internet ist freilich kein Ersatz für das Erleben von Theater, Lesungen und Musik - mehr eine kleine Erinnerung, dass wir uns an Kultur gemeinsam freuen werden können.“

Das 32. Internationale KinderFilmFestival für dessen Eröffnungsfilm (Jackie und Oopjen) der Kinder-KURIER am Wochenende ein Video-Interview mit der 14-jährigen Hauptdarstellerin Frouke Verheijde in Rotterdam führen durfte, kann im November 2020 nicht stattfinden.

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Erich Schleyer zitiert Martin Kušejs Unmut

Der Schauspieler und Märchen-Erzähler Erich Schleyer zitiert in einem Facebook-Posting zentrale Sätze aus der Stellungnahme von Burgtheaterdirektor Martin Kušej: „Doch bei allem Verständnis für gewisse Regelungen, sind die erneuten Schließungen für die Kultur eine echte Katastrophe. Und ich habe Mühe meinen Unmut darüber zu unterdrücken, in welche Kategorien unsere Arbeit und die Arbeit aller anderen Kulturschaffenden dieses Landes eingeordnet werden. Theater, Opern, Museen und Konzerthäuser werden quasi als Freizeitgestaltung definiert und werden mit Spielhallen, Wettbüros, Bordellen und Paintball-Anlagen in einen Topf geworfen. Kultur ist aber viel mehr, nämlich ein Gut, das von der öffentlichen Hand aus gutem Grund gefördert wird. Sie ist Nahrung für alle, und nimmt eine schützens- und erhaltenswerte Aufgabe für das Gemeinwesen wahr, ähnlich wie Schulen und Universitäten. Und sie ist das notwendige Korrektiv in einer lebendigen Demokratie. Gerade das macht sie natürlich systemrelevant. Dies spiegelt sich im aktuellen Umgang mit der Kultur nicht wider.“

Wiener Bildungs-Stadtrat: Braucht auch Freizeitaktivitäten

Wiens für Kinder, Jugend und Bildung zuständiger Stadtrat Jürgen Czernohorszky übermittelte über seine Sprecherin dem Kinder-KURIER folgendes Statement: „Kinder und Jugendliche brauchen Freunde, Bewegung, das Miteinander-Zeit-Verbringen. Zugleich sind sie nicht der Motor bei der Ausbreitung des Virus. Deshalb hab ich auch immer eingemahnt, dass sie oberste Priorität haben müssen und dass es - gerade jetzt - Angebote für sie braucht, von Kindergarten und Schule bis zu Freizeitaktivitäten.
Deshalb setzen wir in Wien auch alles daran, für sie da zu sein. Das bedeutet verstärkter Einsatz der Kinder- und Jugendarbeit und sicherzustellen, dass Kindergärten und Schulen offen bleiben.
Das Distance Learning in der Oberstufe sehe ich kritisch, zumal sich die Expert_innen aus Bildungsdirektionen der Länder noch 24 Stunden vorher mit dem Ministerium auf ein anderes Vorgehen geeinigt haben.“

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