Betroffener erzählt: "Ein neues Leben mit einer neuen Lunge"
"Der Alltag war extrem anstrengend. Ich hatte einfach viel zu wenig Sauerstoff im Blut. Ich bin nur mehr mit mehrmaligem Stehenbleiben und Ausrasten in meine Wohnung im zweiten Stock gekommen." Thomas Tost, 47, arbeitet seit 30 Jahren im niederösterreichischen Landesdienst. Er ist an der erblichen Stoffwechselkrankheit Zystische Fibrose erkrankt: In vielen Organen seines Körpers – besonders in der Lunge – bildet sich ein klebriger, zähflüssiger Schleim. Häufige Atemwegsinfekte sind eine Folge.
„Ich wusste immer, dass ich eine Lungentransplantation benötigen werde“, sagt Tost, der heute Obmann des Verbands der Herz- und Lungentransplantierten ist und auch zur Debatte um Spenderlungen Stellung nimmt.
Den Gedanken an eine Transplantation schob er aber solange beiseite, bis ihm ein Arzt sagte: Wenn er sich nicht bald dafür entscheide, könne sich sein Zustand sehr rasch sehr stark verschlechtern – unumkehrbar.
Gedanken kreisen
„Ich war zwar gut vorbereitet auf diesen Schritt, aber ab der Entscheidung für die Transplantation kreisen unzählige Gedanken in einem: Ein Mensch muss sterben, damit ich weiterleben kann. Beruhigend war für mich, dass dieser Mensch unabhängig davon stirbt, ob ich das Organ benötige oder nicht – und es war tröstlich für mich zu wissen, dass ich einen Teil dieses Menschen weiter in mir tragen werde. Es entsteht ein Gefühl der Verbundenheit.“
Als 2004 nach zweieinhalb Monaten Wartezeit der Anruf vom Wiener AKH kam, dass es eine passende Lunge für ihn gebe, „war das eine spürbare Erleichterung. Da ist eine große Last von mir abgefallen. Vorher war ich jeden Tag dafür verantwortlich, dass ich irgendwie überlebe. Aber als ich im Spital war, war dieser Druck plötzlich weg und ich hatte das Gefühl, jetzt sind andere da, um für mich zu kämpfen.“
Spürbarer Unterschied
Das Aufwachen auf der Intensivstation nach der Transplantation war – trotz narkosebedingten Verwirrtheit am Anfang – „ein beeindruckendes Gefühl: Die Ärzte und das Pflegepersonal sagten mir, ich solle ruhig atmen.“ Aber das habe ganz zu Beginn noch nicht funktioniert. „Ich war es nicht mehr gewohnt – vor der Transplantation rang ich nur mehr nach Luft, hatte oft eine Schnappatmung: Es hat eine Zeit gebraucht, bis sich der Körper umgestellt hatte. Aber der Unterschied war sofort spürbar.“
Über den Spender weiß er fast nichts: „Es hieß, es war ein junger, sportlicher Mann – ob das wirklich so war, wer weiß. Aber ich bin davon überzeugt, dass die Lunge gut für mich passt – weil sie sehr gut funktioniert.“ Tost hält sie mit viel Bewegung fit – „Nordic Walken oder Radfahren – jede Sportart ist möglich.“
Zur Diskussion um angebliche Unregelmäßigkeiten bei der Organvergabe am AKH (sie werden vom Spital dementiert) sagt Tost: „Wir haben volles Vertrauen in das Lungen-Transplantationszentrum und dessen Leiter, Walter Klepetko.“ Auch die Kooperation mit anderen Ländern sei ein Vorteil: „Insgesamt stehen dadurch für österreichische Patienten mehr Organe zur Verfügung.“
Bereits 14 Tage nach seiner Transplantation konnte Tost das AKH verlassen: „Zuhause bin ich dann das erste Mal seit langem ohne Pausen in den zweiten Stock gekommen. Es ist ein neues Leben.“
"Ohne neues Organ haben wir keine Chance"
„Wir sind traurig und bestürzt, dass versucht wird, das österreichische Transplantationswesen in Misskredit zu bringen“, sagte Angelika Widhalm, Vorsitzende des Bundesverband Selbsthilfe Österreich und selbst Empfängerin einer gespendeten Leber, am Donnerstag. „Wir Transplantationspatienten haben keine Chance, ohne ein neues Organ weiterzuleben. Aber ich befürchte, dass sich jetzt mehr Menschen gegen eine Organspende entscheiden und in das Widerspruchsregister (Willenskundgebung gegen eine Organspende) eintragen werden. Ich kann nur an die Bevölkerung appellieren, das nicht zu tun. Nur durch Organspenden ist es möglich, das Leben vieler Menschen zu retten.“
In Österreich ist jeder Patient, der verstirbt (und nicht im Widerspruchsregister eingetragen ist), theoretisch ein Organspender – „wobei aus ethischen Gründen immer auch die Familie gefragt und eine ablehnende Haltung respektiert wird“. Ein Transplantationszentrum muss vor Organentnahme das Register abfragen.
Widhalm: „Ich kenne Fälle, in denen sich ganze Familien in das Widerspruchsregister eingetragen haben – und plötzlich war es dann so, dass ein Familienmitglied zum Überleben ganz dringend ein Organ benötigte – dann kam es zu einem Umdenken.“
Derzeit seien die Patienten, die auf den Wartelisten stehen, sehr verunsichert: „Bei uns laufen die Telefone heiß mit Anrufen von Patienten, die uns fragen, bekomme ich noch ein Organ oder nicht. Dabei ist unser Transplantationssystem eines der besten der Welt.“
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