221 Minuten online am Tag: So machen Eltern das Beste daraus

221 Minuten online am Tag: So machen Eltern das Beste daraus
Jugendliche sind vier Stunden täglich online – das birgt Gefahren, aber auch Chancen. Vereinbaren Sie und Ihr Kind, was gut ist

Das sind die Situationen, die Eltern zum Wahnsinn treiben und zu der Überzeugung, dass sie ihrem Kind das Handy am liebsten wegnehmen würden: Sechs Buben gehen zusammen Mittagessen und dann beschäftigt sich jeder nur mit seinem eigenen Handy. Highlights des Fußball-Abends in der SportApp, YouTube-Videos  mit dummen Streichen und das allgegenwärtige Spiel „Fortnite“.

Das Handy ist überall: 97 Prozent der Teenager haben ein Smartphone, zeigt die aktuelle JIM-Studie (Jugend, Information, Medien). Bei den Sechs- bis 13-Jährigen ist es die Hälfte. Tendenz steigend, sagt der Lehrer und Ex-IT-Berater Daniel Fahrecker: „Bei meinem Workshop in einer 3. Klasse Volksschule hatte jedes Kind bis auf eines ein Handy.“

221 Minuten sind  Jugendliche durchschnittlich jeden Tag online, geben sie in der JIM-Umfrage an – in zehn Jahren hat sich der Wert fast verdoppelt. Fahrecker hat einen klaren Wunsch für Zuhause und für die Schule: „Kinder und Jugendliche sollen die Technik als Werkzeug empfinden, das man sinnvoll nützen kann, das man zum Problemlösen verwenden kann, auch zur Unterhaltung. Aber nicht als ständigen Zeitvertreib.“

Im Rahmen der „Woche der Medienkompetenz“ steht die positive Nutzung von  Handy, PC & Co. im Fokus.  Dabei werden  vorbildhafte Schüler-Projekte  ausgezeichnet, Jugendliche informiert und Lehrer geschult. In der Umfrage der Bundesjugendvertretung sagen Teenager nämlich, dass sie sich ihre digitalen Fähigkeiten selbst beigebracht haben. Nach den Freunden nennen sie schon die Lehrer als Quelle ihres Wissens. Und die sollen besser informiert werden.

 

Vereinbarung treffen

In zahlreichen Schulen wird derzeit die Frage diskutiert, welche  Regeln sie für die Handy-Nutzung aufstellen sollen, und in vielen Familien sorgt das Thema für endlose Konflikte. Einfach verbieten ist keine Option, totale Freiheit auch nicht. Im Gegenteil: Der maß- und sinnvolle Umgang mit der digitalen Welt ist ein wichtiger Aspekt der Medienkompetenz.

Wenn Eltern Fahrecker bei Info-Abenden nach Tipps fragen, hat er eine Antwort: „Kinder brauchen klare Verhältnisse. Doch vor allem älteren Kindern kann man nicht einfach Vorschriften machen, man muss eine Vereinbarung treffen, an die sich alle halten.“ Praktische Tipps bietet dafür die Webseite www.mediennutzungsvertrag.de. „Dort finden sich Textbausteine für eine solche Übereinkunft, auch mit Themen, an die sie gar nicht denken.“ Es geht dabei nicht nur um Uhrzeiten, sondern etwa um die Gespräche über das Handy. Dass sich Kinder bei beunruhigenden Inhalten an die Eltern wenden und dass die Eltern nicht schimpfen, warum sie dort gelandet sind. Enthalten ist auch ein Textvorschlag für Kinder, dass sie darüber nachdenken, bevor sie ein Foto im Internet veröffentlicht.

Fahrecker: „Kinder  müssen Sensibilität für das sichere Bewegen im Netz entwickeln und  sich an zeitliche, inhaltliche und soziale Regeln halten.“

Ercan Sanlioglu nutzt bei seinen Töchtern technische Hilfsmittel, erzählt der Freizeitpädagoge über Sibel (10) und Julia (11): „Wir haben auf den Handys die App Family Link installiert, mit der man die Telefone von Kindern und Eltern verbinden kann. Etwa, um handyfreie Zeiten von 20 bis 7 Uhr einzustellen, unpassende Webseiten auszublenden und Aktivitäten der Kinder einzusehen.“ Offene Kommunikation ist dabei wichtig: „Meine Töchter haben sich beschwert, dass ich beim Handy streng bin, und die Mutter einer Freundin als Positivbeispiel gebracht. Von der wusste ich zufällig, dass sie jeden Abend heimlich das Handy ihrer Tochter kontrolliert. Ich habe ihnen gesagt: ‚Wir reden dafür offener mit euch.’“

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Was geschieht im Netz?

Er schlägt seinen Töchtern aktiv Handy-Apps vor, die er für sinnvoll hält: „Wir spielen gerne Schach und ich habe ihnen ein Schachtaktik-Spiel herausgesucht. Das ist wenigstens sinnvoll genutzte Handy-Zeit.“

Die Erwachsenen haben auch eine Hausaufgabe: Sie sollen sich ein Bild davon machen, was Kinder und Jugendliche mit ihrer Zeit im Internet anfangen. Vieles lehnen sie einfach als dumm ab und interessieren sich nicht weiter dafür. Dabei werden laut  YouTube täglich  Videos mit einer Gesamtdauer von einer Milliarde Stunden abgespielt, darunter auch durchaus sinnvolle wie Do-it-yourself-Videos für Kreative und interessante Erklär-Videos für den Lehrstoff. Daraus können selbst Erwachsene noch etwas mitnehmen.

Fahrecker rät Teenager-Eltern etwa zum digitalen Spaß-Wettstreit: „Füllen Sie einmal gemeinsam mit Ihrem Kind die Fragen auf www.digicheck.at aus. Da werden Sie merken, was Ihr Kind alles am Computer kann und was Sie nicht können. Oder spielen Sie  auf www.kahoot.it ein Online-Quiz gegeneinander. Sie werden überrascht sein.“ Das Internet kann nämlich auch sozial sein, sofern man es richtig nützt.

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"Warum eigentlich, Herr Swertz?"

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