Erste Lerneffekte: So funktioniert Homeschooling ohne Stress
Für viele Eltern ist die verlängerte Schulschließung nach den Osterferien ein Schock. Schon jetzt stoßen viele an ihre Grenzen, zeigt der Brief einer Mutter an Minister Faßmann: "Es ist illusorisch, dass ein Kind aus der zweiten Klasse Volksschule brav den ganzen Vormittag dasitzt und ihre Übungen macht, während Mama und Papa ihrer Arbeit nachgehen. Sogar dass es eine Stunde unbeaufsichtigt Übungen macht." Die Schule gab ihr die Auskunft, dass ihr Kind diese Übungen alleine schaffen könnte, aber das sieht sie nicht so.
Die Umsätze ihrer kleinenen Cateringfirma seien eingebrochen: "Ich habe gerade jetzt in der Krise mehr zu tun als je zuvor und ich bin der Captain eines sinkenden Schiffes." Ihr Wunsch: Dass das Ministerium es als unzumutbar ansieht, dass berufstätige Eltern in dieser Zeit ihre Kinder unterrichten. "Woher die Zeit nehmen, in denen man Null Kinderbetreuung hat?" Derzeit ist es so, dass der Ausnahmezustand auf Kosten der Arbeitnehmer, der Unternehmer und der Eltern ausgetragen wird."
Was wäre ihre Lösung: "Wenn Ministerium oder Bildungsdirektion Computer ausgeben oder die Anschaffung finanziell fördern und der Unterricht täglich per Videokonferenz stattfindet."
So ein Angebot plant der Unterrichtsminister und in seiner neuen Leitlinie für Lehrer tritt er deutlich gegen die Überforderung der Kinder ein: "Stellen Sie Arbeitsmaterialien bereit, die in Anspruch und Umfang angemessen sind und geben Sie zuverlässig zeitnahes Feedback." Die Klassenvorstände und Lehrer sollen den Kontakt mit Schülern und Eltern halten, fordert er sie auf.
Insgesamt dürften die Methoden der Lehrer besser ankommen, zeigte eine Umfrage im Auftrag des Bildungsministeriums: Drei Viertel der Eltern von Schülern über zehn Jahre seien sehr zufrieden oder zufrieden mit der Information und Unterstützung durch die Lehrer. Auch für neun von zehn Lehrern funktioniert die Zusammenarbeit sehr gut oder gut.
Erste Lerneffekte zeigen, wie es gehen kann
Tagesplan Nicht nur Faßmann betont: „Es braucht in den Familien einen klaren Tagesrhythmus, da haben die Schulaufgaben auch einen Stellenwert.“ Lernen am Vormittag, Freizeit am Nachmittag – ein „Stundenplan“ hilft beim Lernen und im Homeoffice der Eltern. Denn hier liegen die größten Probleme der Schüler: „Die Kinder bekommen Arbeitsaufträge, aber sie sind es kaum gewohnt, ganz selbstständig zu arbeiten. Daher fehlt ihnen der Kontakt zum Lehrer und zu den Mitschülern. Und der vorgegebene Stundenplan“, so Bildungsexpertin Aga Trnka-Kwiecinski.
Schule zu, Lernen offen Für Kinder ist es wichtig, diese Zeit nicht als Ferien zu empfinden. „Ich habe jetzt mehr zu tun als in der Schule“, beschwert sich der 13-jährige Jonas. Er erkennt aber die Leistung der Pädagogen an: „Man merkt, dass sich die guten Lehrer besonders Mühe geben. Und die schlechten Lehrer machen sich auch jetzt keine Gedanken.“ Einfach nur Arbeitsblätter zu versenden ist kein Unterricht.
Eltern berichten auch, dass sie sich schwertun, ihre Kinder zu mobilisieren. „Ich habe ein Kind, das die Aufgaben sofort erledigt, und ein anderes, das jetzt Ferien macht“, berichtet eine Mutter.
Doch ganz so locker ist das nicht: Laut Erlass des Unterrichtsministeriums werden die Leistungen der Schüler als Noten für Hausübungen und Mitarbeit beurteilt. Bisher galt, dass die Lehrer keinen neuen Stoff machen sollen, sondern nur das Gelernte vertiefen. „Das geschieht bei uns nicht“, so eine Mutter. „Ich glaube auch, manche Lehrer wollen, dass die Kinder jetzt den Stoff aufholen, den sie bisher nicht untergebracht haben.“ Ab jetzt lässt Faßmann die Entscheidung den Schulen, ob neuer Stoff erarbeitet werden soll. Doch in den Osterferien sollen die Kinder frei haben, betont der Minister – ganz normal.
Lehrerkontakt Schüler brauchen den Kontakt mit ihren Lehrern. Von WhatsApp rät das Ministerium zwar ab, aber manche Lehrer nutzen den Nachrichtendienst in dieser Ausnahmesituation, sonst etwa eMails. Auf dem Lehrer-Blog „Schulgschichtn“ schildern vier Lehrer von Wiener Neuen Mittelschulen (NMS), wie sie den Kontakt zu ihren Schülern halten.
Während sich in einem Fall die Schüler nur ein Mal pro Woche melden müssen, wie weit sie mit ihrer Arbeitsmappe gekommen sind, setzen andere auf permanenten Austausch. „Die Onlinebetreuung der Kinder läuft über den ganzen Tag, es kommen ständig Fragen, das freut mich sehr“, erzählt ein Lehrer. Andere Schüler bekommen zumindest zu den per eMail versendeten oder auf Lernplattformen hochgeladenen Aufgaben Korrektur und Feedback. „Das gibt uns das Gefühl, nah an den Kids dran zu sein und ihnen Input zu geben, mit dem sie arbeiten können“, heißt es in den „Schulgeschichtn“.
Nicht immer beteiligen sich alle Schüler am Unterricht, so wie auch sonst im Schulunterricht. „Ich habe meiner Klasse nachtelefoniert“, berichtet eine Lehrerin. Die Schulsozialarbeiter sollen sich jetzt um die rund zehn Prozent Kinder kümmern, die bisher nicht auf den Heimunterricht reagiert haben.
Digital arbeiten Anna Gawin vom DaVinci-Lab arbeitet schon lange daran, dass „Lehrer und Schüler die digitalen Medien mehr nützen. Das stärkt auch das selbstständige Arbeiten.“ Viele Schulen haben eine Lernplattform, andere verwenden jetzt den Videokonferenz-Anbieter Zoom oder Office365 für den Unterricht. „Die Schüler bringen es teilweise den Lehrern bei.“
Anfangs kam es zu Komplikationen: Die Online-Plattformen waren überlastet, die Passwörter den Schülern teils unbekannt, die Programme neu. Etwa das Online-Meeting-Programm „Zoom“ hat sich jedoch inzwischen bei vielen durchgesetzt. Bei der Kommunikation mit ihren Schülern setzen Lehrer auf unterschiedliche digitale Kanäle.
Dabei tun manche Pädagogen deutlich mehr als nur Aufgaben per Mail oder Lernplattform zu verteilen: Per Telefon, Whatsapp und Instagram beantworten sie Fragen, halten Online-Unterrichtseinheiten ab oder erstellen Erklärvideos und versenden spielerische Herausforderungen, sogenannte „Challenges“.
Schulfreunde „treffen“ In der Schule geht es nicht nur ums Lernen, wichtig ist den Kindern der soziale Kontakt, betont Lehrerausbildnerin Aga Trnka-Kwiecinski. Wenn der von den Lehrern jetzt nicht ausreichend unterstützt wird, können die Schüler oder bei den Kleineren die Eltern auch bewusste Online-Treffen über Zoom oder Houseparty organisieren. Da kann es um die Aufgaben gehen, muss es aber nicht. Selbst gemeinsames Fußballspielen über die Playstation ist jetzt sinnvoll.
Wie lernen wir mit digitalen Medien?
Eltern-Freizeit Marina Laux von der Arbeiterkammer warnt Eltern vor allzu hohen pädagogischen Ansprüchen: „Tablets und Smartphones sind nicht grundsätzlich des Teufels – es kommt, wie beim TV, auf die Nutzung an.“ Schulen empfehlen etwa die App „Anton“. Auch Schulfernsehen ist am Vormittag als Programm gut geeignet.
Die Erzählungen über die Doppelrolle als Eltern und Lehrer sorgen jedenfalls im Internet für Lacherfolge, so wie Kabarettist Klaus Eckel: „Ein befreundeter Lehrer erzählte mir, dass er bei den mitgegebenen Mathematikaufgaben täglich von überforderten Eltern angerufen werde. Er unterrichtet die dritte Klasse einer Volksschule.“
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