Pinke Schulreform sorgt für Misstöne vor Ferienbeginn
„Wir Eltern protestieren ge-gen Einsparungen auf Kosten unserer Kinder.“ So lautet der Titel eines offenen Briefs der Eltern der Ganztagsvolksschule Landstraßer Hauptstraße 146 (GTVS 3). Sie reagieren damit auf die Neuverteilung von Lehrerposten, die Anfang Juni von der Bildungsdirektion bekannt gegeben wurde. Manche Schulen müssen ab Herbst auf Lehrer verzichten.
In der GTVS 3, heißt es im Brief weiter, sollen zum Beispiel 98 Volksschullehrerstunden gestrichen werden. Demnach müssten mindestens drei Lehrer nach diesem Schuljahr die Schule verlassen. Mit ihrer Kritik sind die Landstraßer nicht allein. Ähnlich lautende Beschwerden hört man aus mehreren Wiener Schulen (der KURIER berichtete).
Zankapfel Reform
Hintergrund der Aufregung ist eine Reform des neuen Bildungsstadtrats Christoph Wiederkehr (Neos), mit der die Verteilung der Ressourcen fairer und transparenter werden soll. Neben einem Basiskontingent, das sich nach den Schülerzahlen richtet, bekommen künftig Schulen mit höherem Bedarf (z.B. für Deutschkurse oder pädagogische Projekte) mehr Personal, bei anderen kommt es zu Kürzungen.
Nachdem die Kritik zuletzt immer lauter wurde, beriefen Wiederkehr und Bildungsdirektor Heinrich Himmer am Dienstag eilig eine Pressekonferenz ein, um ihr Vorgehen zu verteidigen.
„Ich habe Verständnis dafür, dass an manchen Standorten Unzufriedenheit herrscht, aber die Reform ist wichtig“, betont der Stadtrat und verweist darauf, dass die Schulleitungen nun viel mehr Autonomie bei der Entscheidung hätten, was mit ihren Mitteln passieren soll.
Laut Himmer bekommen 100 der 500 Schulen weniger Ressourcen, weil es dort im Herbst ohnehin weniger Klassen geben wird. Insgesamt steigt bei den Mittelschulen rund die Hälfte der Schulen mit mehr Posten aus, die andere Hälfte mit weniger. Ähnlich sei das Verhältnis bei den Volksschulen. „Wir können niemandem mehr geben, ohne jemand anderem etwas wegzunehmen“, sagt Himmer. Insgesamt gebe es allerdings nicht weniger Ressourcen im System, sondern mehr, betont Wiederkehr, der aber zugleich an dem Bund appelliert, mehr Mittel zur Verfügung zu stellen.
Welle der Entrüstung
Trotz aller Beteuerungen reißt die Kritik nicht ab: Laut Thomas Krebs, dem Vorsitzenden der Gewerkschaft für Pflichtschullehrer (aps), geht es nun in den Direktionen „drunter und drüber“. Verlierer seien Schulen, die ohnehin schon mit wenig Personal auskommen müssten. Als Beispiel nennt er eine innerstädtische Schule. Dort gebe es ab Herbst für acht Klassen nur noch acht Lehrer. „Das ist weder organisatorisch noch pädagogisch vertretbar“, sagt Krebs. So könne man keine Förderungen oder Projekte stemmen.
Auch der Zeitpunkt der Verlautbarung ist für die Gewerkschaft nicht nachvollziehbar. Auf Details warte man immer noch, aber die Direktoren müssten jetzt schon ihr Lehrerteam organisieren. „Da kann es passieren, dass man einen Lehrer wegen der verringerten Ressourcen wegschickt, den man im Herbst dann doch braucht“, sagt Krebs. Etwa, wenn vonseiten des Bundes die Corona-Förderung für Kinder forciert werde.
Auch die Grünen übten massive Kritik: „Vor allem an sogenannten Brennpunktschulen werden Stunden abgebaut. Da stellt sich die Frage, wem diese Kürzungen dienen sollen“, sagt Stadträtin Judith Pühringer. Die Bundesregierung habe insgesamt zusätzliche 130 Planstellen für Wiener Schulen vorgesehen. Wo diese eingesetzt werden, sei aber unklar. Auch für Gewerkschafter Krebs ist „unklar, wo die hinkommen“.
Statt der versprochenen Transparenz kommen Chaos und untragbare Verhältnisse an die Schulen, sagt ÖVP-Bildungssprecher Harald Zierfuß. Die FPÖ ortet einen „rot-pinken Bildungskahlschlag“.
12.500 Lehrer ab Herbst
Damit gibt es in Wien 130 Stellen mehr als im Vorjahr
Berechnung
Jede Schule erhält ein Basiskontingent aufgrund ihrer Schülerzahl. Berücksichtigt werden aber auch Faktoren wie die Klassengröße. Für Angebote wie Deutschförderung oder Tagesbetreuung gibt es Zuschläge
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