Die blonde Frau mit Sonnenbrille hat zwar erst daran gedacht, aber dann doch vergessen. Auf der Windschutzscheibe ihres Autos, das die Donaustädterin in der Arbeiterstrandbadstraße beim Buffet Christine abgestellt hat, ist kein Parkpickerl zu sehen.
„Jetzt habe ich das glatt nicht aufgeklebt“, sagt sie. Man merkt: Die neuen Park-Regeln haben das kollektive Bewusstsein in der Donaustadt am Dienstag noch nicht lückenlos durchdrungen.
Das zeigen auch die Autos mit ausländischem Kennzeichen beim Bundesbad Alte Donau. Ihnen fehlt der Parkschein, den sie ab nun hier brauchen.
Seit 1. März ist fast ganz Wien eine Kurzparkzone. Das heißt in der Praxis: Zeitlich uneingeschränkt parken können in den einzelnen Bezirken nur noch deren Bewohner – sofern sie ein Parkpickerl kaufen.
Diese doch gravierende Neuerung hat besonders in den vergangenen Wochen große Aufregung nach sich gezogen: Viel wurde da etwa um Ausnahmen gefeilscht. Darauf folgt nun die Leere – und zwar in zweierlei Hinsicht.
Erstens im übertragenen Sinn: Die Ausweitung ist so etwas wie der Schlussstrich unter einem jahrelangen, auslaugenden Gezerre zwischen Stadt, Bezirken und Bevölkerung. Im eigentlichen Wortsinn trifft die Leere – und das ist der zweite Aspekt – auf die Straßen zu: Zahlreiche Stellplätze sind nun frei.
Begehrte Garagen
Auf Social Media wird das abgefeiert. „Keiner sucht ewig einen Parkplatz. Den Luxus hätten wir uns längst gönnen sollen“, ist etwa in einer Liesinger Facebook-Gruppe zu lesen.
„Klostermanngasse völlig frei – unglaublich“, heißt es in einem Pendant aus demselben Bezirk. Und es wird gefragt: „Wo stehen die jetzt alle?“
Mit „die“ sind wohl allen voran Pendler aus Niederösterreich gemeint. Diese haben, wie sich beim KURIER-Lokalaugenschein zeigte, zwei Auswege gefunden.
Zum einen die Parkgaragen. Deutlich voller als sonst war zum Beispiel die Park-&-Ride-Anlage bei der U4-Station Heiligenstadt. Die großen Garagen-Betreiber „Best in Parking“ und „Apcoa“ bestätigen den Eindruck: Die Auslastung habe sich „merklich“ erhöht, heißt es.
Und zum anderen parkten so manche Pendler einfach weiter außerhalb – um dann mit dem Zug nach Wien zu fahren.
Etwa in Langenzersdorf: Straßen in Bahnhofsnähe waren plötzlich zugeparkt. Wieder andere stiegen ganz auf die Öffis um und fuhren mit dem Bus zum Zug.
Inspektion vor Ort
Damit hat Verkehrsstadträtin Ulli Sima (SPÖ) ihr Ziel erreicht. Man wolle mit der Kurzparkzone keinen „sekkieren“, sondern den Pendlerverkehr reduzieren, sagte sie bei einem Fototermin in der Arbeiterstrandbadstraße.
Vorher und nachher: Karl-Aschenbrenner-Gasse (Floridsdorf)
Dorthin ist sie mit Bezirksvorsteher Ernst Nevrivy (SPÖ) und Neos-Klubchefin Bettina Emmerling gekommen, um sich einen „Eindruck von den neu gewonnenen Flächen im öffentlichen Raum zu verschaffen“. Dieser soll, so Nevrivy, nun etwa in Rad- und Gehwege umgewandelt werden.
Keine Kulanz
Freunde macht sich Rot-Pink damit freilich nicht überall – wie am Liesinger Bezirksamt deutlich wurde. „SPÖ kassiert“, war dort auf einem Wegweiser zur Parkpickerl-Stelle zu lesen.
Zumindest drinnen ging es gesittet zu, obwohl die Anwesenden ihr Parkpickerl schon dringend brauchten. „Ich habe gedacht, das ist so ein Spaß wie Corona und kommt dann nicht“, lautet die scherzhafte Erklärung einer Dame, die den Aufkleber schon in Händen hält.
Sie hat Glück: Kulanz will die Stadt bei Pickerl-Sündern nicht walten lassen. Jene, die bereits eines beantragt sowie bezahlt haben und nur noch auf die Zustellung warten, werden jedoch nicht gestraft, versichert die MA 46.
Das gilt übrigens auch für jene, die bloß aufs Aufkleben vergessen haben.
Die Ausweitung
Seit 1. März 2022 ist ganz Wien – bis auf wenige Rand- und Gewerbegebiete – eine Kurzparkzone. Neu dazugekommen sind die Bezirke Liesing, Floridsdorf, Donaustadt, Hietzing, der Rest von Simmering und ein Teil von Penzing.
Die Kurzparkzone gilt von Montag bis Freitag von 9 bis 22 Uhr. Die maximale Parkdauer beträgt zwei Stunden.
Wer einen Hauptwohnsitz in Wien hat, kann ein Parkpickerl beantragen und unbegrenzt in seinem Wohnbezirk parken.
116.500 Parkpickerln...
... wurden bereits beantragt. Von den rund 93.000 Online-Beantragungen konnten laut Stadt etwa 90 Prozent bereits am ersten Tag bearbeitet werden
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