In den Nachwehen der großen Fluchtbewegung von 2015 trat „Habibi & Hawara“ 2016 in der Wipplingerstraße an, um unter dem Motto „Geschmack kennt keine Grenzen“ Zugewanderte und Eingesessene in Wien zusammenzubringen.
Die Idee des von Martin Rohla und Katha Häckel-Schinkinger gegründeten Sozialbetriebs: Menschen mit Flucht- und Migrationsgeschichte nicht nur einen Arbeitsplatz, sondern gleichzeitig auch das Rüstzeug für eine spätere Selbstständigkeit mitzugeben.
Schnelle Expansion
Lange Zeit angeblich ein Konzept mit Erfolg: Die österreichisch-orientalische Fusionsküche zog, binnen weniger Jahre wurden vier weitere Standorte im Nordbahnviertel, in Neubau, der Landstraße und der Seestadt eröffnet.
Die Pandemie überstand der Gastrobetrieb anscheinend mehr schlecht als recht, wobei rund eine Million Euro an Covid-Hilfen bezogen wurden. Auch die stadteigene Wien Holding hat sich im Rahmen ihres Förderprogrammes „Stolz auf Wien“ beteiligt (siehe Infobox unten).
Unterstützung
Die „Stolz auf Wien“ Beteiligungs GmbH sollte sich mit maximal 20 Prozent temporär an Unternehmen in Wien beteiligen, deren Existenz aufgrund der Corona-Krise gefährdet ist. 2021 kam mit „Stolz auf Wien II“ eine zweite Förderschiene speziell für Gastronomie- und Tourismusbetriebe dazu.
Vierte Insolvenz
Mittlerweile mussten vier Unternehmen, die unter den Schutzschirm geschlüpft waren, Insolvenz anmelden. Im Juli konnte die Restaurant-Bar Berger & Lohn saniert werden. Im Dezember musste über den Bäcker Gragger & Cie ein Sanierungsverfahren eröffnet werden, genauso wie jetzt über das Café Ritter sowie die Holding Habibi & Hawara Gastronomiebetriebe. An den einzelnen Standorten ist die Stadt nicht beteiligt.
Hohe Verluste
Doch aus der Verlustzone kam der Restaurantbetrieb nicht. Allein im Jahr 2021 betrug der Bilanzverlust der fünf Habibi-&-Hawara-Standorte samt Headquarter insgesamt 2,34 Millionen Euro. Am Standort Nordbahnviertel war der Bilanzverlust 2021 höher als der Umsatz.
Donnerstagnachmittag zog das Unternehmen (67 Mitarbeiter) dann die Reißleine und brachte fünf Insolvenzanträge ein. Laut Creditreform und KSV1870 haben sich insgesamt 2,27 Millionen Euro Schulden angehäuft. Löhne und Gehälter sowie die Lieferanten konnten nicht mehr bezahlt werden.
Als Insolvenzursachen werden „die massiven Umsatzeinbußen während der Corona-Pandemie, die steigenden Energie- und Mietkosten sowie die massiv erhöhten Preise beim Wareneinkauf“ ins Feld geführt.
Vier Standorte bleiben zu
Lediglich der Standort in Wien-Landstraße und das Catering sollen im Zuge eines Sanierungsverfahrens fortgeführt werden. Die vier anderen Standorte sind seit 24. Dezember geschlossen. „Ich habe das zur Fortführung notwendige Kapital an die Gesellschaft überwiesen und bemühe mich um neue Co-Investoren, die mit mir das Weiterbestehen unseres Sozialprojektes sicherstellen sollen“, teilt Mehrheitsgesellschafter Rohla dem KURIER mit. „Die aktuelle Entwicklung ist sehr schmerzlich, für mich und sicher auch für viele andere Unterstützer.“
Denn auch Kleinanleger hat es erwischt: So beteiligten sich über ein Crowdfunding 240 Menschen mit insgesamt 349.000 Euro an der Seestadt-Filiale und 349 Investoren mit 453.400 Euro am Lokal in Neubau; weitere 520.000 Euro pumpten Crowdinvestoren in die Holding Habibi & Hawara Gastronomiebetriebe.
Obwohl fünf Insolvenzen vorliegen, gibt Rohla nicht auf: „Die Geschäftsführung beschäftigt sich intensiv mit der Idee von kleineren Take-aways statt großer Lokale und ist zuversichtlich, bald mit einem schlankeren Konzept wieder expandieren zu können.“
Zweite Ritter-Insolvenz
Zahlungsunfähig ist auch das Café Ritter in Ottakring – schon wieder. Erstmals schlitterte das Café im Februar 2021 trotz besten Rufes und großer Beliebtheit in die Pleite. Wegen der Corona-Lockdowns war das Lokal sieben Monate geschlossen.
Die Verbindlichkeiten wuchsen auf 940.000 Euro, 22 Gläubiger und 13 Dienstnehmer waren betroffen. „Das Ritter geht wie die Hölle“, sagt Chefin Martina Postl am Freitag zum KURIER. Trotzdem wird am Montag neuerlich ein Sanierungsverfahren über die Coinberg – Café Ritter – GmbH eröffnet.
Wie hoch die Verbindlichkeiten diesmal sind, zeigt sich erst nach Eröffnung des Verfahrens. Sobald das geschehen ist, können die Gläubiger ihre Forderungen stellen. Laut Postl handelt es sich im Wesentlichen um die Krankenkasse und das Finanzamt.
Die Flaute im Sommer, die Inflation, Gäste, die sparen müssen – das habe diesmal mitgespielt, sagt Postl zum KURIER. Der Hauptgrund sei allerdings ein anderer gewesen: Verschiedene Corona-Förderungen seien erst mit massiver Verspätung eingelangt, als Postl schon nicht mehr zahlen konnte.
Sie will ihren Gläubigern eine Zahlungsquote von 20 Prozent anbieten. „Das Café Ritter ist nicht in Gefahr“, sagt sie zum KURIER. Ihre 13 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können ihre Jobs behalten.
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