Grün-Türkiser Verkehrsplan: Die Neuordnung der Wiener Innenstadt

Mehr Radler und Fußgänger: Auf den Straßen der Innenstadt soll es künftig ruhiger zugehen.
Im Stadtkern kommt ein Fahrverbot (mit vielen Ausnahmen). Gelten könnte es bereits ab August. Doch es sind noch (immer) Fragen offen.

Es war der Termin, der endlich Klarheit bringen hätte sollen: Am Mittwoch traten die grüne Vizebürgermeisterin Birgit Hebein und der türkise City-Vorsteher Markus Figl vor die Presse, um (nach Tagen der Spekulationen) ihr gemeinsames Verkehrskonzept für das Wiener Stadtzentrum zu präsentieren.

Das geriet nicht nur verkehrspolitisch, sondern auch politatmosphärisch spannend.

Präsentation der Autofreien City ohne SPÖ

Fix ist: Der Bereich zwischen Ring und Franz-Josefs-Kai wird, wie die Verantwortlichen es nennen, autofrei. Geplant sind jedoch zahlreiche Ausnahmen – wobei die Details noch nicht ganz feststehen. Und: Umgesetzt werden soll das Vorhaben noch rasch vor der Wien-Wahl am 11. Oktober – wobei auch das noch etwas wackelig sein dürfte.

Grün-Türkiser Verkehrsplan: Die Neuordnung der Wiener Innenstadt

Hebein hat sich durchgesetzt, Figl kommt das Fahrverbot offenbar nun doch etwas zu schnell. 

Völlig offen ist, ob die Innenstadt in der Folge umgebaut wird – und etwa weitere Fußgänger- und Begegnungszonen entstehen.

Der KURIER beantwortet die wichtigsten Fragen zum – durchaus umstrittenen – Vorhaben.

1. Wer darf künftig noch in die Innenstadt fahren?

Nur, wer vom geplanten allgemeinen Fahrverbot für Kraftfahrzeuge ausgenommen ist. Und das sind – nach derzeitigem Stand – 17 verschiedene Personengruppen.

Dazu gehören: Bezirksbewohner (die ein Parkpickerl für den 1. Bezirk oder einem fixen Garagenplatz haben), Unternehmer (mit einem Betriebsstandort in der City), Taxis, Linienbusse, Hotelgäste, Sozialdienste, Lieferanten und Müll- sowie Einsatzfahrzeuge.

Alle sonstigen „bezirksfremden“ Personen dürfen ihr Auto nur aus einem Grund in die Fahrverbotszone lenken: um es auf einem der rund 7.000 Stellplätze in einer in einer öffentlichen Garage zu parken. Motorräder und Mopeds sind im Zentrum künftig übrigens auch nicht mehr erlaubt.

Markus Raab über die Ausnahmen vom Fahrverbot

2. Es läuft also darauf hinaus, dass „bezirksfremde“ Personen nicht mehr auf der Straße parken dürfen?

Richtig. Das Verkehrskonzept zielt stark darauf ab, den Parkraum zugunsten der Bezirksbewohner zu entlasten – wie Bezirkschef Figl auch offen zugibt.

Grün-Türkiser Verkehrsplan: Die Neuordnung der Wiener Innenstadt

Nur mit Parkpickerl für den 1. Bezirk darf in der Fahrverbotszone auf der Straße geparkt werden. 

Im Jahr 2018 hatten an die 5.000 Innenstädter ein Parkpickerl für den 1. Bezirk. In der gesamten Inneren Stadt existieren auf den Straßen laut den letzten verfügbaren Zahlen aus 2014 rund 9.500 Parkplätze – wobei ein nicht unerheblicher Teil davon nicht frei verfügbar, sondern von Schanigärten, Baustellen, Taxi- und Ladezonen blockiert ist.

Langes Parkplatzsuchen ist für die Bezirksbewohner künftig also wohl vorbei.

Bezirksvorsteher Figl über die Konzepterstellung

3. Wenn wohl nicht mehr so viele Parkplätze auf der Straße gebraucht werden: Wird dann ein Teil aufgelassen?

Konkrete Pläne, Parkplätze zu reduzieren und den frei werdenden öffentlich Raum anders zu nutzen, gibt es noch nicht. „Es wird nicht so sein können, dass wir gleich die ganze Innenstadt umgestalten“, sagt Figl.

Grün-Türkiser Verkehrsplan: Die Neuordnung der Wiener Innenstadt

Bezirkschef Markus Figl will Parkplätze für die Bewohner schaffen. 

Denkbar ist, dass die Parkspur künftig für Schanigärten oder zusätzliche Grünflächen genutzt wird. Oder auch, dass ganze Straßen umgebaut werden – etwa in weitere Fußgänger- und Begegnungszonen.

4. Was heißt das für die angrenzenden Bezirke?

Die müssen sich wohl darauf einstellen, dass viele Autolenker, die in die Innenstadt wollen, künftig bei ihnen parken. Und das ärgert die Bezirksvorsteher – unabhängig von der Parteifarbe.

Sämtliche rot-regierte Nachbarbezirke fordern ein „ganzheitliches Konzept“ und mehr Anrainerparkplätze von Hebein. Auch in der ÖVP ist man ungehalten: Veronika Mickel-Göttfert, türkise Bezirkschefin in der Josefstadt, fordert in der Presse, dass das die „Parkplatzsucher“ in die Detailplanungen für das Fahrverbot in der City einfließen müsse.

Hart umkämpft werden die Stellplätze wohl auch in jenem Teil des 1. Bezirks sein, der nicht zur Fahrverbotszone gehört (das ist im Wesentlichen der Teil zwischen Zweierlinie und Ring). Figl will dort ebenfalls die Anrainerparkplätze aufstocken lassen.

5. Wie stark wird der Verkehr in der City durch das Fahrverbot zurückgehen?

Vizebürgermeisterin Hebein schätzt, dass das Verkehrsaufkommen um 20 bis 30 Prozent sinken wird. Diese Erfahrung hätten zumindest italienische Städte mit ähnlich konzipierten Fahrverboten gemacht – und das sei ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz.

Vizebürgermeisterin Hebein verkündet Autofreie Innenstadt

Derzeit fahren täglich rund 50.000 Autos ins Wiener Zentrum und wieder hinaus. Künftig ist also mit 35.000 bis 40.000 Autos zu rechnen.

6. Ab wann soll das Fahrverbot gelten?

Jedenfalls noch vor der Wien-Wahl im Herbst, verkündete Hebein bei der Pressekonferenz. Laut Markus Raab, Chef der für Verkehrsangelegenheiten zuständigen MA 46, könnte die Regelung bei Einhaltung der kürzestmöglichen Fristen sogar schon ab August in Kraft treten – umgesetzt wird sie mit einer Verordnung.

Das geht dem 1. Bezirk nun offenbar aber doch etwas zu schnell: Ordentliche Detailplanungen hätten „Vorrang gegenüber der Umsetzung“, betonte Figls Büro nach der Präsentation der Pläne.

Sein Hebel könnten die Verkehrsschilder, die auf das Fahrverbot hinweisen, sein: Weigert sich der Bezirk, sie zu finanzieren, könnte das Fahrverbot möglicherweise nicht in Kraft treten.

7. Was passiert jetzt noch?

Bereits diese Woche soll das Verwaltungsverfahren starten, das im Vorfeld von Verordnungen vorgeschrieben ist. Im Zuge des Verfahrens sind Gespräche mit dem Bezirk und Interessensvertretungen geplant. Dann kann die Verordnung formuliert und kundgemacht werden.

Der 1. Bezirk wird parallel eine Machbarkeitsstudie in Auftrag geben. Die Ergebnisse werden wohl aber nicht mehr in das Verfahren einfließen.

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