Die klein gewordene Welt des Heinz-Christian Strache
Einst, in besseren Tagen, hatte er endlos Geld, Macht und Heerscharen von bedingungslos Untergebenen. Am Ende, nach einem beispiellosen Absturz, kann man Jordan Belfort dabei beobachten, wie er biederen Familienvätern in Seminaren beizubringen versucht, wie man Kugelschreiber verkauft.
Ein wenig fühlt man an Martin Scorseses Film-Epos "The Wolf of Wall Street" erinnert, wenn man dieser Tage einen öffentlichen Auftritt von Heinz-Christian Strache, einst Vizekanzler der Republik, besucht. So zum Beispiel am Donnerstag im Gasthaus Koci in Inzersdorf. Das "Team HC Strache Liesing", das mit zwei Bezirksräten noch zu den stärksten Bezirksgruppen zählt, hat zum Oktoberfest geladen. Mit Spanferkel, Bier und und einem Alleinunterhalter am Keyboard.
Vor eineinhalb Jahren ist Alleinunterhalter Strache noch in den noblen Sofiensälen aufgetreten, manches ist aber doch wie früher: Er kommt mit eineinhalbstündiger Verspätung, die meisten der knapp 100 Besucher haben da ihren Schweinsbraten schon aufgegessen.
HC-Sprechchöre
Umso leichter fällt es ihnen, den Stargast, der erst vor Kurzem wegen Bestechlichkeit erstinstanzlich verurteilt wurde, mit "HC-HC"-Sprechchören zu begrüßen. Strache, im Trachten-Janker und sichtlich ergraut, schüttelt Hände, stellt sich dann mitten unter die Gäste und legt los: "Fassungslos" sei er ob seiner Verurteilung wegen "2.000 Euro". Wo bleibe die Anklage gegen die anderen Parteien, die weit mehr Spenden bekommen hätten?
Selbst sieht er sich als Verschwörungsopfer: "Aber es gibt eben eine politische Sau, die durchs Dorf getrieben werden muss, um von anderen Dingen abzulenken", sinniert Strache, um in gewohnter Weise gegen die Asyl- und Pandemiepolitik der Regierung zu wettern. Und gegen seine blaue Ex-Partei, die ihn im Stich gelassen habe.
Auf die Gäste im Gasthaus Koci kann er sich hingegen verlassen. Sie lachen über seine zotigen Witzchen und zeigen sich völlig unbeeindruckt von all den Verwerfungen rund um ihr Polit-Idol.
Strache über peinliche Fotos
"Es gibt keinen besseren für Österreich", sagt etwa Daniela Rogetzer, die extra ein Dirndl trägt. "Er ist einfach menschlich und redet mit jedem", während FPÖ-Parteichef Herbert Kickl "ein kleiner Kampfzwerg" sei. Sie ist fest davon überzeugt, dass Straches Berufung vor Gericht erfolgreich sein wird.
Auch Norbert Tobler, der aus dem Burgenland gekommen ist, sieht Strache in der Spesen-Affäre ungerecht behandelt. "Und auf Ibiza hat man ihn reingelegt."
Fast zur Nebensache wird an diesem Abend, dass sich Strache eigentlich mitten im Wahlkampf befindet. Seine Liste tritt bei der Grazer Gemeinderatswahl an. Ohne ernsthafte Chancen, wie alle Beobachter überzeugt sind.
Entsprechend tief stapelt der Parteichef: Er hofft auf den Einzug in zwei Bezirksvertretungen, Mandate auf Gemeinde-Ebene wären schon "ein großer Erfolg".
Bescheidene Ziele
Ähnlich bescheiden sind die Ziele Straches, vor dem einst das halbe Polit-Establishment zitterte, in anderen Bundesländern geworden. Nach dem verpassten Einzug in den Wiener Gemeinderat fehlt es an Geld und Publicity, das geplante Antreten bei der oberösterreichischen Landtagswahl musste abgesagt werden. "Es macht keinen Sinn, überall anzutreten. Wir konzentrieren uns auf die wesentlichen Wahlen", sagt Strache.
In Stein gemeißelt
Auf welche, das bleibt offen: "Man weiß nie, wann sich ein Fenster auftut. Wir haben Gönner im Hintergrund, die uns dann mit Darlehen unterstützen würden", sagt Christian Höbart kryptisch. Er ist Generalsekretär der Partei und Straches treuester Gefolgsmann. "Ich weiche dem Heinz nicht von der Seite. Meine Loyalität ist in Stein gemeißelt."
Ähnliches hört man auch von Straches Wiener Bezirksräten. Insgesamt 16 gibt es. In Erscheinung getreten sind sie seit der Wahl kaum: Nur eine Presseaussendung findet sich seit Jahresbeginn im Archiv. Strache-Mitstreiter Karl Baron beschwert sich darin über die Rauchschwaden von den Grillplätzen auf der Donauinsel. "Wir brauchen keine Aussendungen, wir sind bei den Bürgern", sagt Strache.
Derweil machen sich aber auch seine Funktionäre Gedanken darüber, wie es mit ihrer Partei weitergeht, sollte ihr Chef doch rechtskräftig verurteilt werden. Kann die Partei dann noch Straches Namen tragen? Kann sie überhaupt weiterbestehen? "Wir würden uns auch im Falle einer Verurteilung für die Nationalratswahl vorbereiten. Mit überraschenden Konstellationen", gibt sich Höbart kryptisch.
Es drängt sich die Frage auf: Warum tut sich Strache all das überhaupt noch an? "Wegen der tollen Unterstützer hier", sagt Strache und deutet in den Saal. Die Politik sei einfach sein Leben, er könne nicht anders, heißt es von seinen Mitstreitern.
Nach der Ansprache ihres Chefs verteilen sie blaue Kugelschreiber.
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