Das Gratis-Wasser ist Geschichte
Wenn die Sprache auf das Wasser kommt, erzählt Berndt Querfeld, Besitzer des Café Landtmann, gerne eine Geschichte: "Wenn du Durst hast, geh aufs WC und trink die Wasserleitung leer, aber belästige mir nicht die Kellner." Das habe schon der Vater zum jungen Berndt gesagt. Doch viele Gäste würden nur ein Glas Wasser bestellen, sagt Querfeld.
Er war vor einem Jahr auch der Erste, der in Wien Geld für Wasser verlangte. Ein Schritt mit Vorbildwirkung, ist doch Querfeld nicht nur Besitzer mehrerer Kaffeehäuser, sondern auch Obmann der Wiener Kaffeesieder im Wirtschaftsbund.
Nachahmer
Knapp ein Jahr später lassen sich immer mehr Wiener Wirte für das Servieren von Leitungswasser bezahlen, berichtet die Arbeiterkammer (AK). Sie hat 30 Restaurants unter die Lupe genommen. 23 von ihnen verrechneten für einen halben Liter 0,30 bis 3,60 Euro. In einigen Betrieben wurde das Wasser "vitalisiert" und als Granderwasser um 2,90 Euro verkauft.
Die Wirte begründeten die Preispolitik gegenüber der AK unterschiedlich: Viele erklärten, man könne es sich nicht leisten, mehr Wasser zu verschenken, als alkoholfreie Getränke zu verkaufen. Zudem müsse das Wasserglas auch abgewaschen werden. Auch die Bedienung des Gastes, so wurde betont, koste Geld. Die Arbeiterkammer ist anderer Meinung: "Geld für Leitungswasser zu verlangen, ist nicht vertretbar", sagt Konsumentenschützerin Gabriele Zgubic. 1000 Liter Wasser aus der Leitung würden den Wirt 1,80 Euro kosten. Daher solle das Leitungswasser gratis bleiben.
Skepsis
Auch Wiens Tourismusdirektor Norbert Kettner bleibt skeptisch. "Ich habe Verständnis dafür, dass Service etwas kosten darf – aber 3,60 Euro für einen halben Liter Wasser ist das 4000-Fache des Einkaufspreises. Dafür habe ich null Verständnis." Auch dass Leitungswasser mit "Esoterik wie Grander" angereichert werde, goutiert er nicht. Viele Touristen erwarten, dass zum Essen gratis Wasser serviert werde. "Das Image Wiens könnte so geschädigt werden."
Eine Einschätzung, die Querfeld nicht teilt: "Das ist kein touristisches, sondern ein Wiener Problem."
Der Sprecher der Kaffeesieder bezweifelt die Richtigkeit der AK-Erhebung. Dass bereits derartig flächendeckend fürs Wasser zur Kasse gebeten werde, kann er sich nicht vorstellen. "Angesichts der medialen Darstellung trauen sich nur die wenigsten Unternehmer, für ein Glas Wasser Geld zu verlangen."
Seiner Meinung nach geht die AK in ihrer Bewertung der Situation von "einem Trinkbrunnen auf der Kärntner Straße" aus und vergleicht Äpfel und Birnen. "Der Gast zahlt ja nicht für das Wasser, sondern für die Dienstleistung." Wer das Wasser als eigenes Getränk bestelle, zahle – das Glas Wasser zum Kaffee bleibe gratis. "Genauso wie das Wasser für Hunde, Blumen, Nassräume oder Volksschüler, die sich ihre Wasserflaschen auffüllen wollen." Im Landtmann habe sich die Gruppe jener, die früher gezielt ein Glas Wasser bestellt hat, dreigeteilt: "Ein Drittel bestellt Mineralwasser, wenn sie schon dafür zahlen müssen. Ein Drittel bleibt beim Leitungswasser – wir verkaufen 40 bis 50 Karaffen täglich. Und ein Drittel mag gar nichts mehr."
Doch längst nicht alle Wirte verlangen für das Glas Wasser Geld.
Herbert Hausmair, der sein Lokal auf der Lerchenfelder Straße betreibt, hält weiterhin am kostenlosen Leitungswasser fest. "Ich leiste es mir noch",sagt Hausmair. Es sei aber eine Gratwanderung. Er habe ein großes Stammpublikum. Kollegen, die Geld für Wasser verlangen, verurteilt er nicht: "Das muss jeder aus seiner Situation heraus entscheiden."
Kommentare