Corona-Ampel: Als Wien fast orange wurde

Wien von oben
Bundeskanzler Sebastian Kurz und Gesundheitsstadtrat Peter Hacker ritterten um die Deutungshoheit.

Am Donnerstag haben sich die Ereignisse überschlagen. Österreichweit gab es 664 Corona-Neuinfektionen, ähnlich hohe Zahlen gab es in Österreich zuletzt im März. In Wien lag die Zahl der Neuinfektionen bei 384.

Praktisch zeitgleich – kurz nach 11 Uhr – gingen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und der Wiener Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) an die Öffentlichkeit. Beide forderten strengere Maßnahmen im Kampf gegen Corona – damit hörten sich die Gemeinsamkeiten aber schon wieder auf.

Kurz forderte "schärfere Maßnahmen und kein Schönreden der Zahlen" von der sogenannten Ampel-Kommission. Sie besteht aus 19 Personen und gibt – basierend auf Informationen der Ages und der Gesundheit Österreich GesmbH – Empfehlungen ab.

Und zwar darüber, ob ein Bezirk oder (im Falle Wiens die ganze Stadt) auf Grün, Gelb, Orange oder Rot gestellt werden soll. Bis Donnerstagnachmittag sah es so aus, als würde Wien ab heute, Freitag, auf Orange gestellt werden. Er sei "besorgt über die explodierenden Zahlen" in Wien, sagte der Bundeskanzler.

Hacker: "Larifari-Instrument"

Mehr erstaunte allerdings eine Aussage Peter Hackers am Donnerstag: Denn Hacker erklärte, er wäre mit "orange" für Wien einverstanden. Schließlich solle die Ampel ja "kein Larifari-Instrument" sein. Die Zahlen "zeigen unmissverständlich nach oben", das betreffe nicht nur Wien, sondern den ganzen urbanen Raum.

Doch für Hacker ging es um ein grundsätzliches Problem: Der Gesundheitsstadtrat sieht derzeit seine Hände bei der Umsetzung von regionalen Maßnahmen vielfach gebunden. Ein "juristisches Dilemma" verhindere, dass die Stadt handeln könne, bevor die Infektionszahlen weiter steigen und eine verschärfte Ampel-Schaltung notwendig werde, erklärte er.

So seien regionale Verschärfungen etwa dann nicht möglich, wenn es bereits bundesweite Vorgaben gebe. Etwa bei der Maskenpflicht. Hier wünscht sich Hacker also eine juristische Handhabe, die er auch in der Ampel-Kommission diskutieren wollte. Und deshalb im Vorfeld wohl medial bekannt machte.

Keine Indizien für Orange

Und schließlich gab es da noch Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne), der – während Hacker und Kurz ausritten – in einem Mediengespräch mit großer Expertenriege erklärte: "Derzeit gibt es keine Indizien, dass wir Richtung Orange gehen." Wird die Ampel umgestellt, sei das "kein Zeugnis", so Anschober, sondern eine Risikobewertung.

Am Nachmittag war aus gut informierten Kreisen dann plötzlich zu hören, dass Wien doch nicht auf Orange gestellt wird. Und so kam es, die Empfehlung für Wien blieb bei Gelb.

Die Empfehlung der Experten-Kommission sah dann aber doch Verschärfungen vor, ganz unabhängig von der Ampel – etwa eine Maskenpflicht bundesweit in allen Geschäften.

Was Orange bedeuten würde

Wie am Donnerstag politisch hantiert wurde, zeigt, wie heikel die aktuelle Situation ist. Was würde also passieren, wenn eine Stadt wie Wien plötzlich von Gelb auf Orange hochgestuft würde? Was für Auswirkungen hätte eine orange Ampelschaltung überhaupt?

Eine Verschärfung der Corona-Maßnahmen würde für die Bevölkerung Einschränkungen bringen, die sie vom Frühjahr kennt: Die Sperrstunde würde auf null Uhr vorverlegt. Oberstufenschüler würden wieder von daheim lernen müssen. Und Theatervorführungen wären nur vor 250 Menschen möglich (siehe Infoboxen unten).

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