Berndt Querfeld: "Auch ein 2-Meter-Mann hält nicht alles aus"
Seine Kritik an den Unterstützungsleistungen der Bundesregierung hat für viel Aufsehen gesorgt. So sehr, dass sich der Finanzminister persönlich bei ihm gemeldet hat. Und nicht nur der. Dem KURIER hat Berndt Querfeld, Chef des Café Landtmann, sein erstes Interview nach der großen Aufregung gegeben.
KURIER: Sie haben in den vergangenen Wochen viel Zuspruch erfahren, aber auch Kritik geerntet, nicht zuletzt aus der Politik. Wie lebt es sich so als Wut-Wirt?
Berndt Querfeld: Wenn, dann bin ich ein Wut-Kaffeesieder (lacht). Die ersten zwei Tage waren angespannt, da ist die Luft schon sehr dünn. Da geht’s nicht nur um das Unternehmen, da geht’s um Familie, Freunde, 350 Mitarbeiter und deren Familien. Die nehmen jedes Wort, das man sagt, verschieden auf. Die ersten zwei Tage waren sehr anstrengend. Als Kaffeesieder will man seine Gäste betreuen und nicht in politische Gespräche abgleiten.
Haben Sie die Gäste auf den offenen Streit mit der Bundesregierung angesprochen?
Ja, sicher. Es gibt Zuspruch, weil sie sich vertreten gefühlt haben und es gibt auch Kritik, dass man das so nicht sehen kann. Das ist in einer Demokratie auch erlaubt.
Bereuen Sie Ihre Kritik?
Nein. Die große Angst der Bundesregierung war, dass da eine größere Bewegung dahintersteckt. Da gibt’s Menschen, die sich nur Gedanken machen, warum jemand tut, was er tut. Es gibt Staaten, in denen man aufpassen muss, was man sagt, in denen möchte ich aber nicht leben. Ich möchte in einem Staat leben, in dem man sich etwas sagen traut und Kritik einstecken kann. Das ist eine Frage der Verhältnismäßigkeit. Ich habe nicht gewusst, dass ich so wichtig bin, dass die Bundesregierung mit mir direkt über die Medien Kontakt aufnimmt. Daraus habe ich auch für mich gelernt. Wenn ich so wichtig bin, dann setze ich für meine Branche etwas durch.
Wie geht es einem, wenn die Regierung öffentlich kritisiert, dass man Kritik geübt hat?
Man denkt, dass ein zwei Meter großer Mann wie ich alles aushält. Doch das tut er nicht. Ich bin nah am Wasser gebaut, mir gehen die Dinge sehr nahe. Vor einigen Jahren hatte ich ein Burn-out. Zwei Wochen vor dem 1. Juli, an dem ich eingeführt habe, dass das Wasser im Landtmann etwas kostet, bin ich mit der Rettung in eine Burn-out-Klinik gefahren worden. Das hatte nichts mit dem Wasser zu tun, sondern mit anderen Dingen. Jedenfalls hatte es am 1. Juli dann 42 Grad. Ich liege im Krankenzimmer, schalte den Fernseher ein und sehe, dass ich in der Zeit im Bild 2 abgewatscht werde. Ich schalte um, weil ich das nicht schaffe. Im ORF-Teletext und im Internet dasselbe. Man hat so getan, als wäre ein Attentat auf die Gastfreundschaft verübt worden.
Zurück in die Gegenwart. Wie kommt es, dass Sie Geld von der Regierung brauchen? Das Landtmann muss unter normalen Umständen ja eine Goldgrube sein.
Das ist auch unter normalen Umständen keine Goldgrube. Es gibt ein nettes Lied vom André Heller, der darin sagt: ,Du weißt nicht, wie brüchig das Eis ist, auf dem wir leben‘. Die Renditen in der Gastronomie liegen bei 5 Prozent. Verschiebt sich langfristig etwas, steigen automatisch die Lohnkosten. Die Servicemitarbeiter gibt es nur ganz oder gar nicht. Und Lohnkosten sind der größte Kostenfaktor.
Ab wie viel Prozent Umsatzeinbußen wird es kritisch?
Wenn wir das wüssten, würde ich mich schon wohler fühlen. Der einzige Faktor, den wir zurückdrehen können, sind Personalkosten. Wir haben als Familie Querfeld Liquidität zu sichern und 1,8 Millionen Euro Kredit für die Kurzarbeit aufgenommen, um das zu tun. Den Kredit nehme ich als Person auf, nicht der Staat und nicht das AMS.Manche Leuten fragen sich, wie viele Jachten der Querfeld besitzt. Ich besitze keine. Voriges Jahr habe ich mir um 150.000 Euro einen Obstgarten gekauft, weil ich Gärtner bin und mein eigenes Obst ziehen will.
Rechnen Sie damit, dass viele Lokale in Wien die Krise nicht überstehen werden?
Es gab intelligente Kollegen, die erst gar nicht aufgesperrt haben. Die sagen, dass jeder Tag, an dem aufgesperrt ist, mehr kostet, als wenn geschlossen ist. Das ist wirtschaftlich vernünftig. Es fehlen die Touristen und es gibt gegenwärtig ein zu großes Angebot an freien Tischen.
Die Innenstadt ist leer. Tut die Stadtregierung zu wenig für die Belebung?
Im Nachhinein ist man immer klüger. Wenn ich rund ums Landtmann schaue, sehe ich, dass viele, die vor Corona oft zu uns gekommen sind, noch im Homeoffice sind. Außerdem treibt es die Wiener seit Corona öfters raus. Man hat, glaube ich, noch nie so viele Wiener im Wienerwald gesehen.
Verschiebt sich der gastronomische Schwerpunkt der Stadt von den inneren Bezirken in die Außenbezirke?
Das hat schon vor 10, 15 Jahren begonnen. Seitdem kann man die schönen, grünen Außenbezirke auch verkehrstechnisch bestens erreichen. Die Stadt verändert sich.
Verändert sich auch das Landtmann?
Das Landtmann ist ein sehr konservatives Lokal, allerdings eines mit Zeitgeist. Zwar nicht bei den Stühlen oder der Optik, aber beim Angebot. Vor 15 Jahren haben wir den Wintergarten gebaut, darüber gab es viele Diskussionen. Der Mario Plachutta hat mir dann gesagt, dass das ein guter Schritt war, weil wir neue Zielgruppen ansprechen. Der Wintergarten hat dem Landtmann einen Ruck gegeben. Vielleicht ist es jetzt wieder Zeit, dem Landtmann einen Ruck zu geben.
Wie sollen Sie das machen? Junge Leute gehen ja eher nicht ins Landtmann.
Wir haben – wie viele andere – Angst, dass die Innenstadt bei 38 Grad ausstirbt. Also müssen wir die Leute in der Stadt halten. Wir haben fünf Terrassen, ab 16 Uhr soll es Aperol in einem loungigen Bereich geben. Wir holen Live-Acts und wollen alles etwas verjüngen. Die Kellner werden, ganz untypisch für das Landtmann, keine Fliege und keine Sakkos tragen, sondern die Ärmel aufkrempeln. Der DJ wird einen Adriano-Celentano-Remix auflegen. Ich finde das cool und hoffe, die Gäste auch.
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