„Kann es sein, dass ihr zwei ein bissl deppert seids?“ So war die Reaktion eines Wiener Polizisten der Notrufzentrale am Schottenring, als sich eine Anruferin hilfesuchend an 133 wendete.
Hysterisch schrie sie ins Telefon und versuchte dem Beamten klarzumachen, dass ihr Lebensgefährte ein Messer habe und sie bedrohe. Der Beamte tat zunächst einmal gar nichts.
Er hat "keine Sofortmaßnahmen eingeleitet und es unterlassen, unverzüglich ein Einsatzprotokoll anzulegen", heißt es in einem aktuellen Disziplinarurteil. Für die Frau hatte dieses Verhalten des Beamten jedenfalls arge Konsequenzen. Für den Polizisten selbst weniger.
Denn ihr polizeilich weggewiesener Freund hatte sie vor der Haustür angepasst. "Bei Ansichtig werden des Lebensgefährten gelang es der Frau noch den Notruf zu verständigen. Währenddessen stach der Lebensgefährte mehrmals auf die Frau ein und verletzte diese schwer bzw. lebensgefährlich", heißt es im Urteil.
Verspätete Reaktion
Erst als ein Zeuge Minuten später bei einem Kollegen anrief, alarmierte der Beamte doch noch die Rettung. Erst dann protokollierte er den Einsatz, was dadurch auffiel, dass er die falsche Telefonnummer - nämlich die des Zeugen - notierte.
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Man könnte meinen, dass ein derartiges Verhalten mitten in der Diskussion um Frauenmorde eine Entlassung nach sich zieht. Doch die Bundesdisziplinarkommission (Spitzname: "Die barmherzigen Brüder") sah nur ein ungebührliches Verhalten und folgte dem Wunsch des Polizei-Disziplinaranwaltes nach einer Geldstrafe - der Bemate muss 8.000 Euro zahlen.
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Strafrechtliche Konsequenzen hat so ein Vorfall jedenfalls nicht, das wurde bereits vor zehn Jahren ausjudiziert. Damals meldete ein zehnjähriger Bub einen potentiellen Kinderschänder, der Jugendliche auf einem Rodelberg in Perchtoldsdorf (NÖ) ansprach.
Der Polizist legte einfach auf und wurde wegen Amtsmissbrauchs angeklagt. Dieser endete mit einem Freispruch, weil dem Beamten keine Absicht nachgewiesen werden konnte.
Ein weiteres Problem ist, dass der Betroffene nach einem Disziplinarurteil nicht doppelt bestraft werden darf. Das bedeutet, dass der Beamte vom Notruf nach einer Geldstrafe nicht einmal versetzt werden darf, wenn er nicht freiwillig zustimmt. Im Falle des Wieners dürfte das der Fall gewesen sein, er ist nicht mehr in der Landesleitzentrale tätig, betont die Wiener Polizei.
Ähnlicher Fall in Vöcklabruck
Noch im Laufen ist das Disziplinarverfahren rund um einen ähnlichen Fall Ende vergangenen Jahres in Vöcklabruck (OÖ). Dort wimmelte eine Notruf-Beamtin zwei Minuten lang eine 28-jährige Frau ab, die heftige Drohungen von ihrem Ehemann bekommen hatte. Als er vor ihrem Fitnessstudio auftauchte, wählte sie 133.
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In der Folge erlitt die Frau Messerstiche im Bereich des Oberkörpers und des Kopfes. Die Staatsanwaltschaft sah darin einen glatten Mordversuch. Das Verfahren gegen die Polizistin wurde eingestellt - sie habe schließlich nicht absichtlich falsch gehandelt.
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