Notruf-Protokoll zu Mordversuch in OÖ: "Was erwarten sie jetzt?"
Eine Minute und 59 Sekunden. So lange dauerte jener Notruf, der am Mittwoch bei der Polizei in Oberösterreich einging. Wie berichtet, hatte eine 28-Jährige aus Angst vor ihrem Ehemann, der ihr auf einem Parkplatz vor einem Fitnessstudio in Vöcklabruck aufgelauert haben soll, den Notruf gewählt.
Die Beamtin soll die 28-Jährige offenbar nicht ernst genommen und lediglich an die nächste Polizeiinspektion verwiesen haben. Keine zehn Minuten später soll der Ehemann sechs bis sieben Mal auf seine Frau eingestochen haben.
Dem KURIER liegt nun das Protokoll des Gesprächs vor. Und es belegt: Hilfe für eine Frau in akuter Not stellt man sich anders vor.
Wie von der Landespolizeidirektion Oberösterreich kommuniziert, schildert das spätere Opfer der Polizistin zunächst, dass ihr Mann, der eigentlich in einer Suchtklinik sein müsste, vor ihrem Arbeitsplatz auf sie wartet.
Nach einigem Hin und Her, erklärt die 28-Jährige ganz deutlich, dass der 27-Jährige „gewalttätig“ und „unberechenbar“ ist.
Die Beamtin erkundigt sich, ob es „jetzt irgendetwas Konkretes“ gab, oder er sie „bedroht“ habe.
Die Frau erwähnt daraufhin Drohnachrichten, die sie vier Tage vor der Tat per Whatsapp erhalten hat. Darin soll der Mann auch erwähnt haben, dass er gerne „25 Jahre ins Häfen“ gehen würde. Für welche Tat, kann man sich vorstellen.
Ständige Nachfrage nach "Konkreten"
Die Reaktion der Polizeibeamtin? „Wir bräuchten was Konkretes für ein Einschreiten der Polizei. Was erwarten Sie jetzt von uns?“
Das Opfer artikuliert daraufhin ganz klar, dass sie ein Betretungs- oder Annäherungsverbot möchte. Die Beamtin kontert, dass dies nur geht, wenn die Frau aktuell bedroht wird. Solange es nichts „konkret“ gibt, sei auch keine Hilfe möglich.
Erst an diesem Punkt des Gesprächs verweist die Polizistin darauf, dass sich die Bedrohte an die nächste Polizeiinspektion wenden kann. Aber wegen der alten Drohnachrichten, nicht wegen der aktuellen Gefahr.
Das spätere Opfer bedankt sich für diesen Tipp. Dann legt es auf.
Staatsanwaltschaft ermittelt
1 Minute und 59 Sekunden, die viele Fragen offenlassen. Hat die Beamtin am Notruf richtig reagiert? Kam dem späteren Opfer jede mögliche Hilfe zu, die die Polizei in solch einer Situation leisten kann?
Die Staatsanwaltschaft Linz prüft. Im Raum stehe theoretisch der Tatbestand des Amtsmissbrauchs, erklärte Sprecherin Ulrike Breiteneder. Dafür müsse aber die bewusste Unterlassung von Hilfe mit der Absicht, das Opfer zu schädigen, nachgewiesen werden.
Die betroffene Polizistin wurde vom Notruf abgezogen. Ihr droht ein Disziplinarverfahren.
Dem 28-jährigen Opfer geht es besser. Es ist wieder Zuhause bei seinem Kind.
Gewalt von Männern gegen Frauen gibt es in allen sozialen Schichten, Nationen, Familienverhältnissen und Berufsgruppen. Morde an Frauen können auch Femizide sein. Der Begriff soll ausdrücken, dass hinter diesen Morden oft keine individuellen, sondern auch gesamtgesellschaftliche Probleme wie etwa die Abwertung von Frauen und patriarchale Rollenbilder stehen.
Hilfe für Gewalt-Betroffene gibt es hier:
Frauenhelpline (Mo – So, 0 – 24 Uhr, kostenlos), 0800 / 222 555 Männernotruf: (Mo – So, 0 – 24 Uhr, kostenlos), 0800 / 246 247.
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