Soldat in SS-Uniform: Kann man Nazi und Beamter sein?
(Mehrere Updates am Ende des Berichts)
Kann man wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung verurteilt und zugleich Beamter im österreichischen Staatsdienst sein? Dass sowohl die Disziplinarkommission als auch der Vertreter des Verteidigungsministeriums diese Frage bejaht hat, wird nun auch das Parlament beschäftigen. Die SPÖ möchte dies künftig verhindern, die Grünen und die Neos signalisieren Zustimmung.
Auslöser ist der KURIER-Bericht über einen Kärntner Heeres-Unteroffizier, der mehrfach in einer SS-Uniform unterwegs war und in seiner Wiener Kaserne und auf Sportplätzen den Hitlergruß zeigte. Er wurde deswegen zu zehn Monaten bedingt verurteilt, erst ab zwölf Monaten Haft hätte ihm der automatische Amtsverlust gedroht. Über alle Vorfälle, die unterhalb diese Zeitspanne fallen, entscheidet die 2020 neu aufgestellte und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) unterstehende Bundesdisziplinarbehörde.
Die Barmherzigen Brüder
Deren Vorgängerkommission war wegen ihrer milden Urteile als "die Barmherzigen Brüder" bezeichnet worden. Die verhängten Geldstrafen sind nun oft höher als früher, über ein Urteil, das zur Entlassung eines Beamten geführt hat, findet man allerdings nichts.
In der SPÖ wird die Nicht-Entlassung des Berufssoldaten jedenfalls als "Irrsinn" bezeichnet. SP-Sprecherin für Erinnerungskultur Sabine Schatz und Wehrsprecher Robert Laimer wollen eine parlamentarische Initiative starten, damit Wiederbetätigung künftig zum Amtsverlust führt. Sie haben außerdem Parlamentarische Anfragen an Verteidigungsministerin Tanner und Justizministerin Zadić eingebracht.
Schatz: „Dieser Fall des Unteroffiziers und der Umgang im Bundesheer mit NS-Wiederbetätigung müssen dringend aufgeklärt werden. Unsere Republik ist auf einem antifaschistischen Grundkonsens wiederaufgebaut worden. Die Soldaten, die diese Republik schützen sollen, müssen sich klar von dieser staatsfeindlichen Ideologie abgrenzen. Es darf kein Aufweichen dieses Grundkonsenses geben. Das ist unsere historische Verantwortung.“
„Gibt es ein NS-Wiederbetätigungsgesetz oder nicht? In Deutschland gilt hier eine Null-Toleranz-Politik, er wäre heute nicht mehr Soldat", meint Wehrsprecher Laimer. "Wiederbetätigung muss ein Ausschlussgrund für Soldaten aus dem Bundesheer sein. Wenn das keine rote Linie ist, was dann? Verteidigungsministerin Tanner hat dazu Stellung zu beziehen, in so einem Fall kann man sich nicht ausschweigen.“
Grüne und Neos gegen Nazis beim Heer
Prinzipielle Zustimmung zu dem SP-Vorstoß kommt vom Grünen Wehrsprecher David Stögmüller: "Wer wegen Wiederbetätigung verurteilt wird, hat im Staatsdienst nichts verloren. Wir unterstützen den Vorschlag und schauen uns an, was dann auf dem Tisch liegt." Problematisch sei, dass "die Gerichte oft knapp an die Grenze herangehen".
Trotz Amtsmissbrauchs im Dienst geblieben
Ein Beispiel ist etwa die aus dem Ruder gelaufene Klima-Demo von Linksextremen, bei der ein Polizist absichtlich einen festgenommenen Aktivisten der Gewaltanwendung beschuldigte. Wegen Falschaussage und Amtsmissbrauchs wurde er zu zwölf Monaten verurteilt - und durfte im Dienst bleiben.
„Neonazis haben im Österreichischen Bundesheer nichts verloren. Das Verteidigungsministerium kann derartige Umtriebe nicht immer schulterzuckend hinnehmen und seine Verantwortung auf die Strafgerichte abschieben, sondern muss endlich entschlossen durchgreifen", wettert Neos-Wehrsprecher Douglas Hoyos. "Wenn das Dienstrecht das nicht hergibt, muss es geändert werden.“ Auch Hoyos will eine parlamentarische Anfrage zum KURIER-Bericht einbringen.
Update um 11.20 Uhr - Das Urteil wurde jedenfalls am Donnerstag aus dem offiziellen Rechtsinformationssystem (RIS) des Staates gelöscht - und ist nun nicht mehr einsehbar. Der Grund: Im Urteil stand der volle Name des Soldaten.
Update um 11.50 Uhr - Statement von Verteidigungsministerin Klaudia Thanner (ÖVP) eingetroffen.
Bezugnehmend auf das aktuell diskutierte Disziplinarerkenntnis der Bundesdisziplinarbehörde stellt das BMLV klar, dass erstens im BMLV eine Null-Toleranz-Politik bei Rechtsextremismus gelebt wird und dass immer alle rechtlich möglichen Maßnahmen ergriffen werden, um gegen Fälle von politischem Extremismus vorzugehen - so auch in diesem Fall. Der Betroffene wurde unverzüglich von seiner Tätigkeit entbunden und wird in einer nicht militärischen Funktion im Rahmen seines Beamtendienstverhältnisses verwendet. Das Bundesministerium unterliegt als öffentlicher Arbeitsgeber den Bestimmungen des Beamtendienstrechts sowie den Entscheidungen von Gerichten.
Verteidigungsministerin Klaudia Tanner dazu: „Für mich gibt es bei diesem Thema Null Toleranz! Dabei genügt das bloße Abarbeiten der Fälle durch juristische Maßnahmen keinesfalls. Wir müssen die Bewusstseinsbildung der Soldaten fördern und das tun wir bereits mit diversen Projekten. Trotz flächendeckender Führungsmaßnahmen in Form von Dienstaufsichten und Schulungen und der damit verbundenen Förderung und Verstärkung der Bewusstseinsbildung kommt es leider immer wieder zum Fehlverhalten Einzelner - gegen die wir mit voller Härte und mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln vorgehen! Besonders als Mitglied der Österreichischen Freunde von Yad Vashem habe ich für so ein unglaubliches Fehlverhalten überhaupt kein Verständnis.“
Update um 12.10 Uhr - Klaus Hartmann, Leiter der Bundesdisziplinarbehörde, verteidigt das Urteil und verweist auf den "Gesamtkontext". Der Soldat sei unterhaltspflichtig und der Vertreter des Dienstgebers hätte keinen Einwand gehabt. Man müsse "die Kirche im Dorf lassen". Außerdem müsste für eine Entlassung Einstimmigkeit herrschen, auch der Dienstnehmervertreter. Sonst müsste dafür das Gesetz ändern. "Ich kann keine Anormalität erkennen", sagt Hartmann und meint, es habe sich um einen "Narren" gehandelt. Eine härtere Strafe würde die nächsten Instanzen kaum halten.
Update um 12.15 Uhr - Das Verteidigungsministerium erklärt, dass der Betroffene nur mehr im Innendienst tätig ist.
Update um 18.30 Uhr - Der Abgeordnete Laimer bringt eine weitere parlamentarischen Anfrage ein, um zu klären, wieso das Urteil gelöscht worden ist. Offiziell heißt es, es sei die Adresse des Soldaten lesbar gewesen.
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