Die Teuerungen, der Ukraine-Krieg und die Pandemie setzen vielen Menschen zu – einige machen ihrem Ärger auf der Straße Luft. Seit Monaten wird vor einem „heißen Herbst“ gewarnt. Wie heiß kann es wirklich werden?
Beim Lokalaugenschein des KURIER am Heldenplatz sind trotz Nieselregen zirka 1.000 Menschen bei der Demo dabei. Viele tragen Österreich-Fahnen, um ihren Nationalstolz zu zeigen. Auf der Bühne spricht jemand vom Great Reset, den „die da oben“ bis 2030 umsetzen wollen. Das ist eine Verschwörungstheorie, die behauptet, dass die Weltelite eine neue Weltordnung anstrebe und die Corona-Pandemie der geplante Startschuss dafür gewesen sei. Es gibt tosenden Applaus. Dann kommt Burundi zur Sprache, wo es nur 38 Corona-Tote gab, weil die Krankheit mit dem medial bekannten Entwurmungsmittel Ivermectin behandelt worden sei. Fakt ist: In Österreich sind drei Menschen nach der Einnahme gestorben. Das Medikament wird bei Pferden eingesetzt.
Und dass Afrika von der Pandemie weniger stark betroffen war, hat laut Experten andere Gründe als das Ivermectin. Dort sind die Gesellschaften weniger mobil und es gibt weniger internationale Reisende. Die in großen Teilen des Landes warme Witterung tut ihr Übriges und trotzdem wurde Afrika nicht vom Virus verschont.
Der Redner ist übrigens nicht irgendein unbekannter Verschwörungstheoretiker, sondern der FPÖ-Abgeordnete zum Nationalrat Gerald Hauser.
„Problematisch“
Dass ein Politiker öffentlich Verschwörungstheorien verbreitet, ist ein Problem, sagt Jakob-Moritz Eberl von der Uni Wien. Er beschäftigt sich wissenschaftlich mit dieser Szene. „Wenn gewählte Politiker bei solchen Veranstaltungen sprechen, wirken die Themen für die Teilnehmer legitimiert.“
Der KURIER hat bei der FPÖ angefragt, wie man auf solche Reden aus den eigenen Reihen reagiert – die Bundespartei steht dahinter. Der Abgeordnete Hauser beschäftige sich intensiv mit den Mechanismen, die während der Corona-Krise zu politischen Maßnahmen und Entscheidungen geführt haben. Aus internen Kreisen ist zu hören, dass Teile der Partei mit solchen Reden nicht glücklich sind und Hauser lieber nicht mehr zu den Parteifreunden zählen würden.
Jung, männlich, rechts
Bei der Demo sieht man auch Russland-Flaggen. Die Menschen hier glauben nicht, dass Putin der Kriegstreiber ist, sondern die USA. Und auch Minderheiten werden angegriffen. Vor dem Museum für angewandte Kunst macht der Demo-Zug Halt. Auf dem Gebäude ist die Regenbogenflagge gehisst. „Für die natürliche Familie aus Mann und Frau“, brüllt ein Demonstrant und zündet eine Rauchkanone.
Er ist der Prototyp der Corona-Leunger, wie Eberl erklärt: „Wir haben in einer Befragung herausgefunden, dass es eher jüngere Menschen und eher Männer sind, die die Demos unterstützen. Der Bildungsgrad hat keinen großen Einfluss, aber es sind Menschen, die politisch eher rechts sind.“ Dass die Bewegung eine Gefahr für die Demokratie darstellen kann, oder es einen „heißen Herbst“ geben wird, glaubt der Experte nicht: „Demokratien müssen so etwas aushalten. Das Demonstrationsrecht ist wichtig. Aber man muss wachsam bleiben. Es wird zum Beispiel gefährlich, wenn Journalisten oder andere Gruppen angegriffen werden. Wenn diese Sicherheit nicht mehr gegeben ist, kann es zu einem Problem für die Demokratie werden.“
Hier finden Sie den Podcast zur Corona-Leugner-Demo.
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