Lebenslange Haft für Amokfahrer
Regungslos, wie acht Prozesstage lang, nimmt Alen R. zu Kenntnis, dass er gerade wegen dreifachen Mordes und 108-fachen Mordversuches verurteilt worden ist.
"Ich habe aus Angst gehandelt", wiederholt er seine Version einer Entschuldigung für die Amokfahrt durch Graz. Dann wird er abgeführt.
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Minuten später weiß Verteidigerin Liane Hirschbrich nach einem kurzen Gespräch mit R. auch nur eines zu sagen: "Das Einzige, das ihn interessiert hat, ist, ob er jetzt in Graz bleiben kann."
Gerade einmal zwei Stunden lang beraten die Geschworenen Donnerstagabend, was mit dem 27-Jährigen zu geschehen hat. Die Staatsanwaltschaft beantragt ja nur, R. in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher einzuweisen: Die beiden Gerichtspsychiater Peter Hofmann und Jürgen Müller erklären R. nämlich für schizophren.
Wahnsystem
Doch die Laienrichter hören in dem Verfahren auch zwei weitere Gutachter. Psychiater Manfred Walzl attestiert R. zwar eine Persönlichkeitsstörung, aber die habe mit Schizophrenie und Paranoia nichts zu tun. "Amoktäter versuchen, ihren darniederliegenden Selbstwert durch eine extreme Gewalttat wieder herzustellen", überlegt er. Hass und Wut auf die Gesellschaft treibe sie an. "Das vereint sich oft mit dem Wunsch, Bedeutung und Berühmtheit zu erlangen."
Und dann ist da noch Psychologin Anita Raiger: Sie ist die letzte Vertreterin der Gutachter, die die Geschworenen in dem Verfahren hören, nur wenige Stunden, bevor sie sich zur Beratung zurückziehen. Raiger zeichnet ein drastisches Bild des 27-Jährigen: Kaltherzig, berechnend, gefühllos, doch dabei überdurchschnittlich intelligent.
Seltener Vorgang
Tatsächlich, die Überraschung geschieht die Geschworenen gehen vom Antrag der Staatsanwaltschaft ab und erklären R. einstimmig für zurechnungsfähig. Sie nehmen ihm die Geisteskrankheit nicht ab und beantworten so die immer wieder von Richter Andreas Rom gestellte Frage auf ihre Weise: "Spielt R. uns was vor?"
Das gab es in der österreichischen Prozessgeschichte erst ein einziges Mal, 1982 in Wien. Damit wird aber R.s Verurteilung samt Strafe möglich: lebenslange Haft. Verteidigerin Hirschbrich meldet Nichtigkeitsbeschwerde an.
In einem Punkt folgen die Laienrichter den Gutachtern aber doch: Gleichzeitig mit der Verurteilung folgt die Einweisung in die Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher. Denn R. sei ein "hochgefährlicher Mensch" mit hoher Rückfallgefahr, mahnt auch Raiger am Vormittag. Sie bringt als Erste ein Computerspiel als Vergleich: "Da gibt es ein beliebtes Spiel, das Egoshooter-Elemente mit Rennspielen verbindet. Da fährt man mit einem Auto durch eine Stadt und fährt Passanten nieder."
Alen R. passt das alles nicht. "Ich bin nicht gefährlich. Das war nicht absichtlich", behaupet er und sitzt weiterhin regungslos da. Auch, als die Psychologin erläutert, dass sie den Amoklauf für geplant gehalten habe. Denn R. wählte einen öffentliche Raum und ein Auto, die zweithäufigste Waffe von Amoktätern übrigens.
Hassgedanken
Das passe in das Schema bekannter Amokläufe des deutschen Sprachraumes: Es ginge um Macht und mediale Aufmerksamkeit der Täter. "Sie sind narzisstisch, haben generalisierte Hassgedanken." Die Tat selbst würde durch Kränkungen ausgelöst: R. sei sein Gewehr abgenommen worden, die Frau ins Frauenhaus geflüchtet - drei Wochen vor der Fahrt.
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