Amokfahrer-Prozess in Graz: "Ich habe mich verfolgt gefühlt"

Alen R. am Dienstag vor Gericht
Alen R. steht ab heute vor Gericht. Er hat bei einer Amokfahrt durch Graz drei Menschen getötet und mehr als 100 verletzt. R.: "Ich habe gedacht, die Leute würden ausweichen." Der KURIER berichtete live.

Am Dienstag hat im Grazer Straflandesgericht der Prozess gegen Alen R. begonnen. Er soll im Juni vorigen Jahres bei seiner Amokfahrt durch die Innenstadt drei Menschen getötet und viele verletzt haben. Der Besucherandrang war weniger groß als erwartet, planmäßig gingen die Plädoyers von Staatsanwaltschaft und Verteidigung sowie die Befragung des Beschuldigten und erster Zeugen über die Bühne.

>> Hier geht's direkt zu den Einträgen des Live-Blogs

Die Staatsanwaltschaft hat deshalb einen Antrag auf Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingebracht. Das Geschworenengericht unter Vorsitz von Richter Andreas Rom hat in der Verhandlung über eine Einweisung zu entscheiden. (Warum er nicht wegen Mordes angeklagt wird, erfahren Sie im Detail hier.)

Amokfahrer-Prozess in Graz: "Ich habe mich verfolgt gefühlt"
ABD0036_20160920 - GRAZ - ÖSTERREICH: ZU APA0119 VOM 20.9.2016 - Der Gerichtszeichner vor Beginn des Prozesses am Dienstag, 20. September 2016, im Straflandesgericht in Graz. Alen R. hat am 20. Juni 2015 während einer Amokfahrt mit seinem Auto in der Grazer Innenstadt 3 Menschen getötet und rund 100 Personen verletzt. - FOTO: APA/ERWIN SCHERIAU/APA-POOL - ProzessAmokfahrtGraz56984

Vor dem Straflandesgericht waren Sperrgitter aufgestellt worden, doch von einem Besucheransturm konnte keine Rede sein. Alle erhielten ihre Eintrittskarten und konnten im Schwurgerichtssaal oder bei der Übertragung in einen zweiten Saal dabei sein. Obwohl Fotografieren erlaubt war, war auch diesmal wie schon bei den Jihadisten-Prozessen ein Gerichtszeichner am Werk.

Die Eröffnungsplädoyers waren knapp, zwei Staatsanwälte und Verteidigung fanden mit insgesamt 23 Minuten ihr Auslangen. Staatsanwalt Rudolf Fauler schilderte noch einmal die Wahnsinnsfahrt vom 20. Juni, die nur wenige Minuten dauerte, aber "für viele Menschen eine Zäsur darstellte". R. raste "mit bis zu 80 km/h durch die Herrengasse", wobei sein Geländewagen zahlreiche Personen erfasste. Eine Frau und ein vierjähriger Bub waren sofort tot, ein Fußgänger war bereits zu Beginn der Fahrt niedergemäht und getötet worden. Ein weiteres schwerverletztes Opfer war einige Monate später an Herzversagen gestorben, was aber laut Staatsanwaltschaft nichts mit der Tat zu tun hatte.

Amokfahrer-Prozess in Graz: "Ich habe mich verfolgt gefühlt"
ABD0017_20160920 - GRAZ - ÖSTERREICH: Der Angeklagte Alen R. vor Beginn des Prozesses am Dienstag, 20. September 2016, im Straflandesgericht in Graz. Alen R. hat am 20. Juni 2015 während einer Amokfahrt mit seinem Auto in der Grazer Innenstadt 3 Menschen getötet und rund 100 Personen verletzt. - FOTO: APA/ERWIN SCHERIAU/APA-POOL - ProzessAmokfahrtGraz56984

Der zweite Staatsanwalt, Hansjörg Bacher, erklärte den Geschworenen in erster Linie das Problem mit den unterschiedlichen psychiatrischen Gutachten, von denen zwei R. als nicht zurechnungsfähig eingestuft hatten, während ihm ein Sachverständiger Zurechnungsfähigkeit bescheinigte. Auch Verteidigerin Liane Hirschbrich betonte, es gehe in diesem Verfahren nur um die Frage der Zurechnungsfähigkeit.

Richter Rom meinte, er sei "verwundert" über das überaus gepflegte Aussehen des mutmaßlichen Amokfahrers, der von Kopf bis Fuß in Weiß erschienen war und keinen Bart, dafür aber eine Brille trug. Im Laufe der Verhandlung erzählte er immer wieder, dass seine Frau ihn zuhause eingesperrt habe und er selbst ein "sehr ruhiger Mensch" sei. Warum seine mittlerweile geschiedene Ehefrau mit den beiden Kindern ins Frauenhaus geflüchtet war, konnte er aber nicht sagen.

Amokfahrer-Prozess in Graz: "Ich habe mich verfolgt gefühlt"
Video Graz Amokfahrt Amokläufer Alen R.

Grund für die Wahnsinnsfahrt sei "ein Schuss" gewesen, den niemand sonst gehört hatte. "Ich war in Panik und wollte zur Polizei", schilderte er. Dass er dabei Menschen überfahren habe, sei ihm nicht bewusst gewesen, "weil die Leute sowieso ausweichen." Die Zeugen - unter ihnen der Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP), gaben an, R. sei gezielt auf Passanten und Radfahrer zugefahren. Nagl beschrieb, dass die Opfer "wie Puppen auf dem Gehsteig" gelegen seien.

Amokfahrer-Prozess in Graz: "Ich habe mich verfolgt gefühlt"
ABD0015_20160920 - GRAZ - ÖSTERREICH: Der Angeklagte Alen R. vor Beginn des Prozesses am Dienstag, 20. September 2016, im Straflandesgericht in Graz. Alen R. hat am 20. Juni 2015 während einer Amokfahrt mit seinem Auto in der Grazer Innenstadt 3 Menschen getötet und rund 100 Personen verletzt. - FOTO: APA/ERWIN SCHERIAU/APA-POOL - ProzessAmokfahrtGraz56984
Doch der 27-Jährige sah sich selbst als Opfer. Seine Angaben variierten schon am ersten Verhandlungstag stark, einmal war es der Schuss, der ihn erschreckt hatte, dann wollte er seinen Schwiegervater in der Stadt gesehen haben und war nur bestrebt, vor ihm zu flüchten. "Er wollte mich erschießen", erzählte er plötzlich. "Das ist neu", sagte einer der Opferanwälte.

Im Vergleich zum vorgespielten Video der Einvernahme am Tag nach der Tat wirkte Alen R. wesentlich gedämpfter, er sprach mit hoher, leiser Stimme. Seine Anwältin brachte die vielen Tabletten ins Spiel, die er angeblich wegen seiner Rückenschmerzen nehmen muss. Bereits im Juli 2015 schrieb er, er sei eher für die Krankenanstalt geeignet als für das Gefängnis. Derzeit wird er in der Grazer Nervenklinik Sigmund Freud verwahrt.

Der Prozess wird am Mittwoch um 9.00 Uhr fortgesetzt. Am Vormittag sind die ersten Gutachter - Gerichtsmediziner, Verkehrssachverständiger, Toxikologe - am Wort, am Nachmittag sollen weitere Zeugen gehört werden.

Bei dem Prozess sind 130 Zeugen geladen, darunter auch drei psychiatrische Sachverständige und andere Gutachter. Der Amokfahrer-Prozess ist für neun Tage anberaumt.

Mehr zum Thema:

Amokfahrer-Prozess in Graz: "Ich habe mich verfolgt gefühlt"

Der KURIER berichtete live - der Ticker zur Nachlese:

LIVE

Amokfahrer-Prozess in Graz: "Ich habe mich verfolgt gefühlt"

  • |Stefan Hofer

    Der erste Prozesstag geht zu Ende. Richter Rom vertagt auf Mittwoch, 9 Uhr. KURIER-Reporterin Elisabeth Holzer wird auch morgen wieder vor Ort sein und für Sie berichten.

  • |Stefan Hofer

    Die nächste Frage stellt die Psychologin: "Wenn der Schwiegervater die Verfolger geschickt hat - warum haben Sie dann nicht ihn niedergefahren?"

    Alen R.: "Ich hab' mir erst im Gefängnis darüber Gedanken gemacht."

  • |Stefan Hofer

    Strafverteidigerin Liane Hirschbrich: "Welche Tabletten und Spritzen bekommen Sie in der Justizanstalt Göllersdorf?"

    Alen R.: "Drei bis vier am Tag. Wegen der Rückenschmerzen. Es geht mir gesundheitlich schon viel besser."

  • |Stefan Hofer

    Gutachter Müller (Universitätsprofessor für forensische Psychatrie und Psychotherapie in Götttingen): "Haben Sie auf der Fahrt auch Bedroher gesehen?"

    Alen R.: "Ich weiß es nicht. Aber es kann nur der Schwiegervater schuld sein. Ich habe seine Person gesehen. Er hat meiner Frau gesagt, sie soll im Frauenhaus bleiben, damit sie nicht überfahren wird."

  • |Daniela Wahl

    Psychiater Peter Hofmann fragt: "Haben Sie eine psychische Krankheit?"

    Alen R.: "Konzentrationsschwierigkeiten. Es klopft keiner mehr an mein Fenster, weil ich im Gefängnis bin."

    Hofmann: "Haben Sie abgenommen? Wollten Sie im Gefängnis nicht essen, aus Angst, vergiftet werden?"

    R.: "Ich habe jetzt 80 Kilo, früher 90. Ich habe am Anfang nicht gewusst, wer mich vergiften will, aber jetzt ist der Appetit besser geworden."

  • |Stefan Hofer

    Jürgen Müller, der dritte Gutachter aus Deutschland - quasi der Obergutachter, dessen Expertise den Ausschlag im Richtung Unzurechnungsfähigkeit gab - ist am Wort: "Sie haben Schüsse gehört und Zeichen gesehen. Sie hatten auch den Eindruck, vergiftet zu werden."

    Alen R.: "Leute haben Steine an mein Fenster geworfen. Ich weiß nicht, warum. Meine Ehefrau hat versucht, mich zu vergiften. Ich hatte nach dem Essen immer Bauchschmerzen."

     

  • |Daniela Wahl

    Die Psychologin ist am Wort: "Sie haben gesagt, Männer haben Sie verfolgt. Warum sind Sie dann auf eine Frau losgegangen und stechen Sie nieder?"

    Alen R.: "Sie stand bedrohlich neben meinem Auto. ich habe sie nicht erkannt. Das ging so schnell vorüber."

  • |Stefan Hofer

    Die Zeugeneinvernahmen sind für heute beendet. Nun stellen die Sachverständigen Fragen an Alen R.

    Psychiater Manfred Walzl (er ist der einzige der drei Psychiater, der R. als zurechnungsfähig einstufte): "Ich nehme zu Kenntnis, dass Sie bei Rot an der Ampel stehen geblieben sind und bei Grün weiterfahren. Wie geht das, Herr R., wenn Sie in Panik sind? Und wo waren die Personen, vor denen Sie sich gefürchtet haben? Wo waren diese Männer?"

    Alen R.: "Beim Griesplatz. Dort habe ich Schüsse gehört."

     

  • |Daniela Wahl

    Ein weiterer Zeuge ist am Wort - ein junger Radfahrer, der auf der Brücke unterwegs war, als R. an ihm vorbeifuhr.

    "Das Fahrzeug hat die Straße verlassen und ist auf den Gehsteig geschwenkt. Ich hab mich an das Brückengeländer gedrückt und bin von dem Auto nicht getroffen worden. Ich hab Angst gehabt, dass ich zwischen Geländer und Auto eingequetscht werde."

  • |Stefan Hofer

    Der nächste Zeuge, ein Buslenker (R. stand mit seinem Auto vor ihm; es geht immer noch um die ersten Opfer in der Zweiglgasse, Griesplatz): "Er ist gezielt auf die Leute zugefahren. Zuerst hat er bei der roten Ampel gehalten und bei grün ist er dann los, sogar mit Blinker. Er ist da sicher 15, 20 Sekunden vor mir gestanden."

  • |Daniela Wahl

    Nächster Zeuge: Der Mann beobachtetete vom Auto aus (Zweiglgasse in Richtung Griesplatz), wie die ersten Opfer, Adis und seine Frau, überfahren wurden:

    "Er hat mich zweimal geschnitten, dann bei der grünen Ampel noch einmal. Dann ist er sofort nach links und hat die beiden Passanten auf dem Gehsteig überfahren. Dann ist er weiter, mein Eindruck war, er hat eine Autobombe, weil er in Richtung Synagoge gefahren ist."

  • |Daniela Wahl

    Die nächste Zeugin wird aufgerufen. Sie wurde am 20. Juni von dem Betroffenen, der aus dem Auto gestiegen war, in der Grazbachgasse mit einem Messer attackiert - ebenso wie ihr Mann.

    "Wir sind vom Einkaufen gekommen. Auf einmal haben wir einen Krach gehört. Und dann sind wir von einer Straßenseite auf die andere geworfen worden. Wir haben nicht verstanden, warum er das getan hat. Und dann hat er uns noch mit einem Messer attackiert."

  • |Daniela Wahl

    Alen R. wird aus dem Gerichtssaal gebracht - die Ehefrau des ersten Opfers will ihre Aussage nicht in seiner Anwesenheit machen.

    Adisa D. (Ehefrau des ersten Todesopfers Adis D.), selbst schwer verletzt: "Ich kann mich nur daran erinnern, dass wir einkaufen waren und dann bin ich in einem Spital aufgewacht. Ich war zwei Monate im Krankenhaus, vier Monate in der Reha-Klinik. Es war entsetzlich schwer, ich konnte zwei Monate nicht gehen. Es war ein physischer und seelischer Schmerz. Ich bin mit Plänen nach Österreich gekommen. Ich muss jetzt von Null starten. Dieser Mensch hat uns alles vernichtet."

  • |Daniela Wahl

    Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP) beginnt seine Aussage: Er war mit der Vespa in der Zweiglgasse unterwegs und sah R. auf die ersten Opfer zufahren. Adis D. wurde dort getötet. "Ich habe einen unglaublich lauten Knall gehört, sogar durch meinen Helm durch. Ich habe die beiden Personen gesehen, die überfahren worden sind. Die Personen lagen wie Puppen auf den Gehsteigen. Dieses Fahrzeug ist dann mit unglaublicher Geschwindigkeit weitergefahren und hat noch einmal beschleunigt. Mein zweite Gedanke war, das kann ja nicht sein, Fahrerflucht. Und dann hab ich gesehen, wie er weiter auf andere zufährt. Er ist dann rechts an mir vorbei auf dem Gehsteig. Ich bin froh, dass ich nach links ausgewichen bin, sonst würde ich heute hier nicht mehr aussagen können. Ich habe dann bald gewusst, das wird leider einer der schwersten Tage meines Lebens und meiner politischen Laufbahn."

    "Hatten Sie den Eindruck, dass er Sie gezielt angesteuert hat?", fragte Staatsanwalt Rudolf Fauler. "Bei mir weiß ich es nicht, bei den anderen schon", antwortete der Zeuge.

    Es gibt kaum Nachfragen. Der Bürgermeister darf den Saal wieder verlassen.

  • |Daniela Wahl

    Die Verhandlung hat wieder begonnen. Der Betroffene hat vor der Richterbank Platz genommen - die Handschellen wurden ihm abgenommen. Gleich beginnt die Befragung der Zeugen.

  • |Daniela Wahl

    Bald geht es weiter, in der Zwischenzeit haben wir noch die wichtigsten Fragen und Antworten zum Amokfahrer-Prozess für Sie zusammengetragen. Mehr dazu lesen Sie hier.

  • |Stefan Hofer

    Mahlzeit. Ab 13 Uhr soll es weitergehen, dann schon mit Zeugen - unter anderen der Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl.

  • |Daniela Wahl

    AMOKFAHRT IN GRAZ: PROZESSAUFTAKT Foto: APA/ERWIN SCHERIAU/APA-POOL

    Aktuelles Bild aus dem Gerichtssaal: Die Staatsanwälte Hansjörg Bacher und Rudolf Fauler

  • |Daniela Wahl

    Einzige Frage der Verteidigerin:

    "Wurden Sie in der Justizanstalt Göllersdorf nach Ihrem Religionsbekenntnis gefragt? Was haben Sie geantwortet?"

    R.: "Römisch-katholisch."

  • |Daniela Wahl

    AMOKFAHRT IN GRAZ: PROZESSAUFTAKT Foto: APA/ERWIN SCHERIAU/APA-POOL

    Aktuelles Bild aus dem Gerichtssaal: Staatsanwalt Rudolf Fauler und Liane Hirschbrich, die Verteidigerin des Angeklagten.

  • |Stefan Hofer

    Staatsanwalt Hansjörg Bacher: "Wollten Sie ein Zeichen setzen? Wollten Sie mit Bomben und Granaten ins Gefängnis fahren? Wollten Sie in die Geschichte eigehen?"

    R.: "Im Nachhinein hab' ich gedacht, besser ins Gefängnis gehen als erschossen zu werden."

     

  • |Daniela Wahl

    Eine Geschworene will wissen, warum R. ein Messer bei sich hatte. "Das war zur Abwehr, ich hatte immer Angst. Mir haben Leute gedroht. Aber das war nur ein kleines Taschenmesser."

    Die beisitzende Richterin hinterfragt die Sache mit der verlorenen Kontrolle über den SUV. "Sie sind Autohändler. Glauben Sie wirklich, dass es glaubhaft ist, zu sagen, Sie kennen sich mit Autos nicht aus?"

    R.: "Das war ein Schaltgetriebe. Ich fahre sonst nur Automatik."

  • |Stefan Hofer

    Alen R. ändert seine Aussagen ständig, berichtet KURIER-Reporterin Elisabeth Holzer aus Graz: Fahrfehler, keine Erinnerung mehr, Kontrolle über Auto verloren, verfolgt zunächst von Islamisten, dann Bosniern, dann türkischer Mafia. Heute spricht er davon, dass "der Schwiegervater" ihn verfolgt habe.

    Richter Rom dazu: "Sie ändern Ihre Verantwortung wie manch anderer seine Unterbekleidung."

     

  • |Daniela Wahl

    Der Richter konfrontierte Alen R. mit Videos der Amokfahrt, auf denen zu sehen ist, dass R. einige Menschen offenbar gezielt anvisiert hat. Er beteuerte immer wieder, er habe nur flüchten wollen. Auf den Videos sah man, dass er immer wieder direkt auf Passanten zugefahren ist. "Sie sagen, Sie sind kein geübter Fahrer. Ich habe eher den gegenteiligen Eindruck, mit so einem schweren Fahrzeug in einem so engen Radius zu wenden ist nicht einfach".

    Vorgespielt wurde auch ein Video von der Einvernahme am 21. Juni 2015, einen Tag nach der Tat. Damals war er weit weniger zuvorkommend und höflich als bei der Verhandlung nun ein Jahr später, sondern weigerte sich sogar, den Namen seiner Frau zu nennen. "Weil mir das alles auf die Nerven geht", sagte er damals. Mit den Frauen - er war zwei mal verheiratet - habe es "immer nur Stress gegeben."

  • |Stefan Hofer

    Richter Rom zitiert aus dem Protokoll vom 23.6.2015. Darin wurde R. gefragt, ob er Mitgefühl für die Opfer empfinde. R. sagte damals: "Was soll ich dazu sagen? Ich bin nicht schuld. Schuld sind die, die mich verfolgt haben. Das ist so, als steht man auf einer Treppe und wird von jemand anderem hinuntergestoßen und reißt dabei jemanden mit, der sich verletzt. dann ist auch der schuld, der geschupft hat."

    Richter Rom: "Da ist keine Reue, keine Entschuldigung, das geht mir ab."

    R.: "Ich hab schon mehrmals gesagt, es tut mir leid. Ich möchte fragen, ob ich mich nach jeder Zeugenaussagen entschuldigen darf."

    Beisitzende Richterin: "Was empfinden Sie heute?"

    R.: "Trauer, dass mir solche Sachen vorgeworfen werden."

     

  • |Stefan Hofer

    Richter Rom: "Heute machen Sie einen freundlichen Eindruck, sind ruhig und gefasst. Aber das ist meines Erachtens nicht ihr richtiges Wesen. Was ist Ihr wahres Wesen? Der zynische Alen R. aus den Einvernahmen bei der Polizeiärztin?"

  • |Daniela Wahl

    Aktuelle Bilder aus dem Gerichtssaal:

    AMOKFAHRT IN GRAZ: PROZESSAUFTAKT Foto: APA/ERWIN SCHERIAU/APA-POOL

     

    AMOKFAHRT IN GRAZ: PROZESSAUFTAKT Foto: APA/ERWIN SCHERIAU/APA-POOL

     

    AMOKFAHRT IN GRAZ: PROZESSAUFTAKT Foto: APA/ERWIN SCHERIAU/APA-POOL

  • |Daniela Wahl

    R. sagt, er habe vor ihm bekannten Verfolgern flüchten wollen. Richter Rom: "Ist Ihnen der vierjährige Valentin bekannt vorgekommen? Oder Michalea S.? Oder Adis D.? Das sind die drei Todesopfer."

    Im Video der Polizeieinvernahme spricht R. davon, dass er "hier wie ein Hund behandelt werde". "Wenn man bedroht wird, wie ein Hund lebt, so einen Stress hat, dann kann man gleich ins Gefängnis gehen."

    Richter Rom: "Hier schließt sich der Kreis. Sie sagen, man wird hier wie ein Hund behandelt. Sie wollten zeigen, dass Sie trotzdem Macht haben."

    Das Einvernahmeprotokoll vom 21.6.2015 korrigierte R. handschriftlich. Richter Rom: "Das ist für mich ein Zeichen, dass Sie zumindest da gut bei Sinnen waren."

  • |Daniela Wahl

    Zu seinem Prozess im Straflandesgericht ist der mutmaßliche Amokfahrer von Graz am Dienstag komplett in Weiß und ohne Bart erschienen:

    AMOKFAHRT IN GRAZ: PROZESSAUFTAKT Foto: APA/ERWIN SCHERIAU/APA-POOL

    AMOKFAHRT IN GRAZ: PROZESSAUFTAKT Foto: APA/ERWIN SCHERIAU/APA-POOL

  • |Daniela Wahl

    Plötzlich zieht der Richter einen Konnex zu einem der Grazer IS-Prozesse: Im Überwachungsprotokoll des Telefons eines selbsternannten Predigers taucht auch Alen R. auf - dieser Prediger wurde heuer zu acht Jahren (nicht rechtskräftig) verurteilt.

    Alen R. dazu: "Kann sein, dass der ein Auto wollte." In der Moschee dieses Predigers sei er nie gewesen.

    Dass IS-Kämpfer zu "Tötungen der Ungläubigen" in Einkaufsstraßen aufrufen und auf seiner FB-Seite ein Bild Mohammed M.s gepostet wurde, habe ihn "nicht inspiriert. Ich kenne den gar nicht. Diese Leute sind mir zu streng, deswegen bin ich Christ."

  • |Daniela Wahl

    Richter Andreas Rom ist am Wort: "Der 29. Juni hat für mich den Eindruck: Es war der schrecklichste Tag Ihres Lebens. Beruflich nicht erfolgreich. Sie wohnen bei den Eltern, die Ehe ist bereits in die Brüche gegangen, Frau und Kinder sind weg, die neue Liebschaft erscheint nicht ... Sie sind unglücklich mit der Welt  Dann rasen Sie durch Graz, um der Gesellschaft zu zeigen: Ich, Alen R., habe dennoch Macht. Täusche ich mich?"

    Alen R.: "Das war nicht so. Ich hatte ein erfülltes Leben."

  • |Stefan Hofer

    In der Grazbachgasse stieg Alen R. aus und attackierte ein Paar mit einem Messer: "Ich konnte im Fahrzeug nicht bleiben, weil ich Angst hatte, erschossen zu werden."

    Richter: "Was passiert, wenn man jemanden zusammenfährt?"

    R.: "Verletzungen."

    Richter: "Kann der auch sterben?"

    R.: "Das hätte ich nicht gewusst."

    Richter: "Das nehme ich ihnen nicht ab. Das nimmt ihnen nicht einmal die Verteidigerin ab."

    R.: "Wenn man 100 fährt vielleicht. Aber die Leute sind sowieso ausgewichen."

  • |Daniela Wahl

    R: "Ich habe die Kontrolle über das Fahrzeug verloren. Ich hab nicht so viel Erfahrung mit Autos und lenken. Meine Ehefrau hat mich nirgends hingelassen. Da bin ich eingerostet beim Autofahren."

    Jetzt wird ein Video der Fahrt gespielt.

  • |Stefan Hofer

    Jetzt ist Alen R. am Wort: "Wieso hätte ich so was machen sollen? Ich hätte ja meine eigenen zwei Kinder an jeder Ecke überfahren können."

    Er wollte ein Mädchen in Graz treffen, sagt Alen R.

    "Aber die war nicht da. Da hab' ich vermutet, da wollte mich wer reinlegen. Dann hab' ich Schüsse gehört und habe Panik gekriegt. Ich hab' gedacht, mein Herz steht still. Aber an mehr kann ich mich nicht erinnern."

  • |Daniela Wahl

    Verteidigerin Hirschbrich: "Warum übernimmt eine Anwältin so einen Fall? Die Antwort liegt in den Grundrechten der westlichen Demokratie. Dazu gehört das Recht auf ein faires Verfahren."

  • |Stefan Hofer

    Staatsanwalt Hansjörg Bacher über den Antrag: "Jemand, der nicht zurechnungsfähig ist, kommt nicht ungeschoren davon. Das Gesetz sieht vor, dass so ein Täter in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen werfen kann."

    An die Geschworenen gerichtet: "Sie entscheiden, Sie sind die Richter."

  • |Stefan Hofer

    Staatsanwalt Fauler weiter: "Es gibt keinen Anhaltspunkt für Auftraggeber oder Mittäter [...] Er sagt, es könne sein, dass er Fußgänger versehentlich erwischt habe. Aber die Art und Weise, das gezielte Fahren, das Auslenken, das lässt nur einen Schluss zu: er hat gewusst, was er tut."

     

  • |Stefan Hofer

    Staatsanwalt Rudolf Fauler: "Wer ist dieser Alen R.? Er kam als Vierjähriger aus Bosnien nach Österreich, in seiner Heimat tobte der bekannte Krieg. Seit 2002 ist er Österreicher, im Oktober 2014 gab es eine Vorstrafe wegen Beleidigung, nachdem ihm im Juni zuvor sein Gewehr mit 1.000 Schuss Munition abgenommen worden ist."

    "Und dann kam der 20.6.2015, der für viele Leute eine Zäsur darstellt."

  • |Stefan Hofer

    Alen R. wird vorgeführt. Er trägt einen weißen Anzug, weiße Schuhe, Brille. Er lässt sich fotografieren und filmen, verdeckt sein Gesicht nicht. Der Richter fragt ihn nach seinen persönlichen Daten: Kinder, Ehefrau, Geburtsort.

    Richter: "Haben Sie Vorstrafen?"

    Alen R.: "Nur eine Verhandlung gab es, sie wissen, wie das mit Nachbarn ist, bei einer Bauverhandlung waren das Beleidigungen..."

  • |Daniela Wahl

    Es geht demnächst los: Verteidigerin Liane Hirschbruch ist laut KURIER-Reporterin Elisabeth Holzer bereits eingetroffen, die Staatsanwälte Hansjörg Bacher und Rudolf Fauler sitzen auch schon im Saal, die Geschworenen ebenfalls.

  • |Daniela Wahl

    136 Zeugen sollen im Laufe des Prozesses gehört werden, dazu kommen noch sieben Sachverständige. Prominentester Zeuge ist der Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP), der damals mit seinem Motorroller unterwegs war und im letzten Moment ausweichen konnte, als der Amokfahrer mit seinem Auto auf ihn zusteuerte.

  • |Daniela Wahl

    Der Prozessbeginn verschiebt sich laut unserer Steiermark-Reporterin um 15 Minuten: Alen R.s Verteidigerin verspätet sich.

  • |Daniela Wahl

    Es ist ein Geschworenenprozess unter der Leitung von drei Berufsrichtern, der gegen den 27-Jährigen geführt wird; acht Laienrichter entscheiden. Dem Beschuldigten wird vorgeworfen, bei seiner Amokfahrt am 20. Juni 2015 drei Menschen - zwei Erwachsene und ein Kind - getötet zu haben, indem er "mit hoher Geschwindigkeit und gezielt" auf sie zufuhr.

  • |Daniela Wahl

    Der Schwurgerichtssaal musste umgebaut werden: Die Rampe für Rollstuhlfahrer ist neu - einige Opfer sitzen als Folge der Amokfahrt im Rollstuhl.

    Amokfahrer-Prozess, Graz, Alen R., Grazer Straflandesgericht Foto: KURIER/Elisabeth Holzer

  • |Daniela Wahl

    Momentan ist noch alles ruhig, berichtet KURIER-Reporterin Elisabeth Holzer. Der Zuschauersaal mit 62 Plätzen füllt sich langsam, es sind noch keine Verteidiger anwesend.

    Die Zuhörer interessiert vor allem eines: "Redet er? Wie gibt er sich?"

  • |Daniela Wahl

    Vor dem Grazer Straflandesgericht hat sich um 8 Uhr Früh bereits eine lange Schlange gebildet:

    Prozess, Amokfahrer, Alen R., Grazer Straflandesgericht Foto: KURIER/Elisabeth Holzer

  • |Daniela Wahl

    Guten Morgen aus dem Newsroom!

    Heute beginnt in Graz der Prozess gegen jenen Mann, der am 20. Juni 2015 bei einer Amokfahrt durch Graz drei Menschen getötet und mehr als 100 verletzt hat. KURIER-Redakteurin Elisabeth Holzer ist vor Ort, wir berichten von Graz und Wien aus via Newsblog.

Kommentare