Warum Alen R. nicht wegen Mordes angeklagt ist

Der Große Schwurgerichtssaal in Graz.
Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Prozess.

Am 20. Juni des Vorjahres raste Alen R. durch die Grazer Innenstadt, tötete dabei drei Menschen und verletzte über hundert Menschen, 36 davon schwer. Angeklagt ist er allerdings nicht wegen dreifachen Mordes, sondern die Staatsanwaltschaft beantragte lediglich die Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher.

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Warum hat die Staatsanwaltschaft keine Anklage wegen Mordes erhoben?

Bevor die Anklage gegen Alen R. erstellt war, wurde er hinsichtlich der Frage begutachtet, ob er zurechnungsfähig – und damit straffähig - ist. Weil sich die ersten beiden Gutachten widersprachen, musste ein dritter Gutachter beauftragt werden. Er hielt Alen R. für unzurechnungsfähig. Ein unzurechnungsfähiger Mensch ist nicht schuldfähig, deshalb darf er für seine Taten nicht bestraft werden. Die Staatsanwaltschaft entschied sich deshalb, von einer Anklage wegen dreifachen Mordes und 110-fachen versuchten Mordes abzusehen und eine Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher zu beantragen. Das hätte sie allerdings nicht tun müssen, erklärt der Strafrechtsprofessor Helmut Fuchs: "Die Gutachten sind für die Staatsanwaltschaft nicht bindend." Es wäre allerdings für die Staatsanwaltschaft schwer zu argumentieren gewesen, hätte sie sich nicht an die Einschätzung der Experten gehalten.

Warum dann überhaupt ein Prozess?

Die Geschworenen haben mehrere Dinge zu entscheiden, am wichtigsten natürlich: Hat Alen R. die Tat begangen? Sowie: Folgen sie dem Antrag der Staatsanwaltschaft, ihn in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher einzuweisen? Aber auch: Halten sie den Angeklagten auch für zurechnungsfähig?

Die Geschworenen können also anders entscheiden als die Gutachter und die Staatsanwaltschaft?

Ja. Die Gutachter werden im Zuge des Prozesses ebenfalls befragt, die Geschworenen können auch entscheiden, dass Alen R. zurechnungsfähig ist. Sie würden sich also über die Einschätzung der Gutachter und der Staatsanwaltschaft hinwegsetzen - und können Alen R. auch als Schuldfähigen wegen Mordes verurteilen.

Was bedeutet eine Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher?

Alen R. würde im so genannten Maßnahmenvollzug landen. Das bedeutet, Alen R. wird angehalten, bis er geheilt und keine Gefahr mehr für die Allgemeinheit ist. Darüber entscheidet wiederum ein Gutachter, die erste Überprüfung seines Zustandes findet nach einem Jahr statt.

Alen R. könnte also nach einem Jahr wieder frei sein?

Theoretisch ja, praktisch ist das nahezu ausgeschlossen. Insassen im Maßnahmenvollzug werden eher länger als kürzer angehalten, weil Gutachter bei der Entlassung eher zurückhaltend sind.

Wie lange könnte Alen R. angehalten werden?

Die Einweisung gilt potenziell lebenslang. Die Geschworenen haben auch noch eine weitere Möglichkeit: Sie halten Alen R. für zurechnungsfähig, stufen ihn aber dennoch als geistig abnorm ein. Dann bekommt er eine Strafe, wird nach Ablauf dieser Strafe aber in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.

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