Grazer Amokfahrt: Verschwörungstheorie "eine dünne Suppe"

Alen R. kommt stets weiß gekleidet ins Gericht
Auch nach Beginn des Amokfahrt-Prozesses werden Gerüchte über "vertuschten Anschlag" wiederholt.

Alen R.s weiße Kleidung genügte. Weil Muslime auf dem Hadsch nach Mekka auch weiß trügen, sei das eindeutig ein Hinweis auf einen von Polizei, Justiz und Medien gemeinsam vertuschten islamistischen Hintergrund der Grazer Amokfahrt. So tönte es im Internet-Blog des ehemaligen Presse-Chefredakteurs Andreas Unterberger, der just einen Tag nach Prozessbeginn online ging.

Noch Fragen?

Sicher, betont Medienhistoriker Fritz Hausjell. "Erinnern Sie sich an den Schweizer Moderator, dem in Deutschland Vergewaltigung vorgeworfen wurde?" Was trug der Mann danach bei einem seiner ersten Auftritte vor den Medien? - Weiß. "Mit Fakten, Daten, Zahlen lässt sich Verschwörungstheorien entgegenwirken", betont Medienexperte Peter Plaikner, gesteht aber zu: "Wer daran glauben will, lässt sich auch damit nicht überzeugen."

Kratzer an Integrität

Für die Justiz sind die im Internet kursierenden und in dem jüngsten Blog erneut verbreiteten Gerüchte aber problematisch, weil sie an ihrer Integrität kratzen: "Lügenkonstrukt", "Schmiere" und "Manipulation" wird vor allem der Staatsanwaltschaft Graz in Bezug auf die Ermittlungen zur Amokfahrt vorgeworfen.

Das erfolgt mit ein paar süffisant hingeworfenen Brocken: Keine Mordanklage, verzögertes Verfahren (angeblich wegen der Präsidentschaftswahlen) in Summe ein "absurdes Behördenkonstrukt". Das erinnere an die "Schmiere" rund um die Causa Kampusch.

Christian Pilnacek, zuständiger Sektionschef im Justizministerium, ist hörbar empört: "Mich ärgert am meisten der Vorwurf der Schmierenkomödie. Aber gegen Verschwörungstheorien ist kein Argument gewachsen." Pilnacek verweist auf Handfestes: Der Ermittlungsakt hat tausend Seiten. Es gibt sieben Gutachten, darunter ein psychologisches und drei psychiatrische. 136 Zeugen wurden und werden in dem auf zehn Tage anberaumten Prozess noch befragt. "Es ist seriös gearbeitet worden", versichert Pilnacek. "Es gab und gibt keinen Hinweis auf irgendeinen terroristischen Hintergrund. Das stärkste Argument ist für mich, dass auch nie ein Bekenner aufgetaucht ist."

Sechs IS-Verfahren

Apropos Grazer Staatsanwaltschaft und Gericht: Sechs IS-Prozesse wurden hier heuer durchgeführt. Gerade dieser Behörde vorzuwerfen, islamistisch motivierten Extremismus vertuschen zu wollen, sei absurd, ärgert sich Pilnacek: "Graz hat Österreichs größte Dschihadisten-Verfahren abgewickelt. Etwa gegen einen Prediger, für den sich in Wien niemand interessiert hat", erinnert er an den Prozess gegen Mirsad O. alias Ebu Tejma, der (nicht rechtskräftig) 20 Jahre Haft bekam.

Eine einzige Verbindung zu einem der IS-Prozesse legte der Richter im Verfahren gegen Alen R. selbst offen: Es gab einen Anruf eines Grazer IS-Predigers auf R.s Mobiltelefon. Alles andere sei bloß Spekulation, betont Pilnacek.

Medienhistoriker Hausjell mahnt, Verschwörungstheoretikern gegenüber anders aufzutreten. "Man sollte den Spieß umdrehen und sagen: Legt Beweise vor. Alles, was ihr habt, ist nur eine dünne Suppe, zusammengehalten aus Gespinsten."

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