Ischgl-Bericht: "Panikreaktionen bei den Gästen"

Scharfe Kritik der Kommission an Corona-Krisenmanagement. Kanzler Kurz kommt wegen Quarantäne-Ankündigung nicht gut weg.

Ischgl-Kommission: Versagen vom Bürgermeister bis zum Kanzler

Der Bericht der unabhängigen Expertenkommission von Ex-OGH-Vizepräsident Ronald Rohrer zum Tiroler Corona-Management wurde mit Spannung erwartet - und tatsächlich: Er blättert sämtliche Missstände im Corona-Krisenmangement  in Ischgl, in der Bezirkshauptmannschaft Landeck und dem Land Tirol minutiös auf.

Kein Druck

Allerdings rückt Rohrer einen immer wiederkehrenden Vorwurf zurecht: Es habe keinerlei Hinweise gegeben, dass die Tiroler Behörden von wirtschaftlicher oder politischer Seite unter Druck gewesen seien. Das zielt auf das Gerücht, Sperren seien verzögert worden, um die Skisaison nicht allzu früh beenden zu müssen. "Dafür hat es keine Anhaltspunkte gebene", hält Rohrer jedoch am Montag fest.

Dennoch, der  Grundtenor des 300 Seiten dicken Berichts ist deutlich: "Es kam im Bezirk zu folgenschweren Fehleinschätzungen", rügt die Kommission, auch wegen "des großen Zeitdrucks und des Arbeitspensums". Sie habe "verspätet gehandelt", macht Rohrer klar.

Quarantäne "ohne Vorbereitung"

Heftig fällt die Kritik der Experten auch an den Bundesbehörden auf, speziell Kanzleramt und Gesundheitsministerium. So sei die Ankündigung der Verhängung der Quarantäne  über das Paznauntal sowie St. Anton "durch den österreichischen Bundeskanzler überraschend und ohne Bedachtnahme auf die notwendige substanzielle Vorbereitung" erfolgt, rüffelt die Kommission. Es habe an Kommunikation mit den zuständigen Behörden gefehlt - und überhaupt hätte Kanzler Sebastian Kurz die Quarantäne ohne "unmittelbare Zuständigkeit" angekündigt.

"Kontrolliertes Abreisemanagement" fehlte

Das hatte Folgen: "Es kam zu Panikreaktionen von Gästen und Mitarbeiter", beschreibt Vorsitzender Rohrer. "Die Gäste sind teilweise noch mit den Skischuhen zum Auto. Leihski wurden in die Eingänge von Geschäften geworfen."

Es  sei auch ein Fehler gewesen, vorzeitig die Errichtung von polizeilichen Checkpoints bekannt zu machen, kritisiert Rohrer. Ebenso nicht zu kommunizieren, dass ausländische Gäste gestaffelt die Region verlassen könnten. Dazu wäre ein "kontrolliertes Abreisemanagement" zu planen und umzusetzen gewesen: "Die missverständliche Ankündigung des Bundeskanzlers hätte für die Verantwortlichen der Bezirkshauptmanschaft Landeck Anlass sein müssen, sofort im Wege der Tourismusverbände dahingehend zu informieren, dass die Abreise der ausländischen Gäste nicht sofort, sondern gestaffelt und kontrolliert über das Wochenende erfolgen kann und muss."

Zu spät geschlossen

Dass der Skibetrieb erst für 12. März veranlasst wurde, sei aus "epidemiologischer Sicht falsch" gewesen: Bereits spätestens am 9. März sei dies zu verordnen gewesen - wäre der Infektionsverlauf "richtig eingeschätzt" worden, heißt es im Bericht.

Kurz zur Ischgl-Kritik „Die Entscheidungen waren stets abgestimmt"

"Schonungsloser Bericht"

Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) gestand nach der Kritik am Krisenmanagement durch die Kommission durchaus Fehler ein.  "Insbesondere am Beginn der Pandemie  wurden auch fachliche Fehleinschätzungen getroffen, die man heute anders treffen würde", kommentierte der Landeschef. "Ich habe immer gesagt, dass bei einer weltweiten Pandemie niemand von sich behaupten kann, alles richtig gemacht zu haben. Vor allem am Beginn der Virusausbreitung haben sich weltweit die epidemiologischen Einschätzungen ständig verändert. Heute wissen wir bereits viel mehr."

Ihm sei "weltweit kein Land bekannt, das jetzt schon einen schonungslosen Bericht über das Krisenmanagement vorliegen hat – und daraus nun für die weitere Bekämpfung der Pandemie lernen kann". Beim ersten schnellen Durchlesen zeige der Bericht, dass die Behörden bei einer noch nie dagewesenen Krisensituation ein enormes Arbeitspensum bewältigt hätten. "Der Bericht zeigt auch auf, dass viele Dinge gut gelaufen sind und mutige, richtige Entscheidungen wie etwa die Beendigung der Wintersaison getroffen wurden, womit ein Gästewechsel verhindert werden konnte."

Kommentare