Entscheidungsjahr in Vorarlberg: Die letzte grüne Bastion
Ein grünes Quartett aus Spitzenpolitikern pflanzt sich neben einem Biotop nahe Lustenau auf. Hinter Vorarlbergs Umweltlandesrat Daniel Zadra und seinem Vorgänger, dem nunmehrigen Gesundheitsminister Johannes Rauch, erstreckt sich ein breiter Landschaftsgürtel, der sich durch das Rheintal zieht.
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Dass ein Teil dieser riesigen Naturzone von einer Schnellstraße, über die seit Jahrzehnten diskutiert wird, durchschnitten werden könnte, ist für die beiden undenkbar. Für die ÖVP führt an einer Verbindung zwischen Rheintalautobahn und Schweiz hingegen kein Weg vorbei.
Besagte S18 wird im Auer Ried von keinem der Politiker in den Mund genommen. Auch nicht von Vize-Kanzler Werner Kogler, der gemeinsam mit Justizministerin Alma Zadić an diesem Donnerstag am Rande der Eröffnung der Festspiele in Bregenz ebenfalls angeradelt ist, um für "Bodenschutz“ zu trommeln.
Profil schärfen
Aber der symbolisch aufgeladene Ort ist kein Zufall. Profil schärfen ist angesagt. Und das gilt für Landes- wie Bundes-Grüne. Im Herbst 2024 stehen plangemäß die Nationalrats- und die Vorarlberger Landtagswahlen an. In Wien wie in Bregenz regieren die Grünen als Juniorpartner der ÖVP. Es wird also einen wahltechnischen Paarlauf geben.
Im Bund erscheint eine Fortsetzung von Türkis-Grün so gut wie ausgeschlossen – atmosphärisch wie auch mit Hinblick auf notwendige Mehrheiten. Für Vorarlberg zeigt sich Johannes Rauch, der Schwarz-Grün 2014 und 2019 mit ÖVP-Landeshauptmann Markus Wallner paktiert hat, überzeugt, dass die Partnerschaft die Wahl überleben wird: "Ich glaube das absolut, ich halte das für ein Erfolgsprojekt. Vor allem ist es eine Allianz der Vernünftigen."
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In Vorarlberg steht für die Grünen viel am Spiel, es ist ihre letzte Regierungsbastion auf Länderebene. Mitte der 2010er-Jahre war die Partei zwischenzeitlich in sechs Koalitionen vertreten. Keine einzige überdauerte zwei Regierungsperioden.
Diese Regel auf den Kopf zu stellen, wird die Aufgabe von Daniel Zadra sein. "Sehr viele Vorarlberger wünschen sich eine intakte Wirtschaft in einem guten Ökosystem. Ich bin sicher, dass Schwarz-Grün für die Zukunft ein gutes Angebot darstellt", sagt der 38-Jährige.
"Rückenwind"
Er ortet dafür "Rückenwind aus der Wirtschaft. Die brauchen internationale Fachkräfte und wollen sich nicht rechtfertigen, wer in der Regierung sitzt", spielt er auf Schwarz-Blau an, das bereits in Salzburg, Ober- und Niederösterreich den Ton angibt.
2019 schloss Landeshauptmann Wallner im Nachklang der Ibiza-Affäre eine Koalition mit der FPÖ aus. Deren Chef Christof Bitschi hatte wiederum selbst, als er die Partei 2018 übernommen hat, eine Koalition mit der "Wallner-ÖVP" ausgeschlossen.
Das Macht-Gen der ÖVP
Dass derartige Festlegungen rasch Schnee von gestern sein können – auch in Vorarlberg – ist aber auch Zadra klar: "Ich kenne das Macht-Gen der ÖVP. Sie macht fast alles, um an der Macht zu bleiben."
Vor einem Jahr wäre der schwarze Machtfaden beinahe gerissen und hing am grünen Regierungspartner. Die ÖVP wurde von der Wirtschaftsbundaffäre erfasst. Ging es zunächst um nicht bezahlte Steuern für Inserateneinahmen aus der Zeitung der Teilorganisation, berichteten plötzlich Unternehmer, wie sie zu Schaltungen genötigt wurden. Dass die Landespartei aus den prall gefüllten Kassen des Wirtschaftsbunds Hunderttausende Euro für ihre Wahlkämpfe erhielt, war bald darauf ebenfalls Thema.
ÖVP-Chef Wallner war bemüht, die Affäre von sich fernzuhalten, sah sich aber letztlich sogar mit einem Misstrauensantrag der Opposition konfrontiert. Zuvor hatten die Vorarlberger Nachrichten über anonym gegen den Landeshauptmann erhobene Vorwürfe berichtet, wonach er um Inserate für das Wirtschaftsbundblatt geworben und dafür politische Gefälligkeiten in Aussicht gestellt habe.
➤ Mehr zum Thema: Ermittlungen eingestellt
Dass Wallner an jenem Tag, an dem bekannt wurde, dass die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) gegen ihn ermittelt, sich über die Löschung der Daten auf seinen Dienstgeräten informierte, veranlasste Zadra – damals erst wenige Monate im Amt – zu einer Meldung über die Vorgänge bei der Anklagebehörde.
Den Misstrauensantrag unterstützten die Grünen aber nicht. Dennoch heißt es bis heute in der ÖVP, dass die Meldung an die WKStA "für das Vertrauen in den Koalitionspartner nicht gerade förderlich war“. Der grüne Frontmann sieht das pragmatisch: "Ich habe juristisch und politisch das Richtige gemacht." Die Sacharbeit funktioniere, im Herbst werde man etwa ein Paket zum leistbaren Wohnen vorlegen.
"Das hat sich bewährt"
"In der Koalition läuft die Arbeit gut. Das ist ein ordentliches Arbeitsverhältnis", sagt auch Wallner zum KURIER. Die Ermittlungen gegen ihn sind eingestellt. Darüber, ob der Landeshauptmann noch einmal in die Wahl zieht, wird dennoch spekuliert. "Ich trete im kommenden Jahr als Spitzenkandidat der Volkspartei an. Das ist fix", sagt hingegen er und meint zu Schwarz-Grün: "Das hat sich bewährt, das hat funktioniert."
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