Die neuen Staatsfeinde: BVT ermittelt gegen Corona-Demonstranten
"Wir spazieren. Und wir werden immer mehr!": Sie nennen sich Querdenker, Fairdenker oder Corona-Querfront. Sie demonstrieren gegen die Corona-Maßnahmen, verbreiten Verschwörungstheorien, attackieren die Regierung. Allein am vergangenen Wochenende wurde in mehreren Landeshauptstädten marschiert. Die größte Demo fand in Wien mit rund 2.000 Teilnehmern statt. Masken und Mindestabstände? Davon keine Spur.
Der Kern der Gruppierung ist überschaubar. Doch immer mehr Sympathisanten nehmen an den "Spaziergängen" teil. Die Mobilisierung ist in Zeiten der sozialen Medien das kleinste Problem: Die Szene sammelt sich in Telegram-Messenger-Gruppen und auf Facebook. Und hier wird der Ton so rau, dass jetzt auch das Bundesamt für Verfassungsschutz warnt. Konkret wird wegen staatsfeindlicher Verbindung ermittelt.
"Niederbrennen!"
Es sind Nachrichten wie diese, die das steigende Gewaltpotenzial zeigen: "Wir müssen etwas unternehmen. Hinaus zum Bürgerkrieg. Polizei-Stationen angreifen, ihnen die Waffen entziehen und direkte Anschläge auf die Regierung und Freimaurer-Logen. Niederbrennen und die Reichen Hur... plündern!"
Andere Teilnehmer fragen, ob man denn die Adresse von Bundespräsident Alexander Van der Bellen kenne – man möchte ihm einen Hausbesuch abstatten.
Zudem wird dazu aufgerufen, Regierungsgebäude anzuzünden oder ins Parlament einzudringen. Ein weiteres Feindbild ist der ORF.
Die Verfassungsschützer sehen eine besorgniserregende Radikalisierung. Und sie streichen die Verbindungen zu Rechtsextremen hervor, die "von Anfang an als Förderer und Unterstützer auftraten". So wurde der verurteilte Neonazi Gottfried Küssel mehrfach bei derartigen Demos gesehen. Sein direktes Umfeld soll auch selbst Kundgebungen organisieren. "Rechtsextreme Gruppierungen sind die treibenden Kräfte der Leugner der Corona-Pandemie. Dagegen werden wir mit aller Konsequenz vorgehen – in enger Abstimmung mit den deutschen Behörden", sagt Innenminister Karl Nehammer (ÖVP).
Auch die Identitären haben die Corona-Leugner und -Maßnahmenkritiker als ideales Sammelbecken entdeckt. Ein deutscher Sympathisant des österreichischen Identitären Martin Sellner hatte vor wenigen Tagen Mordaufrufe gegen Polizisten und ihre Familien online gestellt, nachdem Polizisten Corona-Maßnahmen durchgesetzt hatten.
Die Nähe der Szene zu Rechtsextremen ist nicht neu. "Sie nutzen jede Gelegenheit, auf die Straße zu gehen. Sie springen dabei auf einen fremden Zug auf, um diesen Zug auf rechte Gleise zu lenken. Zugleich wird die Esoterik-Schiene von rechtsextremen Milieus als Brücke benutzt, um neue Personenkreise anzusprechen", sagt Historiker Andreas Peham vom Dokumentationsarchiv.
Am vergangenen Wochenende posierten vermummte "Demonstranten" auch vor dem Hitler-Geburtshaus in Braunau. "Eine Demonstration in Braunau ist kein Problem. Aber vor diesem Gebäude mit teils gestrecktem rechtem Arm zu posieren, das geht nicht", sagt Polizeisprecher David Furtner. Es laufen Ermittlungen nach dem Verbotsgesetz.
Die nächsten Kundgebungen sind bereits in Planung. So soll in Wien am 16. Jänner am Heldenplatz demonstriert werden – eine nächste Gratwanderung für die Exekutive. Die Versammlungsfreiheit ist ein Grundrecht. "Toleranz gehört zu den tragenden Säulen einer demokratischen Gesellschaft. Sie darf aber nicht als Schutzschirm für Radikale missbraucht werden", sagt Nehammer. Der Generaldirektor für öffentliche Sicherheit sei damit beauftragt, die Versammlungen genau zu prüfen und alle rechtlichen Möglichkeiten für eine Untersagung auszuschöpfen.
Die Macht der Bilder
Auflösungen von Demos sind heikel. Und sie könnten Bilder produzieren, die den Corona-Kritikern in die Hände spielen, meint Psychologin Ulrike Schiesser von der Sektenstelle: "Ein hartes Eingreifen der Polizei könnte kontraproduktiv sein. Verschwörungstheoretiker warten auf Bilder, auf denen die Polizei Demonstranten wegschleift – darin sehen sie eine Bestätigung, dass sie ihre Bürgerrechte verlieren. Sie sagen dann: Jetzt zeigt der Staat sein wahres Gesicht."
Zuletzt war die Exekutive mit Maßnahmen zurückhaltend. So hat die Wiener Polizei die Kundgebung am Heldenplatz am Sonntag zwar aufgelöst, dann aber zwei unangemeldete Demonstrationszüge durch die Stadt begleitet. Drei Personen wurden angezeigt, weitere Teilnehmer sollen ausgeforscht werden.
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