Causa Ibiza: "Da hat für mich die Hölle begonnen"
Die Ermittlungen rund um das Ibiza-Video waren kein Ruhmesblatt für die österreichischen Strafverfolger. Zwei ehemalige Geschäftspartner des „Ibiza-Detektivs“ Julian Hessenthaler galten lange als Mittäter, gegen Edis Selmanovic wurde das Verfahren erst kürzlich eingestellt. Nun zieht er einen Schlussstrich unter dieses Kapitel.
KURIER: Wie sind Sie eigentlich in die Ermittlungen reingeschlittert?
Edis Selmanovic: Gert Schmidt vom Online-Magazin EU-Infothek hat mich beauftragt, Informationen zu sammeln. Man schleust sich in ein System ein, zapft es an, holt sich Informationen. Für mich war es einfach, weil Julian Hessenthaler und Slaven K. (Anmerkung: weiterer Beschuldigter) ehemalige Kollegen bzw. Mitarbeiter waren. Mein Vorteil war, dass K. sehr offen mit mir über alles gesprochen hat und dadurch konnte ich direkt in diesen ganzen Informationskreis. Verdächtiger im Akt war ich dann, weil meine Informationen sehr detailliert waren. Der Staatsanwalt dachte, das kann nur bedeuten, dass ich selbst dabei war.
Sie wussten vorher nichts von dem Video?
Ich habe zwei, drei Tage vor Veröffentlichung von K. die Information bekommen: „He, der Julian hat ein Video verkauft.“ Ich habe mitbekommen, dass diese Herren in einen komplett anderen Kreis abgebogen sind. Als Familienmensch schaust du, dass du dich so schnell wie möglich aus diesem Kreis rausreißt.
Ihr ehemaliger Kollege Sascha Wandl (Ex-Detektiv) hat Sie in Interviews mit Medien belastet.
Da hat für mich die Hölle begonnen. Aber die Schuld liegt bei den ermittelnden Beamten. Die Wandl-Interviews waren Ende Mai oder Anfang Juni. Ich wurde am 19. November 2019 verhaftet. Da wurde schon monatelang ermittelt.
Gert Schmidt hat Ihnen 55.000 Euro für Informationen bezahlt. Warum?
Das war ein Teilbereich, den ich kassiert habe. Und natürlich habe ich den Informanten finanziell gefüttert. Du bekommst keine Info ohne Fütterung der Informanten. Das sind Profis. Und aus diesem Auftrag hat sich für mich dann ein weiteres interessantes Projekt entwickelt. Ich habe für die Spielerinfo von Schmidt in den vergangenen zwei Jahren die größten Erfolge erzielt. Das Video war nur ein kleiner Zweig.
Ging es um Ermittlungen gegen illegales Glücksspiel?
Ja. Ich habe da sehr viel geleistet.
Sie arbeiten jetzt gar nicht mehr als Detektiv?
Nein. Das war auch keine Detektivarbeit.
Wie bezeichnen Sie es dann?
Wir waren verdeckte Ermittler. Aber keine Detektive.
Seit wann kennen Sie Hessenthaler? Seit wann haben Sie zusammengearbeitet?
Wir kennen uns sicher schon zehn Jahre. Gerade in der Wiener Schickeria wurde ich gebeten, dass wir uns treffen, dass er mich mit jemandem bekannt macht.
Er ist politisch nicht interessiert. Julian verkauft sich gerade. Er kommt nicht aus der gehobenen Gesellschaft. Also seine Sekretärinnen waren durchwegs Prostituierte. Julian kommt ursprünglich aus dem Milieu. Ich möchte Julian nicht schlecht reden. Ich war nicht dabei. Aber Julian ist auch nicht das, was er von sich behauptet.
Nein. Wirklich nicht.
Haben Sie sich die Sky-Serie angeschaut zu Ibiza?
Nein. Ich habe ein paar Ausschnitte gesehen. Ich mag den Ofczarek (Nicholas; Schauspieler), der den Hessenthaler darstellt. Das ist sehr authentisch.
Würden Sie aus heutiger Sicht so einen Auftrag wieder annehmen?
Nein. Ich würde nie auf dieser Ebene einen Job annehmen, auf Staatsebene. Mich in die Politik einmischen. Das Land, wo ich herkomme, Bosnien, da wird mit solchen Personen ganz anders umgegangen.
Glauben Sie, Hessenthaler würde das Video wieder machen?
Wenn es so ausgeht wie jetzt, eher nicht.
Wie war es für Sie in U-Haft? Was ist Ihnen durch den Kopf gegangen?
Mein erster Gedanke, als sie mich abgeholt haben, war: Also von unten fängt’s an. Es war halb fünf in der Früh, ich habe gerade Espresso getrunken. Ich sagte: Wirklich? Ihr wollt’s mich jetzt mitnehmen? Dann dachte ich: Die Personen um mich herum haben eine sehr starke Verbindung zu verschiedenen Ministerien. Hat mich da jemand auffliegen lassen? Ich weiß ja, wozu die Leute fähig sind. Auf der anderen Seite habe ich Stärke verspürt. Es waren Rechtsanwälte da. Mein Umfeld war organisiert. Ich hatte Geld am Konto, Kleidung. Trotzdem hast du gemerkt, welcher Justizwachebeamte ein richtiger HC-Strache-Fan war. Ich habe es abbekommen.
Wie?
Wörtlich: „Du Arschloch, du grindiges. Schleich dich da rein.“ Du merkst, wenn du eine Kleinigkeit falsch machst, dann scheppert es.
Kennen Sie den Lockvogel?
Nein, kenne ich nicht. Ich hätte ihn sehr gerne präsentiert. Ich hätte dafür eine sehr gute Prämie bekommen. Ich habe vieles versucht. Deshalb fand ich es witzig, zu lesen, ich hätte die Frau ausgebildet und ausgesucht.
Welche Konsequenzen hatte das Video für Sie persönlich?
Ich lebe mit meiner Familie in einer kleinen Gemeinde in Salzburg. Wir waren sehr integriert. Man hat sich wohlgefühlt. Das Video war ein Cut. Wenn ich jetzt zum Sportplatz runtergehe, merke ich … es ist nicht mehr dieses „Herzlich willkommen“ wie zuvor. Aber wir wollen trotzdem bleiben. Es ist wunderschön dort. Wir fühlen uns wohl.
Zur Person
Edis Selmanovic wurde 1981 in Bihac, Bosnien, geboren. Im Alter von acht Jahren kam er nach Österreich und absolvierte hier nach der Volksschule die Handelsschule
Lange Zeit war der Bosnier im Vertrieb von Finanzprodukten tätig. 2009/2010 lernte er Sascha Wandl kennen, er arbeitete in der Folge als leitender Angestellter für dessen Sicherheitsfirma „Die Gruppe Sicherheit“. Diese ging 2016 in Konkurs.
Danach war er laut eigenen Angaben freier Mitarbeiter und Partner von Hessenthaler bei der Münchner Detektei Konsic. Heute restauriert Selmanovic mit Leidenschaft VW Transporter und unterhält eine Immobilienfirma
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