Neue AMS-Chefin: "Teilzeit ist eine Falle und ein Knick in der Karriere"
Iris Schmidt übernimmt mit 1. Mai die Geschäftsführung des Arbeitsmarktservice (AMS) Oberösterreich. Sie folgt Gerhard Straßer nach. Die 50-Jährige ist ledig und Mutter einer 23-jährigen Tochter.
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„Ich bin das klassische Beispiel einer berufsbegleitenden Karriere“, erzählt sie. Sie ist in Leonding und St. Florian bei Linz aufgewachsen und hat die HTL abgebrochen.
Es folgte eine Lehre als Kosmetikerin. Sie wechselte in die Branche der Autovermietung und machte bei Europcar eine Lehre als Bürokauffrau. Mit der Geburt ihrer Tochter 2003 wollte sie umsatteln.
Im Februar 2004 hat sie ihre Laufbahn im AMS gestartet. Berufsbegleitend absolvierte sie die Studienberechtigungsprüfung und das Studium Internationale Beziehungen an der Donauuniversität Krems mit Masterabschluss.
KURIER: Was ist für Sie die größte Herausforderung?
Kurzfristig die starke Nachfrage nach Arbeitskräften. Es geht darum, die Menschen rasch ins Unternehmen zu bringen, und die Unternehmen darauf vorzu bereiten, dass sie bei den Zusagen nicht zu lange warten. Es ist Geschwindigkeit auf beiden Seiten gefragt.
Es geht stark in Richtung Kompetenzorientierung, die formale Qualifikation ist nachrangig. Es ist oft nicht entscheidend, ob die Bewerber die neue Aufgabe können, sondern ob die Grundbausteine da sind, auf denen man aufbauen kann. Das ist einerseits eine große Chance, andererseits eine große Herausforderung, weil sich die Ansprüche verändert haben. Auch von den Arbeitnehmern.
Was muss ein Unternehmen heute bieten, damit ein Arbeitnehmer kommt?
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, dem Arbeitnehmer entgegenzukommen. Zum Beispiel bei den Arbeitszeiten. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollen bei den Arbeitszeiten individuelle Regelungen finden, wenn die Möglichkeiten gegeben sind.
Es geht auch stark um das Klima im Unternehmen. Fühlen sich Arbeitnehmer willkommen? Es sind nicht nur das Gehalt, die Arbeitszeit und die Arbeitsbedingungen, die zählen, sondern auch das Arbeitsklima. Es ist ein Gesamtpaket. Die Menschen lassen sich auch nicht mehr blenden. Die besten Werber für das Unternehmen sind die eigenen Mitarbeiter.
Viele Arbeitnehmer wollen Teilzeit arbeiten. Warum?
Es gibt viele Gründe. Zum Beispiel Betreuungspflichten (Kinderbetreuung, Pflege von Angehörigen). Es ist für manche leistbar, Teilzeit zu arbeiten. Es gibt welche, die sich fragen, was sie sich erarbeiten können, worauf sie sparen können. Sie verzichten lieber auf das eine oder andere und haben dafür mehr Freizeit.
Bei manchen ist es tatsächlich so, dass Mehrarbeit tatsächlich nicht gesund ist. Keiner dieser Gründe ist falsch oder schlecht. Fragwürdig ist Teilzeitarbeit, wenn man eine Vollkaskomentalität vertritt.
Teilzeit heißt, dass man weniger verdient ...
... und dass man weniger in die Systeme einzahlt. Was heißt das für die Pension und für die Arbeitslosenversicherung? Wenn weniger ins System einbezahlt wird, bekommt man auch weniger raus. Man muss sich überlegen, ob sich das dann finanziell ausgeht.
Corona war nicht hilfreich. Da haben viele weniger gearbeitet, weil sie dazu gezwungen worden sind. Kurzarbeit, Arbeitslosigkeit, ganz Branchen hatten zugesperrt. Sie haben von hundert auf null fahren müssen. Das wieder in die andere Richtung zu bringen, ist nicht einfach. Viele wollen das nicht mehr.
Arbeitsminister Martin Kocher möchte mehr Teilzeitarbeitskräfte motivieren, auf Vollzeit aufzustocken. Was ist dafür notwendig?
Die Anzahl der unselbstständig Beschäftigten ist massiv gestiegen. Von 2008 auf 2002 um 100.000, auf über 700.000. 100.000 ist die Einwohnerzahl von Wels und Steyr zusammen. Aber die Anzahl der Arbeitsstunden ist wegen des hohen Teilzeitanteils nach unten gegangen.
Es braucht mehrere Maßnahmen, um die Teilzeit zu reduzieren. Wenn man zum Beispiel im Handel um drei Stunden mehr arbeitet, braucht man möglicherweise eine Kinderbetreuung. Diese kostet mehr als der zusätzliche Verdienst. Und wer betreut die Kinder in den Ferien?
Müsste man die Arbeitnehmer nicht steuerlich stärker entlasten, damit ihnen mehr netto vom brutto bleibt?
Man muss sich in Zeiten wie diesen überlegen, ob man hier nicht mehr entgegenkommt. Dann müsste man auch jenen entgegenkommen, die Vollzeit arbeiten. Es muss mehr bleiben. Wir sehen auch, dass Arbeitnehmer schon vor dem Pensionsantrittsalter aus dem Arbeitsmarkt ausscheiden. Gerade auch Frauen, die Abstriche bei der Pension in Kauf nehmen.
Oder sie arbeiten nur mehr wenige Teilzeitstunden, weil sie sich es leisten können. Es ist alles ausfinanziert, das Haus, die Wohnung, die Ausbildung der Kinder.
Frauen verdienen immer noch um bis zu einem Drittel weniger als Männer. Was muss sich ändern?
In der Privatwirtschaft gibt es durchaus Unterschiede. Bei uns im Unternehmen werden Frauen und Männer gleich bezahlt. Trotzdem haben wir einen Gender-Pay-Gap. Das hängt mit den anrechenbaren Vordienstzeiten, den Karenzzeiten zusammen. Eine Frau, die in Karenz war, hat einen Nachteil gegenüber einem Mann. Die Karenzzeiten werden zwar jetzt angerechnet, aber die Frage ist, wie lange jemand zu Hause bleibt. Diese Zeiten sind ein Teil von Gender-Pay-Gap.
Teilzeit ist eine Falle?
Ja, das ist sie. Wer Teilzeit arbeitet, hat weniger. Das bedeutet weniger Arbeitslosengeld, weniger Pension, aber es ist auch eine Falle, ein Knick in der Karriere. Der Anteil der Teilzeitarbeitskräfte ist bei den Frauen wesentlich höher. Pflege und Betreuung sind nach wie vor weiblich.
Dazu kommt, dass manche Branchen wie körpernahe Dienstleistungen, der Handel oder die Gastronomie niedriger dotiert sind. Sie sind meist mit Frauen besetzt. Die Aufstiegsmöglichkeiten in diesen Bereichen sind auch begrenzt. Im Hochlohnbereich wie Metall, Produktion, Technik sind die Frauen noch nicht so vertreten, wie man sich das wünschen würde. Es gibt hier auch viel mehr Möglichkeiten zum Aufstieg.
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