Warum das Konzept "Zeit gegen entlohnte Arbeit" veraltet ist

Warum das Konzept "Zeit gegen entlohnte Arbeit" veraltet ist
Arbeitskräftemangel, Krisen, Klima und KI: Experten erklären, wie es die Arbeitswelt schafft, in der Zukunft anzukommen.

Unternehmen sind gefragt, neue Rahmenbedingungen zu schaffen, damit die Arbeitswelt erfolgreich in die Zukunft geführt wird. Denn es gibt zahlreiche Impulse, die Einfluss auf unsere aktuellen Arbeitsweisen nehmen: der Arbeitskräftemangel, Krisen, Klima und Künstliche Intelligenz.

Zukunft der Arbeit ist höchst komplex

Das einfache Tauschgeschäft von Zeit gegen entlohnte Arbeit sei veraltet, "das Wechselspiel ist komplizierter geworden", sagt Angelika Schmidt von der Wirtschaftsuniversität Wien gegenüber der APA. Es seien vor allem die Krisen, die uns erinnert haben, dass wir bestimmte Dinge nicht selbstverständlich nehmen sollten.

Neben dem eklatanten Arbeitskräftemangel und demografischen Wandel seien es vor allem die erlebte Pandemie, Krisen wie Krieg, Energiepreise und Inflation sowie der Klimawandel, die die Debatte um Zukunftsmodelle der Arbeit befeuern - sowie die nächste Generation von Künstlicher Intelligenz (KI), also Text-Roboter wie ChatGPT und Bild-Generatoren wie DALL-E. Die Komplexität, wie sich Arbeit zukunftsweisend gestalten lässt, sei enorm. Man dürfe aber vor dem Diskurs nicht zurückschrecken bzw. an herkömmlichen Denkmustern zu starr festhalten, sagt Schmidt.

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In einer Deloitte-Studie gaben 82 Prozent an, dass ein großer Teil der Belegschaft im Homeoffice arbeitet

Mehr Flexibilisierung

Die Pandemie brachte neue Formen der Flexibilisierung von Arbeit. Laut einer Studie von Deloitte mit Fokus auf Büroarbeit gaben im Vorjahr 82 Prozent der 600 befragten österreichischen Unternehmensvertreter an, dass ein großer Teil der Belegschaft gelegentlich oder regelmäßig im Homeoffice arbeitet - für Michael Bartz von der IMC Fachhochschule (FH) Krems "ein echter Quantensprung".

Flexibilisierung meine mehr als das Arbeiten von daheim, sagt Politikwissenschafterin Barbara Prainsack von der Universität Wien. Dabei sei eine weiter gedachte Flexibilisierung von Arbeit, etwa im Sinne von mehr Selbstbestimmung durch den Arbeitnehmer oder das Einbeziehen in das Setzen von unternehmerischen Zielen, für viele ein wichtiges Element, u.a., um von Unternehmensseite im Werben um Arbeitskräfte attraktiv zu sein. Diese Maßnahmen seien auch z. B. in Care- und Pflegeberufen diskutier- und umsetzbar, so Prainsack.

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Menschen könnten klimafreundlicher leben, wenn sie weniger arbeiten

Klimawandel trifft auf Arbeitszeitverkürzung

Im Kontext von Klimawandel bringen Fachleute auch Arbeitszeitverkürzung ins Spiel: Menschen könnten eher klimafreundlich leben, wenn sie mehr Zeit zur Verfügung haben statt mehr Geld - die Grundversorgung einmal vorausgesetzt. Ein bis zwei Stunden würden schon reichen, sagen die Wissenschafterinnen Barbara Smetschka und Johanna Hofbauer, Mitautorinnen eines Berichtes über Strukturen für ein klimafreundliches Leben. Auch die Rolle von Unternehmen als "Wissens-Multiplikatoren" bei der Vermittlung von nachhaltigen Ideen sei zentral.

Green Jobs "qualifizieren für den Wandel und sensibilisieren für das Thema", sagen Hofbauer und Nachhaltigkeitsexpertin Karin Huber-Heim. Es würden Inhalte transportiert, die die Menschen auf dem Transformationspfad mitnehmen und auch "Zukunftsängste nehmen" können. Eine zu enge Definition von "Green Jobs", also primär im Umweltsektor angesiedelte Jobs, geht manchen nicht weit genug. Die soziale Dimension mit Blick auf Kultur, Bildung, Tourismus sei ebenfalls mitzudenken. Denn Arbeit ist, so Barbara Prainsack, der Schlüssel zur weitgehenden Transformation der Gesellschaft.

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Die Kombination Mensch und Maschine hat Potenzial, sagen Experten

Künstliche Intelligenz wird zum Standard-Werkzeug

Es scheint unbestritten: KI bringt einen Technologiesprung, den Experten auch mit jenem bei der Einführung von Internet und Smartphone vergleichen. Die Kombination Mensch und Maschine hat Potenzial. "Künstliche Intelligenz ist ein neues Werkzeug. Aber wo Google nur Treffer liefert, macht die KI aus Daten Informationen, mit denen man weiterarbeiten kann", sagt etwa Oliver Som vom Management Center Innsbruck.

Wo es um die quantitative Bewältigung von Daten gehe, werde KI zum Standard-Werkzeug. Neues Wissen zu erzeugen, kritisch zu reflektieren und Perspektiven zu wechseln, werde auch in zehn Jahren noch dem Menschen vorbehalten bleiben. Gerade für Klein- und Mittelbetriebe (KMU), so die Annahme, werden sich durch neue Technologien viele Möglichkeiten bieten - vor allem beim Umgang mit dem Fachkräftemangel.

Aber für Experten wie Wolfgang Freiseisen von RISC Software in Hagenberg muss nun auch das Arbeitsumfeld so gestaltet werden, dass sich Entspannungsmöglichkeiten eröffnen. Der anstrengende, fordernde Anteil habe früher vielleicht bei 20 Prozent der Arbeitszeit gelegen, sich inzwischen aber stark erhöht, meint der Geschäftsführer.

"Digitalisierung und Big Data transformieren die Arbeitswelt. Beschäftigte, die nicht anpassungsfähig genug sind, sind dadurch mit neuen Beschäftigungsrisiken konfrontiert", sagt Holger Bonin, designierter Direktor des Institutes für Höhere Studien (IHS). Um den Wandel zu begleiten, müsse sich aber die Arbeitsmarktpolitik nicht ganz neu erfinden: "Es bleiben auch im digitalen und datengetriebenen Strukturwandel zur Beschäftigungssicherung klassische Ansätze der aktiven Arbeitsmarktpolitik zentral, auch wenn sie einer inhaltlichen Nachschärfung bedürfen."

Zwischen Nachschärfen und Neudenken: "Wir müssen uns überlegen, wie wir den Diskurs dazu aufsetzen", so Angelika Schmidt: "Wichtig ist, dass wir anfangen."

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