An einem Denkmal rütteln: Antisemit Franz Stelzhamer in der Kritik

An einem Denkmal rütteln: Antisemit Franz Stelzhamer in der Kritik
Nach Kritik der IG Autorinnen Autoren an Landeshymnen in Österreich steht auch der Mundartdichter zur Debatte.

Die KURIER-Redaktion berichtet verstärkt aus der Stadt Linz. Alles, was die Stadt bewegt, direkt ins E-Mail-Postfach mit dem Donaubrücke-Newsletter - Hier kostenlos anmelden: Anmelden 

Ein offener Brief der IG Autorinnen Autoren hat die Diskussion um problematische Landeshymnen und deren Autoren neu entfacht.

Ihre Forderungen: Während in Salzburg eine komplette Neufassung von Text und Musik notwendig sei, brauche man in Oberösterreich und Niederösterreich lediglich einen anderen Text, in Kärnten würde die Streichung einer Strophe reichen, heißt es in dem Schreiben.

„Hoamatgsang“, die oö-Landeshymne mit dem Text von Franz Stelzhamer, steht also in der Kritik.

Der oberösterreichische Schriftsteller Ludwig Laher hat sich intensiv mit dem Werk des Mundartdichters Franz Stelzhamer auseinandergesetzt. Abseits der Hymnen.

„Vor 30 Jahren habe ich schon darauf hingewiesen, dass eine Kontextualisierung Stelzhamers wichtig und nötig ist“, bekräftigt er im Gespräch mit dem KURIER.

Stelzhamer habe ganz „fürchterliche Sachen“ geschrieben, weiß Laher, der die Originaltexte des Mundartdichters gesichtet hat.

„Fürchterliche Sachen“

Ein Zitat Stelzhamers sticht für Laher hervor: „Die Völker ringen um Vorrang und Macht, [...], der Jude sieht zu, zufrieden, dass er heut oder morgen, da oder dort seinen Bandwurmrüssel, gleichviel, an die offene Wunde, oder an die Errungenschaften anlegen kann und – saugen.“

Für Laher ist Stelzhamer, neben Richard Wagner, ein Dichter, der antisemitsche Pflöcke in der Diskussion der damaligen Zeit eingeschlagen habe.

Den Umgang des offiziellen Oberösterreich mit dem Gedenken an Stelzhamer hält Laher für höchst problematisch. Schon Anfang des Jahrtausends sei in Linz über Stelzhamer im Gemeinderat diskutiert worden.

Dass sich die SPÖ unter dem damaligen Sprecher und heutigen Bürgermeister Klaus Luger in Sachen Kontextualisierung Stelzhamers in Linz mit dem Argument, Stelzhamer sei nicht für die nationalsozialistischen Verbrechen haftbar zu machen, dagegen gestellt hat, versteht Laher bis heute nicht.

"Eine Chuzpe"

Und die erstmalige Positionierung von ÖVP-Landeshauptmann Thomas Stelzer, der Stelzhamers Nazi-Ausritte im Rahmen eines Festaktes zum Jubiläum der Landeshymnen als „unentschuldbar“ bezeichnete und als Möglichkeit für die Beibehaltung des Textes darstellte, beim Singen der Hymne der Verbrechen des Nationalsozialismus zu gedenken, bezeichnete Ludwig Laher als „Chuzpe“.

Für höchst problematisch hält der Innviertler Autor auch die Benennung einer Schule nach dem Antisemiten Stelzhamer – nämlich, dass auf der Fassade in Hebräisch Gedenksprüche angebracht sind, während der Name bleibt.

Am Weg zur Synagoge

„Ich bin kein Denkmalstürmer“, versichert Ludwig Laher im KURIER-Gespräch, aber Hinweistafeln, mit denen auf die historische Belastung Stelzhamers und seine Rolle für den Antisemitismus hingewiesen werde, würde von einem guten Geschichtsbewusstsein zeugen.

Passiert sei das bereits in Wien, im Bezirk Landstraße. Dort wurde zur Stelzhamerstraße auf einem Zusatzschild vermerkt: „Viele seiner Texte sind geprägt von antisemitischen Stereotypen.“

An einem Denkmal rütteln: Antisemit Franz Stelzhamer in der Kritik

In Salzburg hingegen wurde diese Möglichkeit verpasst, weiß Laher: „Die dort angebrachte Tafel würdigt Stelzhamer nur.“ In Salzburg liegt die Straße darüber hinaus in der Nähe der dortigen Synagoge, vor drei Jahren wurde die Umbenennung der Stelzhamerstraße nach dem verstorbenen Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde Marko Feingold diskutiert, aber schließlich beschlossen, das abzulehnen.

Zurück nach Oberösterreich. Hier bleibt Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) bei seiner Linie: „Man kann die Geschichte eines Landes nicht verändern, aber man kann sie verantwortungsvoll aufarbeiten. Und das tun wir in Oberösterreich sehr intensiv, auch was unsere Landeshymne betrifft.“

Stelzer steht zu "Hoamatgsang"

Diese verbinde niemand mit Antisemitismus: „Man findet auch kein verwerfliches Wort in unserem ,Hoamatgsang’. Seit über 70 Jahren wird unsere Landeshymne gesungen, bei Festen und offiziellen Anlässen, von Jung und Alt. Die Landeshymne gehört zu Oberösterreich und wir denken auch nicht daran, sie zu ändern.“

Was den Text der Hymne betrifft, ist Laher nach wie vor überzeugt, dass zu der Melodie ein passenderer Text gefunden werden könnte. Oder dass ein neuer in Auftrag gegeben wird, der „die Untertanenstimmung des Textes auflöst“.

Einen neuen Text würde Laher für einen guten Schritt halten, betonte er gegenüber dem KURIER. Wobei er realistisch betrachtet einräumt: „In Oberösterreich ist die Verbindung zu dieser Hymne so stark, dass es großen politischen Wagemut für so einen Schritt bräuchte.“

SPÖ-Bürgermeister Klaus Luger verweist auf die Linzer Straßennamenkommission, die auch Stelzhamer einer kritischen Beurteilung unterzogen habe: „Es ist klar, Stelzhamer war ein Antisemit, aber eine Straßenumbenennung ist nicht nötig.“

Das gelte auch für die Stelzhamerschule in Linz. Die Stadt wird allerdings in interaktiven Stadtplänen auf die Einordnung Stelzhamers verweisen und das Buch über die Straßennamen mit entsprechenden Hinweisen neu auflegen.

Was die immer wieder aufkommende Forderung nach einer Kontextualisierung des Stelzhamer-Denkmals im Linzer Volksgarten betrifft, meint Luger: „Ich würde mich nicht dagegen wehren, wenn eine Tafel aufgestellt wird.“

Er werde jedenfalls veranlassen, dass auch das Stelzhamer-Denkmal im interaktiven Stadtplan den Verweis auf dessen Rolle als Antisemit und den Link zur Straßennamenkommission erhalte.

Kommentare