OÖ-Wahlsieger MFG: "Es wird eine Pandemie gespielt"
Joachim Aigner ist Landesvorsitzender der neuen Partei „Menschen, Gerechtigkeit, Freiheit (MFG)“, die künftig mit drei Sitzen im 56-köpfigen Landtag vertreten ist. Der 45-Jährige wohnt in Eberschwang und ist Steuerberater mit 14 Mitarbeitern in Schildorn (Bez. Ried/I.). Mit 23 Jahren hat er sich als Buchhalter selbstständig gemacht. Mit seiner Lebenspartnerin hat er vier Söhne und Stiefsöhne.
KURIER: Warum haben Sie sich politisch engagiert?
Joachim Aigner: Die Unzufriedenheit mit der politischen Gesamtsituation hat sich über mehrere Jahre aufgebaut. Auslöser waren die Freiheitsbeschränkungen durch Corona, speziell für Unternehmen. Das Pandemiemanagement hat versagt, man hat aus der Situation nicht gelernt.
Was war Ihr letzter Anstoß?
Ich habe erfahren, dass eine neue Partei gegründet worden ist. Ich habe im April in Wien einen Bekannten getroffen, der mir davon erzählt hat. Ich habe gesehen, dass ich mich mit dem Programm identifizieren kann. Die Zeit war für mich reif, dass ich etwas mache. Mitte Mai bin ich der Partei beigetreten. Die Bundespartei hat zur selben Zeit entschieden, dass wir in Oberösterreich bei der Landtagswahl antreten. Ich habe das Pouvoir bekommen, ein Team aufzustellen.
Was war das Ausschlaggebende für Ihren Erfolg? Medial war Ihre Partei noch nicht so bekannt.
Unser vierköpfiges Team war in ganz Oberösterreich mit mehr als 100 Informationsveranstaltungen unterwegs. Die Bezirks- und Gemeindegruppen haben die Veranstaltungen eingetaktet. Wir haben dort unsere vier Kernpunkte präsentiert.
Welche sind das ?
Die Wiederherstellung der Grund- und Freiheitsrechte, die Entlastung der Einpersonen-, der Klein- und Mittelunternehmen von Bürokratie und eine gerechte Besteuerung. Ein ganz wichtiges Thema sind Kinder, Jugend, Familie und Bildung. Der vierte Bereich ist Gesundheit, Soziales und Pflege. Manchmal waren bei den Veranstaltungen 30 Leute da, bei anderen wieder 200.
Haben Sie auch mit den sozialen Netzwerken gearbeitet?
Natürlich, wir haben da unser Marketingteam, das sich da auskennt.
Was war der letzte Kick für die 6,23 Prozentpunkte, die Ihre Partei erzielt hat?
Wir sind zu den Menschen rausgefahren und haben uns ihre Sorgen, Probleme und Ängste angehört. Wir waren ganz nah bei den Bürgern.
Sie lehnen die Impfpflicht ab.
Den Impfzwang.
Das vertritt die FPÖ auch. Sie vertreten hier dieselben Positionen wie die Freiheitlichen. Die FPÖ hat aber nicht profitiert, sondern hauptsächlich Ihre Partei. Warum?
Wir lavieren hier nicht herum, wir sind die Linie gegen den Zwang scharf gefahren. Es hat bei uns nie Aussagen gegeben wie, dass wir uns eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen vorstellen können.
Andere Parteien werfen Ihrer Gruppe vor, Verschwörungstheoretiker zu sein.
Diejenigen, die das behaupten, tun unseren Wählern unrecht. Ein Verschwörungstheoretiker ist etwas anderes als jemand, der den Maßnahmen gegenüber kritisch ist und der die Einhaltung verfassungsrechtlicher Normen verlangt. Es ist natürlich ein Leichtes, den politischen Mitbewerb abzustempeln.
In Italien wird die 3-G-Regel eingeführt. Nur wer geimpft, genesen oder getestet ist, hat Zutritt zu Büro, Fabrik, Verkehrsmittel, Veranstaltungen, Cafés und Hotels. Und wer sich nicht kostenlos impfen lassen will, muss 15 Euro für den Test selbst bezahlen. Können Sie sich Derartiges für Österreich vorstellen?
Das ist absolut abzulehnen. Man darf einen Menschen nicht vom gesellschaftlichen Leben ausschließen, weil er sich nicht impfen lässt, nicht genesen ist oder keine Erkrankung gehabt hat. Es ist absolut abzulehnen, dass jemand dauernd beweisen muss, dass er gesund ist. So wie jemand vor Gericht als unschuldig gilt, wenn seine Schuld nicht bewiesen ist, so muss er als gesund gelten, bis der Arzt eine Krankheit nachgewiesen hat. Wir müssen aufhören, von infizierten oder positiven Fällen zu sprechen, sondern wir müssen von erkrankten Menschen reden, damit ein wahres und reelles Bild gezeichnet wird.
Wer nicht geimpft ist, muss sich derzeit jeden zweiten Tag testen lassen. Lehnen Sie das ab?
Wenn man gesund ist, soll man nicht nach Krankheit suchen.
Die Testpflicht lehnen Sie ab?
Sie führt dazu, dass eine Pandemie gespielt wird.
Die es nicht gibt?
Wir dürfen nicht von infizierten und positiven sprechen, sondern von erkrankten Menschen. Da muss einfach ein anderer Fokus her.
Wie soll man die Pandemie in den Griff bekommen?
Was ist denn eine Pandemie?
Es sind sehr viele Menschen erkrankt und viele sind auch gestorben.
Die höchste Auslastung auf Intensivstationen war am 26. November 2020 mit 1028 Menschen, davon waren 726 Menschen mit Corona.
Es ist also aus Ihrer Sicht keine Pandemie, sondern ...
... doch eine Pandemie. Sie hat aber nicht automatisch mit Sterblichkeit zu tun, sondern sie ist eine Infektionskrankheit, die weltweit relevant ist. Eine mittelschwere Grippe ist auch eine Pandemie.
Manche behaupten, Covid sei nur eine Grippe.
Eine Grippe ist etwas anderes. Es hat ähnliche Verläufe wie eine Grippe. Auch eine Grippe ist eine Pandemie. Mit dem Geld, rund drei Milliarden Euro, die man für die Tests ausgegeben hat, hätte man sehr viele gute Dinge machen können. Indem man für die Risikogruppen, ältere Menschen, Alters- und Pflegeheime baut, und sie in der freien Entscheidung befragt, ihnen einen besonderen Schutz zukommen lässt, wenn sie das wollen.
Die Pandemie ist in der Endphase. Damit kommt Ihrer Partei das Hauptthema abhanden und es droht ihr politisch die Luft auszugehen.
Überhaupt nicht. Ganz wesentlich sind die Themen Kinder, Familie, Jugend, Bildung.
Was wollen Sie hier erreichen?
Wir brauchen eine familien- und arbeitsgerechte Kinderbetreuung für Mütter, die berufstätig sind, insbesondere in den ländlichen Regionen.
Die SPÖ möchte einen Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung gesetzlich verankern. Das heißt, ein Kindergarten in jeder Gemeinde.
Das wird nicht möglich sein. Das Problem ist, dass dort, wo der Arbeitsplatz ist, oft nicht der Kinderbetreuungsplatz ist. Es ist schwierig, ein Kind, das im Ort A wohnt, in der Gemeinde B in den Kindergarten zu geben. Das Denken in Gemeindegrenzen muss aufhören. Die Gemeinden müssen sich abstimmen.
Halten Sie es für richtig, dass Eltern für die Kinderbetreuung am Nachmittag bezahlen müssen?
Das ist verständlich, wenn es sozial verträglich ist.
Was soll in der Schule passieren?
Wir brauchen in der Schule neue, kindgerechte Fächer, damit die Kinder besser auf das Leben vorbereitet werden. Zum Beispiel ein Fach, in dem der Umgang mit Geld gelernt wird. Mit 15 Jahren kommen viele in die Lehre, mit 18 nehmen sie sich ein Leasingauto, das sie nicht bezahlen können. Oder Unterricht im Körperbewusstsein. Damit die Kinder lernen, wie Bewegung und Ernährung zusammenhängen. Man kann viel in der Prävention machen, damit man spätere Erkrankungen verhindert. In der EU beträgt der Durchschnitt der gesunden Jahre 64 Jahre, in Österreich nur 57.
Sie sind nun durch den Widerstand gegen Covid-Maßnahmen in den Landtag gekommen. Sie sind also eine Protestgruppe.
Wir werden in den nächsten sechs Jahren beweisen, dass wir keine Protestgruppe sind. Bei unseren Veranstaltungen haben sich 75 Prozent der Gespräche um Kinder, Bildung und Jugend gedreht. Natürlich war Covid der Aufhänger. Ich war sechs Wochen lang jeden Abend in einer anderen Gemeinde.
Das traditionelle politischen Schema reicht von links über die Mitte nach rechts. Wo ordnen Sie sich und Ihre Partei ein?
Nirgends, weil wir keine traditionelle Partei sind.
Sind für Sie Maßnahmen gegen den Klimawandel wichtig? Wenn ja, welche?
Das Thema Umwelt ist wichtig. Bei den Maßnahmen muss jeder bei sich selbst anfangen. Eigenverantwortung und Bewusstseinsbildung beim Konsumenten sind entscheidend. Wenn Kindern gelehrt wird, wie wichtig regionale Lebensmittel sind, was Bio-Standard bedeutet und dass heimische Arbeitsplätze gesichert werden, wird die Wirkung zwar dauern, aber sie wird langfristig etabliert sein.
Wie ist Ihre Position zu Kapitalismus und Marktwirtschaft?
Die Marktwirtschaft zeigt mit Angebot und Nachfrage, was gebraucht wird. Aufgrund der EU-Mitgliedschaft ist die Möglichkeit des Staates, darauf einzuwirken, beschränkt. Der Markt funktioniert deshalb teilweise nicht, weil es durch Förderinstrumentarien zu Verzerrungen kommt.
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