Kriegsgerät aus NÖ? US-Söldner-Chef in Wiener Neustadt vor Gericht
Erik Prince (53) war Chef der berüchtigten US-Söldnertruppe Blackwater. Er gilt als Intimus von Donald Trump und Muhammad bin Zayid Al Nahyan, Kronprinz der Vereinigten Arabischen Emirate. Und bewegt sich auf dem internationalen Parkett nur in den elitärsten Kreisen.
In Österreich wartet auf den Milliardär demnächst ein freier Platz auf der Anklagebank. Prince ist eine von fünf Personen, die die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt vor Gericht zitiert. Die Anklagebehörde hat am 20. April einen Strafantrag nach Paragraf 7 des Kriegsmaterialgesetzes eingebracht, bestätigt Behördensprecher Erich Habitzl gegenüber dem KURIER.
Die Aktenzahl 48Hv 44/23t steht für einen spannenden Justiz- und Waffenkrimi rund um den Verdacht der illegalen Ausfuhr von Kampfmitteln und Kriegsmaterial – bedroht mit bis zu fünf Jahren Gefängnis.
Im Mittelpunkt der Causa steht der Wiener Neustädter Flugzeugbauer Airborne Technologies. Der Flugzeugausstatter verwandelt Flugzeuge und Hubschrauber auf Kundenwunsch in hochmoderne Überwachungs- und Aufklärungsmaschinen. Hochauflösende Kameras, Infrarot-Technologie, gepanzerte Cockpitscheiben und Tanks; Airborne baut zivile Flugzeuge so um, dass die Flieger auch in Krisengebieten eingesetzt werden können.
Zu den Kunden zählen die englische, slowenische, deutsche und spanische Polizei, die schweizerische Rettungsflugwacht und internationale Militär- und Grenzschutzeinheiten. In den Firmenbüchern scheint neben den vielen Behördenaufträgen, aber auch ein fragwürdiger Deal auf. Die Ermittlungen drehen sich seit fünf Jahren um zwei umgebaute Agrarflugzeuge der Marke „Trush 510G“. Die
Maschinen wurden von Airborne mit spezieller Luftaufklärungstechnik wie etwa einem S.C.A.R.-Pod ausgestattet.
Das an sich wäre noch kein Rechtsbruch. Allerdings wurden die Flieger von der bulgarischen Partnerfirma LASA Engineering militärisch zu einem Kampfflieger namens „T-Bird“ modifiziert. Ein solches Modell mit der Flugzeugkennung LZ-SAX wurde mit Raketenwerfern und Maschinengewehren unter den Tragflächen 2017 auf der internationalen Pariser Flugzeugmesse prominent vor Zehntausenden Besuchern zur Schau gestellt: Airborne und LASA hatten den Messestand Seite an Seite.
Maschine im Kriegsgebiet
Von der Öffentlichkeit völlig unbemerkt hielt Erik Prince vor 2017 eine stille Beteiligung an Airborne über ein Firmenkonstrukt (Frontier Services Group) auf den Bermudas. In dieser Zeit tauchte plötzlich eines der schwer bewaffneten Kampfflugzeuge in einem Kriegsgebiet in Afrika auf.
Sie wurde als die mächtigste Privatarmee der Welt bezeichnet. Erik Prince (53) ist der Gründer des amerikanischen Söldnerunternehmens Blackwater, das ab den 90er-Jahren von der US-Regierung mehr als eine Milliarde US-Dollar für teilweise geheime Sicherheitsaufträge bekommen hat. Unter anderem stellte es Spezialeinsatzkräfte für den Irak-Krieg.
Schwer in Verruf gekommen ist der Unternehmer mit seiner Söldnerarmee, nachdem Kämpfer 2007 in Bagdad ein Massaker an Zivilisten angerichtet hatten. Vor laufenden Kameras wurden 17 Zivilisten, darunter Frauen und Kinder, erschossen. Später wurde Blackwater umbenannt und verkauft. Prince gilt auch als Berater von Ex-Präsident Donald Trump, seine Schwester Betsy DeVos war Bildungsministerin in Trumps Kabinett.
Prince gilt als Österreich-Fan, er hatte bereits Meldeadressen in Eisenstadt und später in Neusiedl am See im Burgenland.
Ein Sicherheitsbericht der Vereinten Nationen vom Februar 2021 erhärtete den Verdacht. Laut dem Expertengremium der UNO soll Prince gegen das aufrechte Waffenembargo für Libyen verstoßen haben. Demnach soll er die Fäden für eine geheime Militäroperation in Afrika gezogen haben, um dem libyschen General und Warlord Chalifa Haftar teures Kriegsgerät für seinen Kampf gegen die Regierung zu liefern.
Export über die Hintertüre?
Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt lautet, dass der Export der Kampfmittel von der Wiener Neustädter Firma über die „bulgarische Hintertüre“ erfolgt sei.
Laut Habitzl wurde neben dem Strafantrag gegen fünf Personen auch ein Antrag auf eine Verbandsgeldbuße gegen Airborne Technologies eingebracht. Neben Erik Prince muss sich damit auch das niederösterreichische Unternehmen in dem Prozess verantworten.
Ob der US-Milliardär selbst in Österreich vor Gericht erscheint, ist äußert fraglich. Ohne seinen Namen und die Identität zu bestätigen, verrät die Vizepräsidentin des Landesgerichts Wiener Neustadt, Birgit Borns, dass man den genauen Aufenthaltsort „von einem der fünf Beschuldigten“ nicht kenne. „Uns fehlt eine aufrechte Adresse. Es ergeht daher ein Rechtshilfeersuchen an die Behörden in den USA“, erklärt Borns. Prozesstermin steht laut der Sprecherin noch keiner fest.
Die Geschäftsführung von Airborne Technologies wies die Anschuldigungen in der Vergangenheit immer entschieden zurück. Die beiden Maschinen seien genau so ausgestattet, wie das Modell auf der Homepage der Firma angepriesen wurde. „Wir haben keine Halterungen für Maschinengewehre angebracht. Es ist nichts illegal. Die Exportbewilligung ist für uns das maßgebliche Kriterium und die haben wir“, erklärte der Firmenchef.
Eigentlich hätte der Prozess gegen Erik Prince und den Flugzeugbauer Airborne Technologies schon 2019 stattfinden sollen. Doch das Justizministerium und die Oberstaatsanwaltschaft Wien hatten damals den fertigen Strafantrag der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt wegen des Verdachts der illegalen Ausfuhr von Kampfmitteln und Kriegsmaterial abgeschmettert. Das Ministerium sagte zurück an den Start. Es wurden weitere Ermittlungen und Einvernahmen in Auftrag gegeben.
Kalte Füße bekommen?
Laut Insidern hatte man in Regierungskreisen kalte Füße bekommen. Man war besorgt, die guten diplomatischen Beziehungen zu den USA durch eine „vorschnelle Anklage“ mit einem ungewissen Ausgang zu gefährden. Nach dem belastenden Bericht der UNO, der im Februar 2021 dem Sicherheitsrat vorgelegt wurde, gab es allerdings auch für die österreichische Justiz dringenden Handlungsbedarf. Die Erkenntnisse der Vereinten Nationen flossen auch in das Ermittlungsverfahren in Wiener Neustadt ein.
Berichte an Kabinett und Pilnacek
Welcher Eiertanz rund um den brisanten Akt im Justizministerium angestellt wurde, belegt eine parlamentarische Anfrage von Grünen-Nationalrat David Stögmüller an seine Parteikollegin, Justizministerin Alma Zadić. „Aufgrund der (medialen) Brisanz der gegenständlichen Strafsache“, ergingen alle Zwischen- und Vorhabensberichte der ermittelnden Staatsanwaltschaft vorab an das Kabinett beziehungsweise direkt an den damaligen Generalsekretär Christian Pilnacek – in seiner Funktion als Leiter der zuständigen Sektion IV.
Die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt musste auf diesem Wege nicht weniger als fünf Zwischenberichte in Wien vorlegen, geht aus den parlamentarischen Unterlagen hervor. Stögmüller wollte wissen, ob es angesichts des prominenten Beschuldigten Erik Prince diplomatische Interventionen oder Einmischungen aus den USA gab. Das dementiert das Justizministerium. Weder die US-Botschaft noch eine Vertretung anderen Staaten habe sich in der Causa an Mitarbeiter des Ministeriums gewandt, erklärt Zadić.
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