Geldstrafe und zwei Freisprüche: Warum Pilnacek weiter warten muss

Geldstrafe und zwei Freisprüche: Warum Pilnacek weiter warten muss
Der Justiz-Sektionschef wurde vom Disziplinarsenat zweimal freigesprochen und einmal mit einer Geldstrafe bedacht. Die Frage ist, ob noch offene Vorwürfe schwer genug wiegen, dass er vom Dienst freigestellt bleibt.

Einer der höchsten Beamten im Justizministerium bezeichnet eine Hausdurchsuchung als „Putsch“ und gibt Ratschläge, wie sich ein beschuldigter ÖVP-Finanzminister dagegen wehren soll. So geschehen im Februar 2021. Die Protagonisten: Christian Pilnacek, die WKStA und Gernot Blümel.

Eine Aktion wie diese kann das Vertrauen der Bevölkerung in die Verwaltung „erheblich beschädigen“, urteilte ein Senat der Bundesdisziplinarbehörde am Donnerstag. Der Sektionschef wurde einer „schwerwiegenden Dienstpflichtverletzung“ schuldig gesprochen und bekam eine Geldstrafe von einem Monatsgehalt. In seinem Fall sind das rund 11.000 Euro. 

Zur Einordnung: Die mildeste Sanktion im Beamtendienstrecht ist ein Verweis, die härteste eine Entlassung, dazwischen gibt es Geldstrafen von bis fünf Monatsbezügen. 

Pilnacek und sein Anwalt Rüdiger Schender hatten erklärt, es handle sich bei dem Chat mit Blümels damaligem Kabinettschef um „private Kommunikation“. Die heftige Kritik an der WKStA sei vom Recht der freien Meinungsäußerung gedeckt. 

Der Disziplinarsenat sah das ein wenig anders: Ein Beamter habe immer Bedacht darauf zu nehmen, „dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt“. Für eine funktionierende Verwaltung sei dieses Vertrauen von „erheblicher Bedeutung“ – das gelte vor allem für den Justizbereich, betonte der Vorsitzende. Und: Bei einem Sektionschef liege die Latte noch höher – Pilnacek habe auch eine Vorbildfunktion. 

Pilnacek habe damit rechnen müssen, dass der Kabinettschef seine Ratschläge (etwa, dass Blümel Rechtsmittel und eine Dienstaufsichtsbeschwerde einlegen soll) weitergibt, sie also nicht „privat“ bleiben. Dass die Chats nicht über den Kabinettschef, sondern über den Ibiza-U-Ausschuss publik wurden, spielte für die Entscheidung offenbar keine Rolle.   

Mehr dazu hier: Pilnacek im Endlos-Kampf gegen eine Justiz, die ihn verstoßen hat

Geldstrafe und zwei Freisprüche: Warum Pilnacek weiter warten muss

Keine Gefährdung

Von zwei weiteren Vorwürfen wurde Pilnacek dann freigesprochen: Erstens hat er einer Journalistin ein Amtsgeheimnis gesteckt; die Disziplinarbehörde sah aber – ähnlich wie ein Strafgericht, das ihn deshalb bereits freigesprochen hat –  kein privates oder öffentliches Interesse gefährdet. 

Zweitens wurde ihm vorgeworfen, dass er mehrere Dokumente aus dem Verschlussakt zur Ibiza-Causa erhalten hat, obwohl er nicht mehr dafür zuständig war, und das nicht gemeldet hat. Pilnacek wurde freigesprochen – auch, weil die Umstände bis heute nicht geklärt sind. 

Vermutet wird, dass die Dokumente aus der Oberstaatsanwaltschaft – konkret vom Behördenleiter Johann Fuchs – kamen. Er ist Pilnaceks „Verbündeter“ im langen Streit mit der WKStA – und in weiterer Folge auch mit dem von Alma Zadić (Grüne) geführten Justizministerium. 

Diesen Streit sieht Pilnaceks Anwalt offenbar als wahren Grund für die Suspendierung und die „vielen Eigentümlichkeiten im Verfahren“. Schender in seinem Plädoyer: „Das alles zeigt, wie verzweifelt das Justizministerium versucht, etwas zu finden, das man ihm vorwerfen kann.“ 

Im Februar 2021 stellt die Staatsanwaltschaft Wien stellt bei Christian Pilnacek, Leiter der Legistik-Sektion, das Handy sicher, am selben Tag wird er suspendiert. Grund sind Ermittlungen wegen Geheimnisverrats in der Causa Tojner, die bis dato laufen. 

Die Bundesdisziplinarbehörde hebt die Suspendierung auf – der Vorwurf reiche nicht aus, heißt es. Pilnaceks Dienstgeber, das Justizministerium, legt Beschwerde ein.

Weil nach der Auswertung seines Handys kurz darauf weitere Vorwürfe publik werden, spricht das Bundesverwaltungsgericht als zweite Instanz doch eine Suspendierung aus, die später vom Verwaltungsgerichtshof bestätigt wurde

Gesamtbild der Vorwürfe

Unklar ist, wie es jetzt für Pilnacek weitergeht. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, da weder sein Anwalt noch der Disziplinaranwalt am Donnerstag eine Erklärung abgegeben haben. Über die Suspendierung entscheidet der Disziplinarsenat gesondert, der Bescheid ergeht schriftlich. 

Suspendiert ist Pilnacek wegen des Gesamtbildes, das die Vorwürfe abgeben. Jene drei Vorwürfe, über die am Donnerstag entschieden wurde, können nicht mehr als Gründe herangezogen werden – mit der Sanktion und den zwei Freisprüchen sind sie (vorerst) abgehakt. 

Schwerwiegend genug?

Weitere Vorwürfe sind aber noch offen. So wird gegen Pilnacek ermittelt, weil er eine Hausdurchsuchung in der Causa um Investor Michael Tojner verraten haben soll. Solange das Strafverfahren läuft, muss das Disziplinarverfahren warten. 

Die große Frage ist nun: Wiegt die Causa Tojner schwer genug, um die Suspendierung aufrechtzuerhalten? Das traute sich am Donnerstag niemand einzuschätzen. Auch Manfred Matzka, langgedienter Spitzenbeamter im Bundeskanzleramt, winkt auf KURIER-Anfrage ab. Nur so viel: Die „relativ hohe Strafe“ für die Chats zeigt, dass das Verhalten Pilnaceks nicht als „Bagatelle“ angesehen wird. 

Von Pilnaceks Arbeitgeber, dem Justizministerium, hieß es: „Zu laufenden Disziplinarverfahren können wir keine Stellungnahme abgeben.“ 

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