Profitiert die ÖVP vom "Kurz-Effekt"?

Laut "Österreich Trend" liegt die ÖVP vor der SPÖ - aber nur, wenn Sebastian Kurz an der Spitze steht und bei den Blauen wildert.

In Deutschland überholt die SPD seit zehn Jahren zum ersten Mal die CDU. Ausschlaggebend dürfte der sogenannte "Schulz-Effekt" sein. Seit der Ex-EU-Parlamentspräsident Martin Schulz als rote Speerspitze in die kommende Bundestagswahl zieht, erleben die deutschen Sozialdemokraten einen zweiten Frühling. Im aktuellen ARD-"Deutschlandtrend" haben sie vier Prozentpunkte hinzugewonnen und kommen auf 32 Prozent.

ÖVP vor SPÖ und FPÖ

In Österreich könnte sich etwas Ähnliches abspielen. Allerdings nicht bei der SPÖ, sondern bei der ÖVP. Außenminister Sebastian Kurz verleiht seiner Partei offenbar Flügel. Im aktuellen "Österreich Trend" des Fernsehsenders ATV sprechen sich 32 Prozent der (700) Befragten für die Volkspartei aus – aber eben nur, wenn Kurz auch die Federführung der ÖVP übernimmt. Die SPÖ mit Kanzler Christian Kern rangiert mit 26 Prozent auf Platz zwei, die FPÖ mit Norbert Hofer statt Heinz-Christian Strache als Frontmann auf Platz 3 (24 Prozent).

Profitiert die ÖVP vom "Kurz-Effekt"?
Interview mit Bundeskanzler Christian Kern am 18.11.2016 in Wien.

Freilich sind Umfragen, die die Kanzlerfrage mit der Sonntagsfrage ("Welche Partei würden Sie am Sonntag wählen?") koppeln, umstritten. Zum einen sind es rein "hypothetische Fragestellungen" mit einer "begrenzten Aussagekraft", zum anderen fehlt der Wahlkampf. Politologe Peter Hajek, der den "Österreich Trend" durchgeführt hat, bestätigt die Kritikpunkte, weist aber auch darauf hin, dass die Umfrage recht deutlich zeigt, "wer in einer neuen Konstellation Chancen bzw. Risiken hätte."

Kurz fischt im blauen Teich

Apropos Kanzlerfrage: Könnten die Österreicher direkt ihren Regierungschef wählen, würde sich 34 Prozent für Kurz aussprechen, 27 Prozent für Kern und Hofer läge mit 16 Prozent auf dem dritten Rang. Für Hajek ist das ein klares Indiz, dass Kurz von allen Bevölkerungsgruppen Zuspruch erhalten würde, selbst aber besonders im Wählersegment der FPÖ wildert. Die Freiheitlichen könnten durch einen VP-Chef namens Kurz deutlich Stimmen verlieren. Dieselbe Gefahr bestehe auch für die Grünen, die bei der nächsten Parlamentswahl unter die Zehn-Prozent-Marke fallen könnten.

Profitiert die ÖVP vom "Kurz-Effekt"?
ABD0054_20170112 - WIEN - ÖSTERREICH: Grünen-Klubchefin Eva Glawischnig am Donnerstag, 12. Jänner 2016, im Rahmen der Jahresauftakt-Klausur des Grünen Parlamentsklubs in Wien. - FOTO: APA/HERBERT NEUBAUER

Dass Kurz als "ÖVP-Zukunftshoffnung" gehandelt wird, ist nicht neu. Das liegt vor allem daran, dass er in vielen Beliebtheitsrankings vor seinen Regierungskollegen liegt. Laut einer Studie der tfactory Trendagentur in Kooperation mit dem Institut für Jugendkulturforschung punktet der Außenminister sowohl bei 16- bis 24-jährigen Jungwählern als auch bei 55- bis 65-Jährigen. Mit Kurz, so heißt es, sei für die ÖVP bei Wahlen wohl mehr zu gewinnen als mit dem derzeitigen Chef Reinhold Mitterlehner.

Wie sieht es mit der Kern-Koalition aus?

Politologe Hajek hat im ATV-"Österreich Trend" außerdem gefragt, wie die Befragten die von Christian Kern favorisierte Koalition SPÖ-Grüne-NEOS finden würden. Neun Prozent finden diese Variante sehr positiv, 35 Prozent eher positiv, 29 Prozent eher negativ und 22 Prozent sehr negativ. Auffallend dabei ist, dass sich die Zustimmung mit steigendem Alter verringert. Während Unter-29-Jährige sich zu 54 Prozent dafür erwärmen können, findet sie bei der Generation 50plus nur mehr zu 35 Prozent Zustimmung.

Profitiert die ÖVP vom "Kurz-Effekt"?
ABD0048_20170128 - WIEN - ÖSTERREICH: NEOS-Obmann Matthias Strolz am Samstag, 28. Jänner 2017, während einer NEOS-Mitgliederversammlung mit Vorstandswahl in Wien. - FOTO: APA/GEORG HOCHMUTH

Übrigens wären laut "Österreich Trend" nur Christian Kern und Eva Glawischnig Chefs ihrer Parteien. NEOS-Vorsitzender Matthias Strolz würde von Irmgard Griss ersetzt. Neun Prozent könnten sich die Ex-Hofburg-Kandidatin als Bundeskanzlerin vorstellen. Glawischnig kommt auf fünf Prozent.


Zur Umfrage: Für die aktuelle Umfrage wurden von 13. bis 21. Februar 2017 700 Österreicherinnen und Österreicher repräsentativ für die Gesamtbevölkerung ab 16 Jahren telefonisch zu ihren politischen Einstellungen befragt. Die Schwankungsbreite der Ergebnisse beträgt maximal +/- 3,7 Prozent.

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